Steigende Kosten Behindertenhilfe ausgebremst: Landtag sieht Systemversagen bei Sozialagentur
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24. März 2023, 15:41 Uhr
Die Kosten für die Behindertenhilfe trägt in Sachsen-Anhalt das Land. Für die Verteilung der Gelder ist die Sozialagentur in Halle zuständig. Doch dort scheint es zu haken. Während den Trägern im Zuge von Inflation und Energiekrise das Geld ausgeht, hängen Hunderte offene Vergütungsvereinbarungen in Schiedsverfahren. Mehrere Fraktion im Landtag haben die Sozialministerin jetzt zum Handeln aufgefordert.
- Laut Linke und CDU bremst die Sozialagentur bewusst bei den Vergütungsvereinbarungen mit den Einrichtungen der Behindertenhilfe.
- Die Träger müssen teilweise bereits ihre Leistungen einschränken.
- Wissenschaftsminister Armin Willingmann verteidigte die Sozialagentur im Landtag stellvertretend für Sozialministerin Petra Grimm-Benne.
Menschen mit Behinderung erhalten in Sachsen-Anhalt aktuell vielfach nicht die Leistungen, die ihnen zustehen. Mehrere Abgeordnete im Landtag haben dafür am Donnerstag die Sozialagentur in Halle verantwortlich gemacht und scharfe Kritik an der Behörde geübt. Nicole Anger (Linke) sprach von Arbeitsverweigerung sowie einem fortgesetzten Systemversagen. Die Behörde untersteht dem Sozialministerium und ist dafür zuständig, die Einrichtungen der Behindertenhilfe wie zum Beispiel Behindertenwerkstätten auskömmlich mit Geld auszustatten.
Die Sozialagentur trete in den Vergütungsvereinbarungen stattdessen jedoch als Bremser auf, so Anger. Es würden etwa in unverhältnismäßiger Weise Dokumente nachgefordert. Zudem seien verschwundene Akten, unbeantwortete E-Mails und Nicht-Erreichbarkeiten an der Tagesordnung. Die Verfahren dauerten unverhältnismäßig lang. In Summe wüssten Einrichtungen und Betroffene nicht, welche finanziellen Mittel sie bekämen. "Deshalb sind die Träger gezwungen, die Verfahren bei der Schiedsstelle einzureichen. Aktuell gibt es 700 Verfahren", so die Linken-Abgeordnete.
Kritik auch aus den Reihen der Koalition
Die Einrichtungen stehen nach Recherchen von MDR Investigativ wegen der gestiegenen Preise für Energie, Lebensmittel und Rohstoffe gerade enorm unter Druck. Einzelne sind offenbar sogar von Schließung bedroht, viele müssen aktuell zumindest bestimmte Angebote streichen, vor allem Freizeitangebote betrifft das.
Rund 8,1 Prozent beträgt der finanzielle Mehrbedarf, den die Einrichtungen nach Angaben des Spitzenverbands "Der Paritätische" zu stemmen haben. Das Sozialministerium hat den Verbänden 3,9 Prozent mehr geboten. Sie lehnten ab. Übergangsweise werden nun nur 1,8 Prozent mehr gezahlt. Das führt zu Einsprüchen und Schiedsverfahren.
Kritik an der Sozialagentur und der Art, wie diese mit den Einrichtungen über Vergütungen verhandelt, kam nicht nur von der Opposition, sondern auch aus den Reihen der Regierungskoalition. Es mute doch seltsam an, dass ein Großteil der 1.100 Einrichtungen nicht in der Lage sein solle, die Anforderungen zu erfüllen, sagte Xenia Sabrina Schüßler (CDU). Die Schiedsstelle solle eigentlich nur in Einzelfällen tätig werden. "700 Einzelfälle zeugen da schon von einem Systemversagen bei der Sozialagentur."
Willingmann: "Sozialagentur leistet gut Arbeit"
Der Druck auf das Sozialministerium ist mit der Debatte gestiegen. Marco Tullner (CDU) forderte, die Ministerin Petra Grimm-Benne (SPD) müsse jetzt finanziell umschichten in ihrem Ressort, um die Probleme zu lösen. "Wir können nicht auf den nächsten Haushalt warten." Linke, Grüne, CDU und FDP drängen nun auf Gespräche mit dem Ministerium. Die AfD kündigte an, alle Initiativen zu unterstützen, die zu einer echten Problemlösung führen.
Grimm-Benne fehlte am Donnerstag während der Diskussion im Landtag. Sie wurde daher von ihrem SPD-Parteikollegen, Wissenschaftsminister Armin Willingmann vertreten. Er wies die Kritik zurück. Die Sozialagentur leiste gute Arbeit, erklärte er. Eine pauschale Erhöhung der Mittel für die sogenannte Eingliederungshilfe sei abgelehnt worden, da die Preise sprunghaft anstiegen. Was der Minister damit wohl ausdrücken wollte, ist, dass die Bedarfe nicht überall in gleicher Höhe ansteigen würden. Deshalb solle die Sozialagentur einzeln mit den Einrichtungen verhandeln, so Willingmann.
Der Minister unterbreitete dann aber noch einen Vorschlag: Er erachte einen Hilfsfonds als notwendig, um die Kostensteigerungen für die Einrichtungen auszugleichen. An einer schnellen Lösung durch das Sozialministerium und seine Agentur hängen 27.000 Anspruchsberechtigte in Sachsen-Anhalt ab.
MDR (Sabine Falk-Bartz, Engin Haupt, Daniel Salpius)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 23. März 2023 | 19:00 Uhr
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