Erschöpft und belächelt "Wir reden nicht nur über Corona": Wie Long Covid-erkrankte einander unterstützen
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11. März 2025, 22:41 Uhr
Vor fünf Jahren begann mit der Coronapandemie die verheerendste Infektions-Welle des 21. Jahrhunderts. Menschen starben, das Gesundheitssystem kam ans Limit, die Wirtschaft wurde erschüttert. Für viele ist Corona inzwischen eine Erinnerung. Nicht so für Menschen, die nach einer Infektion an Long Covid leiden. In Sachsen-Anhalt finden sie sich in zahlreichen Selbsthilfegruppen zusammen. Die erste gründete sich in Lutherstadt Wittenberg – und hilft den erkrankten Menschen noch heute.
- In Luherstadt Wittenberg trifft sich eine Corona-Selbsthilfegruppe.
- Long Covid-erkrankte nehmen daran teil, die mit Beschwerden wie Erschöpfung kämpfen – und denen der Austausch Mut macht.
- Viele von ihnen fühlen sich von Ärzten im Stich gelassen. In der Gruppe bekommen sie Informationen und Unterstützung.
Treffpunkt ist das Marta-Hotel. Von dort aus geht die kleine Truppe durch die Wittenberger Altstadt zum benachbarten Schwanenteich. Das Wasser glitzert, die Sonne wärmt. Die drei Frauen und der junge Mann wirken vergnügt. "Wir reden natürlich nicht immer nur über Corona, sondern machen auch privat etwas zusammen. Spaziergänge wie heute, aber auch mal Ausflüge, besuchen Konzerte, hören uns Vorträge an. Das ist eine richtig gute Gemeinschaft", erzählt Vroni Schwammberger aus dem Wittenberger Ortsteil Reinsdorf. Sie möchte die Corona-Selbsthilfegruppe nicht mehr missen. Denn diese gab ihr Kraft, nachdem es das Schicksal nicht gut mit ihr meinte.
Wir reden natürlich nicht immer nur über Corona, sondern machen auch privat etwas zusammen.
Folgen der Coronainfektion: "Plötzlich ist der Akku leer"
Die Krankenschwester hatte sich 2021 bei ihrer Arbeit mit dem Coronavirus angesteckt. Zunächst verlief die Infektion harmlos. Die energische Frau hatte kaum Beschwerden. Doch drei Monate später bekam sie epileptische Anfälle. Und dann kam noch ein Hirninfarkt dazu. "Das ist als Folge der Coronainfektion bestätigt worden, wurde aber wirklich gut behandelt. Ich habe dann eine Reha bekommen. Was bei mir aber vorherrschend war: massivste Luftnot."
Die 64-jährige, die inzwischen EU-Rentnerin ist, hat heute noch Beschwerden. Vor allem, wenn sie sich mehr zu viel zumutet. "Plötzlich ist der Akku leer. Ich habe aber gelernt, damit klarzukommen."
Austausch in der Selbsthilfegruppe macht Mut
Cordula Rauch aus Lutherstadt Wittenberg merkt die Belastung vor allem nach dem Reha-Sport. Die 55-jährige frühere Verkäuferin im Einzelhandel muss sich dann mehrmals am Tag hinlegen, doch einen festen Schlaf finde sie nicht. "Ich habe immer noch diese Schlafstörungen", erzählt sie mit leiser Stimme. Beim Aufstehen fühle sie sich nicht erholt. Auch das Atmen bereite weiterhin Probleme. "Bei einem schnellen Spaziergang bleibt mir die Luft weg. Das kann auch bei einer Unterhaltung passieren."
Bei einem schnellen Spaziergang bleibt mir die Luft weg. Das kann auch bei einer Unterhaltung passieren.
Cordula Rausch ist oft erschöpft, fühlt sich noch nicht gesund und ärgert sich darüber, wenn Ärzte ihre Beschwerden nicht ernst nehmen. "Das ist zuletzt bei der Reha wieder passiert. Die Pfleger sind aufgeschlossener als die Ärzte." Und in solchen Situationen mache ihr die Wittenberger Selbsthilfegruppe Mut. "Wir tauschen uns aus und müssen uns nicht erklären. Denn die anderen wissen, wie es einem geht."
Kreislaufprobleme, Kurzatmigkeit – und die Hoffnung auf Hilfe
Sieglinde Kalich aus Dietrichsdorf unweit von Zahna-Elster und war während der Coronapandemie bei einem Pflegedienst beschäftigt. Bei ihrer Arbeit muss sie sich offenbar auch infiziert haben. "Ich war seitdem nicht mehr arbeitsfähig. Ich hatte Kreislaufprobleme, Kurzatmigkeit, diesen Gehirn-Nebel. Die Ärzte haben versucht, mich zu behandeln, wussten aber auch nicht, was hilft. Ich habe Fernsehsendungen geschaut, Zeitungen gelesen, immer in der Hoffnung, Tipps zu finden, was helfen kann."
Die Ärzte haben versucht, mich zu behandeln, wussten aber auch nicht, was hilft.
Mit der abwartenden Art ihrer Hausärztin sei sie auch nicht klargekommen. "Ich sollte immer nur Geduld haben. Doch ich wollte untersucht werden, vom Kardiologen, vom Neurologen, vom Lungenarzt". Deshalb sei sie überglücklich gewesen, die Selbsthilfegruppe in Lutherstadt Wittenberg gefunden zu haben. Dort sei ihr gesagt worden, was sie tun könne. Die gegenseitige Hilfe sei unendlich wertvoll, findet die 65-Jährige.
Von Ärzten nicht ernst genommen: "Wir fangen uns gegenseitig auf"
Christian Geers gehörte vor drei Jahren zu den Gründungsmitgliedern der Selbsthilfegruppe in Lutherstadt Wittenberg. Geers ist ein 38 Jahre alter, sportlicher Mann, der im Wittenberger Krankenhaus "Paul-Gerhardt-Stift" als Pflege-Bereichsleiter arbeitet. Insgesamt dreimal war er geimpft und dreimal hatte er sich mit dem Coronavirus infiziert. Sein Krankheitsbild ist – wie so häufig bei Long Covid – ziemlich diffus: Konzentrations-Störungen, Sprachschwierigkeiten, pure Erschöpfung.
Auch Geers berichtet von Ärzten, die seine Symptome auf die leichte Schulter nahmen. "Dann musst du den Mut und die Kraft haben, den Arzt zu wechseln. Das ist sehr kompliziert, aber notwendig. Ich habe mir schon ein eigenes Ärzte-Netzwerk aufgebaut." In der Selbsthilfegruppe versorgen sich die Betroffenen gegenseitig mit wichtigen Informationen, tauschen sich über Therapie-Möglichkeiten aus, helfen sich bei der Ausfüllung von Anträgen oder versuchen Probleme mit der Berufsgenossenschaft zu lösen.
"Wir fangen uns gegenseitig auf", sagt Christian Geers. Ihm gehe es heute schon viel besser, überwunden habe er Long Covid aber noch nicht. Er zeigt auf das Asthmaspray in seinem Rucksack, das er auch bei diesem Spaziergang am Wittenberger Schwanenteich bei sich hat.
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MDR (André Damm, Maren Wilczek)
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 10. März 2025 | 16:40 Uhr