Zerbster Land Warum Ehrenamtliche mit Smartphone und Lautsprecher Rebhühner aufspüren

08. März 2025, 07:31 Uhr

Rebhühner stehen auf der Roten Liste der bedrohten Arten – in Deutschland leben sie nur noch in wenigen Gebieten. Eines davon ist das Zerbster Land. Dort wird seit vier Jahren versucht, die Überlebenschancen der Bodenbrüter zu verbessern. Ehrenamtliche sind dabei mit Smartphone und Lautsprecher im Einsatz.

MDR San Mitarbeiterin Annette Schneider-Solis
Bildrechte: MDR/punctum.Fotografie/Alexander Schmidt

Orangerot verabschiedet sich die Sonne am westlichen Horizont überm Zerbster Land, das Himmelsblau verwandelt sich langsam in tiefes Blau und dann in Schwarz. Nadine Schubert, Sandra Köhler und ihre Tochter Luisa stehen auf einem Feldweg und warten. Ausgerüstet mit Smartphone und Lautsprecher, werfen sie immer wieder einen Blick auf die Uhr. Um 17:56 Uhr ist die Sonne untergegangen, Punkt 18:26 Uhr wollen sie mit der Zählung beginnen.

Parallele Zählung sichert Vergleichbarkeit

"Es ist wichtig, dass wir alle gleichzeitig beginnen", begründet Sandra Köhler das Warten. "Auf diese Weise sind die Zählungen vergleichbar." Seit Ende Februar sind die ehrenamtlichen Zähler an mehreren Stellen des Zerbster Landes für das jährliche Monitoring unterwegs.

Ein Rebhuhn (Perdix perdix) auf einer Wiese
Ein Rebhuhn auf einer Wiese. Bildrechte: blickwinkel

Jetzt beginnt die Paarungszeit der Hühnervögel, jetzt kann man die Hähne auf der Suche nach einer Henne noch hören. Die Apothekerin beteiligt sich seit vier Jahren am Monitoring, seit dem Start des Vor-Projekts im Zerbster Land.

Bestände dramatisch gesunken

Einst bevölkerte der Steppenvogel weite Teile Europas und Asiens. Doch Rebhühner sind selten geworden in Deutschland, kommen in vielen Gegenden gar nicht mehr vor. Einer der Gründe ist die intensive Landwirtschaft mit großflächigen Feldern, dem Einsatz von Pestiziden und der frühen Mahd.

Rebhühner brüten in Kuhlen am Boden, brauchen die Deckung. Der Rückgang von Lebensräumen, Nahrungsmangel und Fressfeinde wie Fuchs und Waschbär haben die Zahl der Rebhühner stark dezimiert. Auch die Jagd auf die fasanenartigen Vögel trug zu ihrem Rückgang bei.

Lebensraum für das Rebhuhn: Blühstreifen und hohes Gras
Lebensraum für das Rebhuhn: Blühstreifen und hohes Gras Bildrechte: MDR/Annette Schneider-Solís

Seit den 1970er Jahren ist der Bestand an Rebhühnern in Europa so stark zurückgegangen, wie bei kaum einer anderen Vogelart. Er sank zwischen 1980 und 2016 um über 90 Prozent. Lebten bis in die 1970er Jahre noch Millionen Rebhühner in Deutschland, so wurde ihre Zahl vom Bundesamt für Naturschutz 2019 auf noch 21.0000 bis 37.000 geschätzt. Vielerorts sind die Tiere bereits ausgestorben, nur noch ein Viertel aller Jagdreviere melden überhaupt noch welche.

Hilfe fürs Rebhuhn und anderes Niederwild

Der Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA), der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL), die Abteilung Naturschutzbiologe der Georg-August-Universität Göttingen und zwölf weitere Projektpartner haben deshalb ein auf sechs Jahre angelegtes Projekt namens "Rebhuhn retten – Vielfalt fördern" ins Leben gerufen.

Zu den rebhuhnfreundlichen Lebensräumen gehören Blühstreifen, Brachen und eine späte Mahd, möglichst erst Mitte August.

Nadine Schubert Verein Großtrappenschutz

In zehn Regionen Deutschlands werden Maßnahmen durchgeführt, um rebhuhnfreundliche Lebensbedingungen zu schaffen. Und damit auch anderen Tieren wie etwa Hasen, Feldhamstern, Goldammern, Feldlerchen oder Hänflingen zu helfen. "Zu den rebhuhnfreundlichen Lebensräumen gehören Blühstreifen, Brachen und eine späte Mahd, möglichst erst Mitte August", zählt Nadine Schubert vom Verein Großtrappenschutz auf, der das Projekt im Zerbster Land managt.

Nadine Schubert, Sandra Köhler und ihre Tochter Luisa
Nadine Schubert, Sandra Köhler und Luisa sind ehrenamtlich im Einsatz. Bildrechte: MDR/Annette Schneider-Solís

"Von Seiten der Landwirte gibt es eine große Bereitschaft, sich einzubringen", weiß Nadine Schubert. Die sei so groß, dass gar nicht alle Bauern mit ins Boot geholt werden können. Denn für den zusätzlichen Aufwand und den Verlust durch die späte Mahd wird eine Prämie gezahlt, und die zur Verfügung stehenden Mittel sind begrenzt.

Das Rufen der Hähne

Sandra Köhler wirft einen Blick auf die Uhr ihres Smartphones. "Noch drei Minuten", sagt sie leise. Die Sonne verabschiedet sich mit einem orangfarbenen Streifen am Horizont, die Kälte des ausklingenden Winters kriecht von unten hoch. Dann gibt Sandra Köhler ihrer Tochter ein Zeichen.

Luisa hebt den Lautsprecher in die Höhe, aus dem ein heiseres, langgezogenes "kirrikk" tönt. Nachdem der Ruf verstummt ist, lauschen die drei Frauen, warten auf eine Antwort. Die dann auch prompt aus der Ferne ertönt. "Dort", zeigt Sandra Köhler, ein breites Lächeln huscht über ihr Gesicht, und der Hahn wird über eine App eingetragen. Alle 150 bis 200 Meter spielt Luisa den Ruf erneut ab. Wieder warten die drei. Nicht immer kommt eine Antwort, aber einmal sind es sogar zwei Hähne, deren Rufe ineinander übergehen.

Monitoring noch bis Ende März

Noch bis Ende März werden so bei dem Monitoring an verschiedenen Stellen die Hähne gezählt. Je weiter das Frühjahr voranschreitet, desto weniger wahrscheinlich ist es, dass sie antworten. Wenn sie erst eine Henne erobert haben, bleiben ihre Rufe aus.

Schwankungen sind normal. Die Tiere wandern ab oder haben vielleicht schon eine Henne gefunden.

Nadine Schubert Verein Großtrappenschutz

An diesem Abend zählen die drei Frauen vier Hähne, einen weniger als im vorigen Jahr. "Solche Schwankungen sind normal", weiß Nadine Schubert. "Die Tiere wandern ab oder haben vielleicht schon eine Henne gefunden." Ende des Monats wird man sehen, ob die Zahl gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist. Ein Vergleich zu den ersten Projektjahren ist schwierig, weil damals noch in weniger Gebieten gezählt wurde.

Rebhuhn-Monitoring im Zerbster Land: Nadine Schubert, Sandra Köhler und Luisa 2 min
Bildrechte: MDR/Annette Schneider-Solís
2 min

Daran arbeitet ein Projekt in Zerbst

MDR AKTUELL Do 06.03.2025 19:27Uhr 01:58 min

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Naturschutzverbände freuen sich über Sichtungen und Mitstreiter

Auch Zählungen und Sichtungen außerhalb der zehn Projektgebiete sind wertvoll. Der DDA sucht mit einer Mitmachbörse auf seiner Internetseite nach ehrenamtlichen Helfern. Dort kann man sich Routen anzeigen lassen, für die noch Zähler gesucht werden. "Aber auch jede andere Sichtung ist wertvoll", verrät Nadine Schubert.

"Gerade im Spätsommer und Herbst, wenn die Küken flügge werden, freuen wir uns über Meldungen, die auf ornitho.de eingetragen werden können." Wer damit nicht vertraut ist, könne die Sichtungen auch melden. "Wir tragen sie dann ein. Auch viele unserer Zähler sind noch mit Papier und Bleistift unterwegs."

MDR (Annette Schneider-Solís, Felix Fahnert)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 06. März 2025 | 19:00 Uhr

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