Eine Frau reibt mit der Hand an ihrem schmerzenden Kopf 3 min
Bildrechte: IMAGO / photothek
3 min

MDR AKTUELL Di 04.02.2025 12:44Uhr 03:00 min

https://www.mdr.de/wissen/audios/long-covid-menschen-heute-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Corona-Folgen Risiko für Long Covid hat sich deutlich verringert, Ursachenforschung läuft weiter

21. Februar 2025, 08:54 Uhr

Wie andere Erreger auch kann das Coronavirus Sars-CoV-2 Langzeitfolgen verursachen. Gerade zu Beginn der Pandemie gab es viele Betroffene. Wie sieht es aktuell aus – und gibt es ein Heilmittel?

Groß war das Entsetzen, als vor etwa vier Jahren immer deutlicher wurde, dass Sars-CoV-2 die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit weit über die akute Infektion hinaus einschränken kann. Längst hat das Phänomen von Symptomen, die länger als vier Wochen andauern, mit Long Covid einen Namen bekommen. Von ursächlicher Heilung solcher Langzeitfolgen ist die Medizin aber weit entfernt.

Das Risiko ist deutlich gesunken

Eine gute Nachricht ist: Im Zuge von mehr Immunschutz durch Impfungen und durchgemachte Infektionen sowie weniger aggressiver Virusvarianten hat sich das Risiko, nach einer Erkrankung Long Covid zu entwickeln, deutlich vermindert. Ergebnissen der "Virus Watch"-Studie des University College London zufolge weisen die jüngeren Omikron-Untervarianten ähnliche Wahrscheinlichkeiten für Langzeitsymptome auf wie andere akute Atemwegserkrankungen. Omikron ist die seit Anfang 2022 weltweit dominierende Corona-Variante.

In der ersten Infektionswelle der Pandemie habe das Risiko für mehr als zwölf Wochen andauernde Beschwerden – Post Covid genannt – bei etwa sechs bis acht Prozent gelegen, sagt Andreas Stallmach vom Universitätsklinikum Jena (UKJ). Inzwischen liege es wahrscheinlich bei ein bis zwei Prozent der Covid-Erkrankten.

Andreas Stallmach, Leiter des Post-COVID Zentrums der Universitätsklinik Jena, spricht bei einer Pressekonferenz zum Start der fahrenden Long Covid-Ambulanz "Watch" des Universitätsklinik Jena.
Andreas Stallmach (Archivbild) leitet das Post-Covid-Zentrum der UKJ und forscht zu den Ursachen des Syndroms. Bildrechte: picture alliance/dpa | Bodo Schackow

Je länger die Symptome, desto schlechter die Prognose

"Der Anteil derer, bei denen sie innerhalb eines halben Jahres wieder verschwinden, ist recht hoch", sagt Carmen Scheibenbogen von der Charité Berlin. Kritisch wird es danach: "Wer nach einem halben Jahr noch Symptome hat, hat sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach ein oder zwei Jahren noch." Frauen sind häufiger betroffen, ebenso sind die Patienten vergleichsweise jung. Bei beiden Faktoren spielt das aktivere Immunsystem eine Rolle, wie Scheibenbogen erklärt. Menschen mit Übergewicht und Erkrankungen des Immunsystems haben ebenfalls ein höheres Risiko. "Einzelne Patienten stellen sich nach kürzlich durchgemachter zweiter oder dritter Infektion vor", erlebt Stallmach in Jena. Richtigerweise müsste man auch dort von Patientinnen sprechen, so der Leiter des Post-Covid-Zentrums am UKJ, denn zwei Drittel der behandelten Menschen in Jena sind Frauen.

Long oder Post Covid – was ist der Unterschied?

Die Begriffe Long oder Post Covid werden oft synonym verwendet. Beide bezeichnen gesundheitliche Beeinträchtigungen nach einer Sars-CoV-2-Infektion, die über die akute Krankheitsphase von vier Wochen hinaus bestehen. Entsprechend den derzeit gültigen Leitlinien wird eine anhaltende Symptomatik zwischen vier und zwölf Wochen als Long Covid und eine von mehr als zwölf Wochen Dauer als Post Covid-Syndrom bezeichnet.
Quelle: BMG-Longcovid

Eine standardisierte, ursächlich helfende Therapie gibt es bisher nicht. Je nach Symptomen empfehlen Mediziner etwa Bewegungstherapie, Schmerz- und Kreislaufbehandlung, Atemtherapie, Entspannungsverfahren oder Hirnleistungstraining. Insbesondere bei schweren Fällen soll streng darauf geachtet werden, Patienten nicht zu überlasten.

Diagnose weiterhin schwierig

Ein Grundübel bei der Diagnose besteht nach wie vor: Es gibt keinen leicht zu bestimmenden Wert, an dem sich Long Covid festmachen ließe. "Viele Symptome lassen sich unterschiedlich bewerten – zudem kann aus dem Verdacht auf Long Covid eine ganz andere Diagnose werden", sagt Stallmach. 

Junge Frau im Bett sitzend 10 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Das Erste Di 14.01.2025 21:45Uhr 09:41 min

https://www.mdr.de/investigativ/video-895616.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Junge Frau im Bett sitzend 10 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
10 min

Das Erste Di 14.01.2025 21:45Uhr 09:41 min

https://www.mdr.de/investigativ/video-895616.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

An den häufigsten Symptomen von Long Covid hat sich seit Beginn der Pandemie wenig verändert. Bei einer Studie unter Leitung von Winfried Kern von der Universität Freiburg mit Menschen, die sich in der ersten Corona-Welle infiziert hatten, zählten zu den vorherrschend angegebenen Beschwerden Müdigkeit und Erschöpfung, kognitive Störungen wie Konzentrations- oder Gedächtnisschwäche, Schmerzen im Brustkorb, Atemnot sowie Angst, Depressionen und Schlafprobleme. Bei Menschen mit länger anhaltendem Post-Covid-Syndrom berichtete mehr als ein Drittel, weniger belastbar bei Anstrengungen zu sein. 

Einige sind eingeschränkt bis zur Pflegebedürftigkeit

Die wohl gefürchtetste Ausprägung bei Post Covid ist ME/CFS – Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom. Ein Fünftel der Langzeit-Post-Covid-Fälle gehe darauf zurück, bundesweit seien aktuell geschätzt etwa 150.000 bis 200.000 Menschen betroffen, erklärt Stallmach. ME/CFS ist eine komplexe Erkrankung, die unter anderem von bleierner körperlicher Schwäche und äußerst geringer Belastbarkeit geprägt ist. Typisch ist eine deutliche Verstärkung der Beschwerden schon nach geringer körperlicher oder geistiger Belastung. Viele Betroffene können sich kaum selbst versorgen. "Manche sind so schwer krank, dass sie ihr vorheriges Leben komplett verloren haben", sagt Stallmach. Auch in diesem Bereich sei bisher keine überzeugende Therapie gefunden. "Ich bin aber optimistisch, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird."

Eine Frau reibt mit der Hand an ihrem schmerzenden Kopf 3 min
Bildrechte: IMAGO / photothek
3 min

MDR AKTUELL Di 04.02.2025 12:44Uhr 03:00 min

https://www.mdr.de/wissen/audios/long-covid-menschen-heute-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Das UKJ hat einen Verbund mit Wissenschaftlern aus Kiel, Berlin und München mit dem Namen BioSig-PEM gegründet, der sich mit der Post-Exertional-Malaise (PEM) befasst – ein Symptom von ME/CFS, das nach einer Infektion auftritt und zu Einschränkungen und Beschwerden nach einer Belastung führt. Es stellt ein großes Hindernis für die Betreuung bei ME/CFS dar, weil Untersuchungen oder schon der Weg in die Praxis die Betroffenen zurückwerfen können. "Wir wollen die Krankheitsmechanismen besser verstehen und individuelle Ausprägungen von PEM unterscheiden lernen", sagt der Koordinator des Verbundes, Christian Puta vom Universitätsklinikum Jena.

Prävention ist ein zentraler Ansatzpunkt

Wichtig sei, nicht nur Therapien gegen Langzeit-Post-Covid zu entwickeln, sondern sich auch mit Prävention zu beschäftigen, betont Scheibenbogen, die das Charité Fatigue Centrum leitet. "Wie lässt sich gezielt verhindern, dass sich nach einer Infektion Long Covid entwickelt?" Das Anti-Diabetes-Mittel Metformin sei ein aussichtsreicher Kandidat dafür, aber auch histaminhaltige Nasensprays. Nützen könnte das vielleicht einmal Risikopatienten nicht nur bei Corona, sondern auch bei anderen Infektionen.

Denn das Phänomen andauernder Nachwirkungen nach Infektionen kennen Ärzte seit mehr als einem Jahrhundert – durch die immens hohen Fallzahlen während der Pandemie wurde nur plötzlich ein Schlaglicht darauf geworfen. 

Wie viele Menschen in Deutschland aktuell von Long oder Post Covid betroffen sind, lässt sich nur grob schätzen. Experten gehen von einer sechsstelligen Zahl an Post-Covid-Erkrankten aus. Derzeit fielen Patienten oft irgendwann aus dem Raster, sagt UKJ-Forscher Stallmach. Nach etwa zwei Jahren gehe es in Richtung Frühverrentung, danach verlören viele Betroffene auch selbst die Hoffnung auf Genesung. "Das kann nicht sein, zu sagen: Dann ist es eben so. Wir dürfen das nicht akzeptieren, wir dürfen diese Patienten nicht vergessen." Neben Jena wird in Mitteldeutschland dazu auch in Dresden geforscht. Die TU hat erst jüngst eine Förderung über 2,3 Millionen Euro für die Untersuchung der Langzeitfolgen erhalten.

Links/Studien

Die Studie aus Freiburg von Kern et al. ist im Januar in der Zeitschrift "PLOS Medicine" erschienen. Die Langzeituntersuchung aus London wurde in der "Cambridge University Press" veröffentlicht. Informationen über den BioSig-PEM-Verbund gibt es beim UKJ.

dpa/Annett Stein/jar

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Mittagsmagazin | 20. Februar 2025 | 12:10 Uhr

404 Not Found

Not Found

The requested URL /api/v1/talk/includes/html/3179ea6f-db6a-4b42-b0cb-bbf49980fa90 was not found on this server.

Mehr zum Thema