Eine Frau kauft in der Markthalle bei einem Fleischer ein.
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Kaum Transparenz Woher kommt die Wurst? – Das Schweigen der Fleischer

22. März 2024, 09:25 Uhr

Fleischer in Sachsen-Anhalt lassen sich nicht gerne in die Karten schauen, obwohl sie oft mit Transparenz und Regionalität werben. Das hat eine Recherche von MDR SACHSEN-ANHALT ergeben. Dafür wurden insgesamt 36 Fleischereien aus dem Süden des Bundeslandes gefragt, woher die verarbeiteten Tiere stammen, wer sie schlachtet und welche Waren aus welchen Quellen zugekauft werden. Nur fünf antworteten. Kritik kommt von Verbraucherschutz und Fleischerverband.

Wurst und Fleisch zu essen, das gehört für 84 Prozent der Menschen in Sachsen-Anhalt laut einer repräsentativen YouGov-Umfrage zum Alltag. Supermärkte – aber auch vor allem kleine Fleischereien werben mit Regionalität. Doch wie steht es darum? Recherchen von MDR SACHSEN-ANHALT bringen Ernüchterung: 36 Fleischereien im Landessüden wurden Fragen zur Herkunft und Schlachtstätte verarbeiteter Tiere gestellt. Antworten gab es – trotz Zusicherung von Anonymität – nur von fünf Betrieben. Dabei waren die Anfragen bewusst knappgehalten.

Das MDR-Regionalstudio Halle wollte wissen, ob und in welchem Umfang selbst geschlachtet wird, ob Wurst und Fleisch, sortiert nach Schweinen, Rindern und Geflügel, zugekauft wird – und wenn ja von wo. Außerdem gab es die Frage, ob ein Geschäftsverhältnis zum Schlachtbranchenprimus Tönnies in Weißenfels bestehe. Einzig die Branchenriesen Globus und Kaufland antworteten, neben einer regionalen Kette aus dem Saalekreis, fristgerecht und erkennbar offen.

Versprechen nicht gehalten

Was auffällt: Nicht selten reagierten gerade die Fleischereien, die mit "Hausschlachtung", "Regionalität" oder "Transparenz" werben, besonders unkooperativ auf die MDR-Anfrage. Vom schlichten "Auflegen" zu genervten Reaktionen über unerfüllte Beantwortungsversprechen bis hin zu Beleidigungen – die Liste der Unfreundlichkeiten war lang.

Besonders im Ohr blieb die Reaktion eines Betriebes, der nach außen hin mit dem Begriff "Hausschlachterei" wirbt. "Belabere mich nicht", rief der Fleischer in den Hörer. "Ausgerechnet der MDR braucht mir nicht mit Transparenz zu kommen". Auffällig dabei: Dieser Betrieb schreibt auf seiner Facebook-Seite: "Die Fleischerei [...] steht für 'transparente' Produkte und Erzeugnisse. Wir geben Ihnen gerne Auskunft und sagen jederzeit, was in unserer Wurst drin ist".

Fleischerverband irritiert über eigene Leute

Andreas Heine ist der Geschäftsführer des über 100 Mitglieder zählenden Fleischerverbandes Sachsen-Anhalt mit Sitz in Wernigerode. Ein Mann, der mit seiner Eloquenz, Freundlichkeit und warmer Stimme den Fleischern im Land ein freundliches Gesicht gibt. Über die fehlenden Auskünfte der Fleischer des Verbandes zeigte er sich erstaunt. "Das soll so nicht sein", sagte er MDR SACHSEN-ANHALT.

"Der Wunsch nach Transparenz ist ganz im Sinne des Verbands. Allerdings sorgen Fachkräftemangel und die Erfüllung staatlicher Auflagen dafür, dass im Alltag nur wenig Zeit für andere Dinge bleibt, etwa Interviews. Außerdem reagieren manche Fleischer bei Medienanfragen zurückhaltend, denn die Berichterstattung war nicht immer gut und fair", gibt Heine zu bedenken, der das Amt des Geschäftsführers erst zum Jahreswechsel übernommen hatte. Bei vielen Fragen muss er selbst passen, Zahlen und Einblicke, so sagt er, fehlen ihm noch.

Jagdwurst (Symbolbild)
Was ist drin und wo kommt alles her? – Diese Fragen sind offenbar nicht leicht zu beantworten. Bildrechte: IMAGO

Hausbesuche bei Metzgereien werfen Fragen auf

Stichprobenartige Besuche in ausgewählten Fleischereien zeigen, dass es auch für Kunden vor Ort nicht einfach ist, an Auskünfte zu kommen. Die Verkäuferin einer Fleischerei, die besonders damit wirbt, dass Schweine in der Region auf Stroh gehalten werden, antwortet auf die Herkunft des verwendeten Fleisches dem Werbeslogan des Unternehmens folgend, schaut dann über die Lesebrille und ergänzt: "Zumindest sollen wir das den Kunden so sagen". Woher das ebenfalls verkaufte Rindfleisch stammt und wo die Tiere geschlachtet werden? "Keine Ahnung", sagt die Dame.

Denkwürdig verläuft auch das Kundengespräch bei einem Metzger, der sich selbst als "Hausschlachterei" bezeichnet. Gefragt nach den tatsächlich selbstgemachten Wurstspezialitäten deutet die Verkäuferin nur auf einen kleinen Teil ihrer Auswahl. Auffällig: Die besonders bei Kindern beliebte "Traktorwurst" gehört nicht dazu. Woher die Wurst und die darin verarbeiteten Tiere stammen, sind Fragen, die die Verkäuferin nicht beantworten kann.

Knackwurst (Symbolbild)
Tolle Wurst? – Zumindest ist die Sache nicht immer transparent. Bildrechte: Colourbox.de

Irreführende Eigenwerbung?

Beim Fleischerverband und bei der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt in Halle (Saale) stößt man sich indes auf Nachfrage am Begriff der 'Hausschlachterei'. "Da erwartet man schon, dass direkt vor Ort geschlachtet wird", sagt etwa Andreas Heine und verweist darauf, dass seiner Meinung nach der Begriff nicht geschützt sei. Die Praxis zeige, dass aus Gründen der Wirtschaftlichkeit allerdings kaum ein Fleischer noch selbst schlachte.

So sieht das auch Christa Bergmann, Referatsleiterin Lebensmittel bei der Verbraucherzentrale. "Verbraucher denken oft, dass in kleinen Betrieben vor Ort geschlachtet wird. Meist ist es aber so, dass Teilstücke von großen Schlachthöfen stammen. Da es keine Kennzeichnungspflicht für Fleisch gibt, das in Wurst landet, kommt hier oft alles rein", so Bergmann.

Dass jemand mit dem Begriff "Hausschlachterei" wirbt, erzeugt bei ihr Kopfschütteln. "Der Begriff meint die Gewinnung von Fleisch für den häuslichen Gebrauch, ohne dass es gewerblich in Umlauf gebracht werden darf". Bei solchen Dingen, so die Expertin, müssten Behörden eigentlich von Amtswegen handeln. Die Recherche von MDR SACHSEN-ANHALT zeigt: Mindestens zwei Betriebe, die mit Hausschlachtung werben, haben überhaupt keine Schlacht-Zulassung.

Zukauf in Fleischereien verbreitet

Dass in der Fleischindustrie, auch bei kleinen Betrieben, kräftig zugekauft wird, ist dabei kein Geheimnis. Andreas Heine vom Fleischerverband verweist dabei auf Stoßzeiten etwa in der Grillsaison oder zu Weihnachten. "Ohne Zukauf der bei den Kunden besonders beliebten Fleischstücke geht es überhaupt nicht." Aber, schränkt der Verbandsgeschäftsführer ein: "Das muss eben transparent gemacht werden."

Einer der wenigen Fleischer, die mit uns sprechen, macht eine andere Rechnung auf. Man solle sich klarmachen, dass die Zahl der Schweinebauern im Land sinke. Wenn jemand im Stile eines großen Filialgeschäftes Fleisch und Wurst produziere und dann behaupte, nur ein oder zwei Bauern zu haben, die ihm zulieferten, könne da was nicht stimmen.

Die Wurst knackt chinesisch

Regionalität innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette ist in der Fleisch- und Wurstindustrie eine Herausforderung. Andreas Heine verneint sie zunächst intuitiv, ruft später nochmal an und nennt dann doch wenige Beispiele, wo wenigstens die grobe Richtung stimmt.

Einer der Fleischer, die dem MDR Rede und Antwort standen, ist ein Biometzger. Auch bei ihm kommt das Geflügel nach eigenen Angaben aus Hessen und Brandenburg. Und spätestens bei der Pelle hat die Regionalität ein Ende. Schweinedärme kommen den Angaben nach häufig aus China, einem Land in dem es kein echtes Tierschutzgesetz gibt. Recherchen des Schweizer Rundfunks zeigten schon vor einigen Jahren: Manchmal werden Schlachtabfälle nach China verschifft, um daraus etwa Därme für den europäischen Markt zu gewinnen.

Interessant ist auch die Herkunft von Schafsdarm, dem so genannten Saitling, der gerne für die beliebten Wiener oder Bratwürste verwendet wird. Hier kommt das meiste Material – nach Angaben verschiedener Händler und auch regionaler Fleischer - aus Neuseeland und dem Orient. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Därme um regionale Wurst eine Weltreise hinter sich haben oder von geschächteten Tieren stammen, ist also groß.

MDR (Marc Weyrich, Attila Dabrowski, Marius Rudolph)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 22. März 2024 | 07:40 Uhr

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