Paläoanthropologie Homo erectus: Wie wichtig war Fleisch für unsere Evolution?
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20. März 2024, 11:39 Uhr
Wir Menschen sind die Spitze der Evolution und das liegt vor allem daran, dass wir irgendwann angefangen haben, Fleisch zu essen. Oder etwa doch nicht? Lange vermutete man, dass sich Gehirn und Körpergröße auf Grund der Ernährungsumstellung verändert hatten. Doch nun sagen Forschende aus den USA, dass das alles wahrscheinlich gar nicht stimmt und die vermeintliche Erkenntnis vielleicht nur das Ergebnis mangelnder Dokumentation ist.
Gemütliche Gartenpartys im Sommer – hach, wie sehnen wir uns danach. Kühle Getränke, der Duft von gegrilltem Essen und … die unumgängliche Diskussion über das Grillgut. Die einen glühende Verfechter*innen des vegetarischen Genusses. Die anderen vehemente Verteidiger*innen des Fleischkonsums. Letztere argumentieren hier gerne mit der Evolution, denn schließlich sei allseits bekannt, dass der Mensch nur zum echten Menschen geworden sei, weil er sich dazu entschied, mehr Fleisch zu essen. Ohne Fleisch, wären wir immer noch Affen – so die etwas verkürzt zusammengefasste Argumentation. Und tatsächlich ist die Wissenschaft sehr lange davon ausgegangen, dass Homo erectus sich von seinen Vorfahren unterschied, weil er mehr Fleisch gegessen hat und diese Ernährungsumstellung dazu führte, dass sich Gehirn- und Körpergröße veränderten.
Keine nachhaltigen Beweise
Das Auftreten von Homo erectus vor etwa zwei Millionen Jahren wurde bisher als Wendepunkt in der Ernährungsentwicklung des Menschen angesehen. Erstmals in Afrika vor 1,9 Millionen Jahren aufgetaucht, brachte er ein ganzes Paket von Anpassungen mit: größeres Gehirn, mehr Körpergröße, kleinerer Darm und moderne menschenähnliche Gliedmaßenproportionen. All das brachten frühere Forschende mit dem vermehrten Auftreten von Fleischkonsum zusammen. Ob das allerdings tatsächlich die Ursache für die Veränderungen der Frühmenschen war, ist fraglich, denn auch vor der Anpassung von Anatomie und Verhalten des Homo erectus konnte der Verzehr tierischer Gewebe nachgewiesen werden.
Gute Dokumentation, schlechte Dokumentation
Ein Zusammenschluss von Forschenden verschiedener Universitäten und Institute aus den USA und Südafrika hat deshalb noch einmal einen kritischen Blick auf die zooarchäologischen Aufzeichnungen der vergangenen Funde aus dem östlichen Afrika geworfen. In ihrer Studie, die in "Proceedings of the National Academy of Sciences" veröffentlicht wurde, stellen sie die bisherige Theorie in Frage. Zwar gibt es eine deutliche Zunahme archäologischer Beweise für den Fleischverzehr nach Auftreten von Homo erectus, doch die Forschenden erklären diese Zunahme durch die größere Aufmerksamkeit der Forschung für diesen Zeitraum. Vereinfacht gesagt: Wer an bestimmten Orten intensiv nach Beweisen für Fleischkonsum aus genau diesem Zeitraum sucht, wird sie auch finden.
Und so war es auch laut W. Andrew Barr, Assistenzprofessor für Anthropologie an der George Washington University und Hauptautor der Studie. Generationen von Paläoanthropologen haben an Orten wie der Olduvai-Schlucht nach Beweisen für den Verzehr von Fleisch durch den frühen Menschen gesucht. Sie haben sie gefunden und so die These gestützt, dass es vor rund zwei Millionen Jahren einen starken Anstieg des Fleischkonsums gab. Und das ist eben auch der Zeitraum in dem Homo erectus auftrat. Aber das ist für die Forschenden noch kein Beweis dafür, dass auch tatsächlich beides zusammenhängt.
Denn fasst man die Daten verschiedener Fundorte in ganz Ostafrika quantitativ zusammen, zeigt sich ein anderes Bild. Die Forschenden fanden heraus, dass es unter Berücksichtigung der Unterschiede im Probenahmeaufwand im Laufe der Zeit keine anhaltende Zunahme der relativen Menge an Beweisen für Fleischfresserei nach dem Auftreten von Homo erectus gibt. Zwar kann man feststellen, dass die Menge der Proben aus dieser Zeitspanne zunimmt, doch diese Zunahme geht auch mit einem entsprechenden Anstieg der Beprobungsintensität einher. Für die Forschenden bedeutet das, dass nicht eine Änderung im menschlichen Verhalten die Ursache für mehr Beweise für Fleischfresserei ist, sondern die intensive Beprobung selbst.
Andere Faktoren wahrscheinlich
Die Forschenden um W. Andrew Barr von der Georg Washington University glauben, dass es andere Faktoren neben dem Fleischkonsum geben muss. Dazu gibt es bereits verschiedene wissenschaftliche Theorien, die aber auch alle noch genauerer Prüfung bedürfen. Laufende paläoanthropologische Forschungen an kürzlich entdeckten Fundstellen aus dem Zeitraum von 2,6 bis 2,2 Millionen Jahren, werden vermutlich weiteren Aufschluss über das Vorkommen von Fleischfressern in diesem frühen Intervall geben.
W. Andrew Barr, Briana L. Pobiner, John Rowan, Andrew Du, and J. Tyler Faith.: "No sustained increase in zooarchaeological evidence for carnivory after the appearance of Homo erectus." Proceedings of the National Academy of Sciences.
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