Gespräch im Studio. 8 min
Die Corona-Selbsthilfegruppe in Wittenberg war eine der ersten in Sachsen-Anhalt. Mehr dazu im Video. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Erschöpft und belächelt "Wir reden nicht nur über Corona": Wie Long Covid-Erkrankte einander unterstützen

12. März 2025, 10:28 Uhr

Vor fünf Jahren begann mit der Coronapandemie die verheerendste Infektions-Welle des 21. Jahrhunderts. Menschen starben, das Gesundheitssystem kam ans Limit, die Wirtschaft wurde erschüttert. Für viele ist Corona inzwischen eine Erinnerung. Nicht so für Menschen, die nach einer Infektion an Long Covid leiden. In Sachsen-Anhalt finden sie sich in zahlreichen Selbsthilfegruppen zusammen. Die erste gründete sich in Lutherstadt Wittenberg – und hilft den erkrankten Menschen noch heute.

MDR-Reporter André Damm
Bildrechte: André Damm

Treffpunkt ist das Marta-Hotel. Von dort aus geht die kleine Truppe durch die Wittenberger Altstadt zum benachbarten Schwanenteich. Das Wasser glitzert, die Sonne wärmt. Die drei Frauen und der junge Mann wirken vergnügt. "Wir reden natürlich nicht immer nur über Corona, sondern machen auch privat etwas zusammen. Spaziergänge wie heute, aber auch mal Ausflüge, besuchen Konzerte, hören uns Vorträge an. Das ist eine richtig gute Gemeinschaft", erzählt Vroni Schwammberger aus dem Wittenberger Ortsteil Reinsdorf. Sie möchte die Corona-Selbsthilfegruppe nicht mehr missen. Denn diese gab ihr Kraft, nachdem es das Schicksal nicht gut mit ihr meinte.

Wir reden natürlich nicht immer nur über Corona, sondern machen auch privat etwas zusammen.

Vroni Schwammberger

Folgen der Coronainfektion: "Plötzlich ist der Akku leer"

Die Krankenschwester hatte sich 2021 bei ihrer Arbeit mit dem Coronavirus angesteckt. Zunächst verlief die Infektion harmlos. Die energische Frau hatte kaum Beschwerden. Doch drei Monate später bekam sie epileptische Anfälle. Und dann kam noch ein Hirninfarkt dazu. "Das ist als Folge der Coronainfektion bestätigt worden, wurde aber wirklich gut behandelt. Ich habe dann eine Reha bekommen. Was bei mir aber vorherrschend war: massivste Luftnot."

Die 64-jährige, die inzwischen EU-Rentnerin ist, hat heute noch Beschwerden. Vor allem, wenn sie sich mehr zu viel zumutet. "Plötzlich ist der Akku leer. Ich habe aber gelernt, damit klarzukommen."

Eine Gruppe aus drei Frauen und einem Mann vor einem Hoteleingang.
Austausch, Informationen, Mut machen, Ausflüge und Gemeinschaft: Bei der Corona-Selbsthilfegruppe in Wittenberg unterstützen sich Long-Covid-Betroffene gegenseitig. Bildrechte: MDR/André Damm

Austausch in der Selbsthilfegruppe macht Mut

Cordula Rauch aus Lutherstadt Wittenberg merkt die Belastung vor allem nach dem Reha-Sport. Die 55-jährige frühere Verkäuferin im Einzelhandel muss sich dann mehrmals am Tag hinlegen, doch einen festen Schlaf finde sie nicht. "Ich habe immer noch diese Schlafstörungen", erzählt sie mit leiser Stimme. Beim Aufstehen fühle sie sich nicht erholt. Auch das Atmen bereite weiterhin Probleme. "Bei einem schnellen Spaziergang bleibt mir die Luft weg. Das kann auch bei einer Unterhaltung passieren."

Bei einem schnellen Spaziergang bleibt mir die Luft weg. Das kann auch bei einer Unterhaltung passieren.

Cordula Rauch

Cordula Rausch ist oft erschöpft, fühlt sich noch nicht gesund und ärgert sich darüber, wenn Ärzte ihre Beschwerden nicht ernst nehmen. "Das ist zuletzt bei der Reha wieder passiert. Die Pfleger sind aufgeschlossener als die Ärzte." Und in solchen Situationen mache ihr die Wittenberger Selbsthilfegruppe Mut. "Wir tauschen uns aus und müssen uns nicht erklären. Denn die anderen wissen, wie es einem geht."

Eine Gruppe aus drei Frauen und einem Mann beim Spazieren von hinten. 2 min
Bildrechte: MDR/André Damm
2 min

In Wittenberg treffen sich Long Covid-Betroffene in einer Selbsthilfegruppe. Sie tauschen sich aus und geben sich Halt. André Damm hat sie getroffen.

MDR SACHSEN-ANHALT Mo 10.03.2025 16:40Uhr 02:08 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/dessau/wittenberg/audio-corona-selbsthilfegruppe-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Kreislaufprobleme, Kurzatmigkeit – und die Hoffnung auf Hilfe

Sieglinde Kalich aus Dietrichsdorf unweit von Zahna-Elster und war während der Coronapandemie bei einem Pflegedienst beschäftigt. Bei ihrer Arbeit muss sie sich offenbar auch infiziert haben. "Ich war seitdem nicht mehr arbeitsfähig. Ich hatte Kreislaufprobleme, Kurzatmigkeit, diesen Gehirn-Nebel. Die Ärzte haben versucht, mich zu behandeln, wussten aber auch nicht, was hilft. Ich habe Fernsehsendungen geschaut, Zeitungen gelesen, immer in der Hoffnung, Tipps zu finden, was helfen kann."

Die Ärzte haben versucht, mich zu behandeln, wussten aber auch nicht, was hilft.

Sieglinde Kalich

Mit der abwartenden Art ihrer Hausärztin sei sie auch nicht klargekommen. "Ich sollte immer nur Geduld haben. Doch ich wollte untersucht werden, vom Kardiologen, vom Neurologen, vom Lungenarzt". Deshalb sei sie überglücklich gewesen, die Selbsthilfegruppe in Lutherstadt Wittenberg gefunden zu haben. Dort sei ihr gesagt worden, was sie tun könne. Die gegenseitige Hilfe sei unendlich wertvoll, findet die 65-Jährige.

Von Ärzten nicht ernst genommen: "Wir fangen uns gegenseitig auf"

Christian Geers gehörte vor drei Jahren zu den Gründungsmitgliedern der Selbsthilfegruppe in Lutherstadt Wittenberg. Geers ist ein 38 Jahre alter, sportlicher Mann, der im Wittenberger Krankenhaus "Paul-Gerhardt-Stift" als Pflege-Bereichsleiter arbeitet. Insgesamt dreimal war er geimpft und dreimal hatte er sich mit dem Coronavirus infiziert. Sein Krankheitsbild ist – wie so häufig bei Long Covid – ziemlich diffus:  Konzentrations-Störungen, Sprachschwierigkeiten, pure Erschöpfung.

Auch Geers berichtet von Ärzten, die seine Symptome auf die leichte Schulter nahmen. "Dann musst du den Mut und die Kraft haben, den Arzt zu wechseln. Das ist sehr kompliziert, aber notwendig. Ich habe mir schon ein eigenes Ärzte-Netzwerk aufgebaut." In der Selbsthilfegruppe versorgen sich die Betroffenen gegenseitig mit wichtigen Informationen, tauschen sich über Therapie-Möglichkeiten aus, helfen sich bei der Ausfüllung von Anträgen oder versuchen Probleme mit der Berufsgenossenschaft zu lösen.

"Wir fangen uns gegenseitig auf", sagt Christian Geers. Ihm gehe es heute schon viel besser, überwunden habe er Long Covid aber noch nicht. Er zeigt auf das Asthmaspray in seinem Rucksack, das er auch bei diesem Spaziergang am Wittenberger Schwanenteich bei sich hat.

Anmerkung der Redaktion: Das Kommentar-Aufkommen zu Corona-Themen ist hoch. Um eine geordnete und übersichtliche Debatte zu ermöglichen, haben wir die Kommentarfunktion für diesen Text deaktiviert. Wir möchten Sie bitten, unter diesem Text zu kommentieren "Impfschäden in Sachsen-Anhalt: Zahlen, Hintergründe, Entschädigungen".

Mehr zum Thema Corona und Long Covid

MDR (André Damm, Maren Wilczek) | Erstmals veröffentlicht am 11.03.2025

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 11. März 2025 | 19:00 Uhr

Mehr aus Landkreis Wittenberg, Dessau-Roßlau und Anhalt-Bitterfeld

Menschen auf Heidemesse 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Mehr aus Sachsen-Anhalt

Sanierung Kirchturm Predel 4 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
Uferwand an der Holtemme 1 min
Bildrechte: MDR
1 min 12.03.2025 | 14:00 Uhr

An der Holtemme im Wernigeröder Ortsteil Hasserode sind eine sanierte Uferstützmauer und ein neues Wehr samt Fischtreppe eingeweiht worden. 2,2 Millionen Euro wurden investiert.

MDR FERNSEHEN Mi 12.03.2025 14:00Uhr 00:25 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/harz/video-hasserode-hochwasser-schutz-holtemme-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video