Repowering-Projekt Windpark Elster: Der lange Weg zu mehr grüner Energie

18. Mai 2023, 09:18 Uhr

In der Nähe von Elster im Landkreis Wittenberg werden in einem Windpark die alten Windräder durch moderne, deutlich größere und leistungsfähigere Anlagen ersetzt. Doch obwohl der Windkraftausbau in Sachsen-Anhalt beschleunigt werden soll, hat das Genehmigungsverfahren für den Windpark mehrere Jahre gedauert.

Lucas Riemer
Bildrechte: MDR/Tilo Weiskopf

Am Rande des Örtchens Listerfehrda führt eine schmaler Betonweg durch Felder, in denen sich hier und da kreisrunde Sandflächen abzeichnen. Die seltsamen Kornkreise und ein paar Baucontainer am Wegesrand sind die Vorboten dessen, was hier in den nächsten knapp anderthalb Jahren entstehen soll: Ein "repowerter" Windpark, sogar "eines der größten Repowering-Projekte in Europa", wie es das für den Umbau und Betrieb der Anlagen zuständige Unternehmen VSB aus Dresden vollmundig ankündigt.

Repowering, das bedeutet, alte Windräder durch moderne, deutlich leistungsstärkere und größere Anlagen zu ersetzen. Rund um Listerfehrda, das zur Stadt Zahna-Elster gehört, standen einst 57 Windräder. 50 davon sind inzwischen verschwunden, um Platz zu schaffen für mindestens 16 neue Windräder, jedes davon mit einer Gesamthöhe von 242 Metern und einer elfmal größeren Leistung als eine alte Anlage.

Bauvorbereitungen laufen

Erst vor ein paar Tagen kamen hier der Landrat des Kreises Wittenberg, Christian Tylsch (CDU), die Bürgermeister der angrenzenden Städte und Sachsen-Anhalts Energieminister Armin Willingmann (SPD) zusammen, um Spaten in die Erde zu rammen und den symbolischen Startschuss für das Projekt zu geben.

Inzwischen wuseln statt Anzugträgern wieder Menschen in Arbeitskleidung über das mehrere Hundert Hektar große Areal. Sie bauen Zufahrtswege, über die Lkw später die Teile für die neuen Windräder anliefern sollen. Sie verdichten mit schwerem Gerät den Boden an den Stellen, an denen die riesigen Anlagen errichtet werden sollen, und müssen dabei bisweilen aufpassen, nicht einen der kleinen Zäune zu überfahren, an denen Zauneidechsen gefangen werden, um sie später fernab der Baustellen wieder auszusetzen.

Von den alten Windrädern stehen nur noch vereinzelt die Fundamente, die meisten sind längst komplett abgebaut und auf dem Weg nach Australien, Litauen oder in die Republik Moldau, wo sie ein zweites Leben als Stromerzeuger bekommen. "Rund 20 Unternehmen sind hier aktuell mit Bau und Planung beschäftigt", sagt Bauleiter Max Krjukow, in dessen Containerbüro die Fäden für das Großprojekt zusammenlaufen. Riesige Papierpläne an der Wand und auf dem Tisch zeigen, wo welcher Weg gebaut, welche Leitung verlegt und welches Windrad errichtet werden soll.

Lange Vorlaufzeit

Bevor Krjukow vor Ort loslegen konnte, bedurfte es jahrelanger Vorbereitungen. "Etwa 2014 haben wir angefangen, zu überlegen, wie es mit dem Windpark in Elster weitergehen soll", sagt Thomas Winkler, der Geschäftsführer des Unternehmens VSB, das die Anlagen repowert und hinterher auch betreiben wird.

Die alten Windräder an dem Standort waren zwischen 2000 und 2003 errichtet worden, sie waren nicht mehr zeitgemäß und fielen nach 20 Jahren aus der EEG-Vergütung. Die Idee, sie durch neue, größere und leistungsstärkere Anlagen zu ersetzen, war schnell geboren. Doch dann begann ein jahrelanger Ritt durch Behörden und Bürokratie. "Wir reden hier über sieben, acht Jahre, die es in Summe am Ende gedauert hat", sagt Winkler.

Ein Kran an einem Windrad
50 der alten Windräder wurden bereits zurückgebaut. Bildrechte: VSB Group

Rücksicht auf Natur und Tiere

"Ein Knackpunkt in solch einem Genehmigungsverfahren ist das Artenschutzrecht", sagt Sabine Mücke, die als ökologische Baubegleiterin dafür zuständig ist, dass Natur und Tiere in Elster nicht unter dem Windpark leiden. "Wir haben hier Fledermäuse, Mäusebussarde, Rotmilane und Schwarzmilane, auf die wir Rücksicht nehmen müssen", sagt Mücke.

Zwei Jahre lang haben Biologen dazu vor Ort beobachtet, wann sich welche Vögel auf dem Areal des Windparks bewegen. Weil sich zeigte, dass die Greifvögel vor allem während der Ernte der umliegenden Felder kommen, werden die Windräder künftig während der Erntetage abgeschaltet.

Zauneidechsen werden von Hand gefangen

Um keine Fledermäuse zu gefährden, werden die Anlagen nachts bei bestimmten Wetterbedingungen, bei denen die Tiere umherfliegen, ebenfalls gestoppt. Und dann sind da ja noch die Zauneidechsen, "eine streng geschützte Art", wie Sabine Mücke sagt. Damit sie trotz des durch die Riesenwindräder verdichteten Bodens in Elster überleben, stehen überall auf dem Gelände verteilt kleine, mit niedrigen Zäunen abgegrenzte Flächen, auf denen die Reptilien von Hand eingesammelt und anschließend umgesiedelt werden.

"Wir haben so bislang mehr als 1.000 Tiere eingefangen", sagt Mücke. Jedes einzelne davon wird fotografiert und für die Behörden dokumentiert. Sich verändernde Richtlinien und lange Bearbeitungszeiten würden die artenschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren oft langwierig machen, sagt Mücke.

Ausbaufähige Digitalisierung

VSB-Geschäftsführer Thomas Winkler und sein Team reichten im Jahr 2019 sämtliche Anträge bei der Unteren Immissionsschutzbehörde des Landkreises Wittenberg ein, insgesamt 70 Aktenordner und 53 USB-Sticks. "Der deutsche Staat legt Wert auf Unterschriften, ich war allein anderthalb Tage mit Unterschreiben beschäftigt", erinnert sich Winkler. In der Zwischenzeit wurden Verträge mit mehr als Hundert Eigentümern geschlossen, auf deren Flächen sich der Windpark und die zugehörige Infrastruktur verteilt und die durch eine Pacht entschädigt werden.

"Wir würden solche Projekte gerne schneller umsetzen", sagt er, "ursprünglich wollten wir in Elster schon 2021 fertig sein." Doch wechselnde Sachbearbeiter und Personalmangel bei den Behörden hätten den Prozess zusätzlich verlangsamt. Ein Problem sei zudem die mangelnde Digitalisierung, alle Unterlagen müssten doppelt eingereicht werden, digital und auf Papier.

"Außergewöhnlich lange" Bearbeitungszeit

Erst Anfang 2023 flatterte die Genehmigung für das Repowering des Windparks herein, knapp vier Jahre nach der Antragstellung. "Das dauerte schon außergewöhnlich lange", sagt Winkler. Allerdings sei das Projekt auch besonders groß und komplex. Tatsächlich dauerten Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen nach Daten der Fachagentur Windenergie an Land in Sachsen-Anhalt zwischen 2018 und 2023 im Durchschnitt 24,5 Monate, etwas mehr als im Bundesdurchschnitt, wo es 24,3 Monate waren.

Sachsen-Anhalt habe durchaus auch Standortvorteile bei der Windenergie, sagt Thomas Winkler, der mit seinem Unternehmen bundesweit Windparks plant und betreibt. Neben viel Fläche und guten Windbedingungen seien vor allem die Regionalplanungsbehörden ein positiver Faktor. "Die sind in Sachsen-Anhalt sehr kompetent und machen einen guten Job bei der Flächenausweisung", sagt Winkler.

Mehr Flächen benötigt

Aktuell sind nach Angaben des Magdeburger Energieministeriums landesweit rund 1,1 Prozent der Flächen für die Windenergienutzung ausgewiesen. Das Anfang 2023 in Kraft getretene "Wind-an-Land-Gesetz" besagt allerdings, dass bis Ende 2032 zwei Prozent der Fläche Deutschlands für Windenergie ausgewiesen sein müssen, in Sachsen-Anhalt soll der Anteil bis 2034 sogar auf 2,4 Prozent der Fläche steigen.

Es bleibt also viel zu tun für Planungsbehörden. Und auch vor Bauleiter Max Krjukow in Elster liegen stressige Monate. Wenn alle Vorbereitungsarbeiten abgeschlossen sind, sollen im kommenden Jahr die 16 neuen Riesenwindräder angeliefert und aufgebaut werden, im dritten Quartal 2024 sollen sie erstmals Energie liefern, so der ehrgeizige Plan. Rund 150.000 Menschen können sie dann mit Strom versorgen. Zuvor muss auch ein neues Umspannwerk gebaut werden, um den Strom der Riesenräder ins Netz einzuspeisen.

Zwei weitere Windanlagen könnten zudem dazu kommen, wenn auch sie von den Behörden genehmigt werden. Die Anwohner der umliegenden Orte werden sich von den neuen Anlagen kaum gestört fühlen, verspricht die VSB. Dafür würden eine geringere Drehzahl, weniger Windräder im Vergleich zum alten Windpark und nur bei Bedarf eingeschaltete Beleuchtung in der Nacht sorgen. Bei der VSB hofft man derweil auf rund 25 Jahre Lebensdauer für die Riesenräder – und darauf, dass das Genehmigungsverfahren für das nächste Repowering bis dahin deutlich schneller geht.

MDR (Lucas Riemer)

Dieses Thema im Programm: MDR UM 11 | 04. Mai 2023 | 11:00 Uhr

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