Saalecker Werkstätten Naumburg: Design Akademie Saaleck kämpft gegen NS-Erbe
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10. Januar 2025, 03:00 Uhr
Unterhalb der Burg Saaleck bei Bad Kösen befinden sich die Gebäude der ehemaligen Saalecker Werkstätten. Hier gingen einst Nationalsozialisten ein und aus, auch Hitler war zu Gast. Eine Stiftung lässt das marode Gelände derzeit mithilfe von Bund und Land sanieren, um den Ort mit einer Design Akademie neu zu beleben. Damit soll das Denkmal auch vor der Vereinnahmung durch rechte Aktivisten geschützt werden.
- Eine Stiftung will die Saalecker Werkstätten, gegründet vom Nationalsozialisten Paul Schultze-Naumburg, neu beleben.
- Auf dem historischen Gelände soll mit der Design Akademie Saaleck ein Ort für kritische Auseinandersetzung geschaffen werden.
- An der Designschule sind junge Stipendiaten aus aller Welt eingeladen, in den Disziplinen Architektur und Gestaltung zu arbeiten.
Wer den Weg zur Burg Saaleck hinaufläuft, dem fällt das Torhaus mit dem Fachwerkgiebel kaum auf. Es sieht so aus, als würde es zum historischen Umfeld gehören. Allerdings wurden die Gebäude errichtet, als es in Deutschland schon den ADAC gab, also vor rund 120 Jahren. Genau gegen diese Moderne kämpfte der Architekt und Publizist Paul Schulze-Naumburg seinerzeit an.
Mit den Saalecker Werkstätten gründete er eine Möbelmanufaktur mit einem kunstgewerblichen Anspruch, die auf hochwertige Produkte setzte. Nach dem ersten Weltkrieg radikalisierte er sich und so wundert es nicht, dass Adolf Hitler, Joseph Goebbels und Heinrich Himmler mehrfach in Saaleck zu Besuch waren. Schultze-Naumburg trat 1930 in die NSDAP ein und wurde zum führenden Ideologen im Kampf gegen die sogenannte "entartete Kunst" sowie die Ideen des Bauhauses.
Neustart der Saalecker Werkstätten ohne Scheuklappen
Das Gebäudeensemble, in der DDR als Pflegeheim genutzt, steht nun unter Denkmalschutz. "Man kann ja nicht alles abreißen, sondern muss mit solchen schwierigen Objekten der Geschichte angemessen umgehen." Das sagt einer der neuen Hausherren, der Hallenser Rechtsanwalt und FDP-Politiker Andreas Silbersack.
Gemeinsam mit dem Denkmalschützer Arne Cornelius Wasmuth entwickelte er ein Konzept, mit dem sie schließlich den wichtigen Sammler und Mäzen Egidio Marzona überzeugen konnten. Der gab das Geld, um das weitläufige Anwesen zu erwerben und in eine Stiftung zu überführen. Der Stiftungstitel "dieDAS - Design Akademie Saaleck" zeigt, dass an dem Ort weiter über Architektur und Gestaltung nachgedacht werden soll, allerdings ohne ideologische Einschränkungen.
Politische Dimension von Design und Architektur
Ist das Flachdach undeutsch? Daran zweifelte Paul Schultze-Naumburg nicht und auch im Bauhaus sah er eine "Kathedrale des Kommunismus", die aus seiner Sicht nicht zufällig an eine Synagoge erinnere. Es ist eine tückische Form des Rassismus, weil er sich als Kulturkritik tarnt. Solche Flachdach-Debatten und die Suche nach "urdeutschen Formen" ist nun keinesfalls mehr das Thema der Neuen Design Akademie Saaleck.
Man kann ja nicht alles abreißen, sondern muss mit solchen schwierigen Objekten der Geschichte angemessen umgehen.
Aus Sicht von Andreas Silbersack geht es um grundlegende Überlegungen zur Zukunft von Architektur und Design: "Wie gehen wir mit Materialien um? Wie wird gebaut? Wie ist das Bauen von morgen? Welche Rolle spielt Beton und gibt es dazu Alternativen?" Es geht also um Fragen und nicht um vorgefasste Meinungen. Und das immer auch mit Blick auf praktische Umsetzungen, denn die Neuen Saalecker Werkstätten sollen eben auch vor Ort produzieren.
Marode Substanz der Saalecker Werkstätten
Auch wenn Paul Schultze-Naumburg der Idee einer dauerhaften Schönheit anhing, so sind die Gebäude der Werkstätten keinesfalls für eine längere Dauer gebaut, ganz im Gegensatz zu den Türmen der Burg Saaleck, die das Gelände überragen. Die Sanierung kostet rund 20 Millionen Euro, Geld das von der Landesregierung und dem Bund beigesteuert wird. Und die Zielstellung ist ambitioniert, denn bereits in zwei Jahren soll die Sanierung abgeschlossen sein.
Andreas Silbersack sieht in dem Engagement auch einen Beleg für die internationale Bedeutung des Projekts: "Wir sind sehr dankbar, dass sich der Bund sehr frühzeitig und sehr intensiv dafür stark gemacht hat. Und dass nun auch das Land so aktiv mitwirkt, zeigt eben auch, dass man sich dieser Bedeutung des Ortes und der Diskussion in dieser Zeit besonders bewusst ist." Als im Oktober vergangenen Jahres im Magdeburger Landtag über das Bauhausjubiläum debattiert wurde, zeigte sich die unverhoffte Aktualität des Themas.
Kulturkampf der AfD gegen Bauhaus in Saaleck spürbar
Unter dem Titel "Irrweg der Moderne" hatte der AfD-Kulturpolitiker Hans-Thomas Tillschneider das Bauhaus während einer Landtagsdebatte attackiert, auch mit Blick auf das 100. Bauhaus-Jubiläum in diesem Jahr. Andreas Silbersack hat als FDP-Fraktionschef den Auftritt Tillschneiders im Landtag verfolgt. In der anschließenden Debatte machte er deutlich, dass schon die Überschrift des AfD-Antrags als ein direktes Zitat auf Schultze-Naumburg Bezug nimmt. Auch die weiteren Ausführungen, so Silbersack, zeigten die geistige Nähe zur NS-Kulturpolitik.
Mit einigen Wochen Abstand zeigt sich Silbersack noch immer beunruhigt: "Da wird ohne jegliche Rücksichtnahme versucht, Grenzen zu überschreiten, mit einem Vokabular, das schon vor hundert Jahren existent war. Das ist aus meiner persönlichen Sicht haarsträubend." Man könne ja durchaus eine Geschmacksdiskussion führen, so Silbersack, aber die Frage ist, wo die Ausgrenzung beginne.
Design Akademie Saaleck setzt auf Internationalität
Nur dreißig Kilometer von Saaleck befindet sich der kleine Ort Schnellroda, in dem der rechte Vordenker Götz Kubitschek seit Jahren ein breites neurechtes Spektrum zu Veranstaltungen einlädt, darunter auch das Führungspersonal der AfD.
Die Neue Design Akademie Saaleck ist hingegen international aufgestellt. Die Stiftung hat keine Stipendiaten, sondern Follower, die bislang aus 20 Ländern kamen, um vor Ort zu arbeiten. Dabei geht es nicht um kurze, geförderte Aufenthalte von Nachwuchskunstschaffenden, sondern um eine dauerhafte Zusammenarbeit und Etablierung eines internationalen Netzwerks. Die künstlerische Leitung liegt derzeit bei der mexikanischen Architektin Rozana Montiel.
In Saaleck geht es also weniger darum, die Vergangenheit aufzuarbeiten, sondern vielmehr um den Blick auf die Zukunft. Andreas Silbersack fasst es so zusammen: "Die Menschen hier in der Region müssen mitgenommen werden. Es gibt hier historische Gründe für bestimmte Entwicklungen. Aber das sind eben auch die Gründe, eine andere Zukunft zu gestalten." Bei den Europawahlen wurde die AfD im Burgenlandkreis mit 36 Prozent stärkste Partei. Man ahnt, dass der Kulturkampf kein Freizeitvergnügen ist.
Redaktionelle Bearbeitung: vp
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 10. Januar 2025 | 08:10 Uhr