Eine Mitarbeiterin des Diakonischen Werks Hamburg führt ein Telefonseelsorge-Gespräch. 2 min
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MDR SACHSEN-ANHALT Mi 05.02.2025 17:02Uhr 02:00 min

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Ehrenamtliche Hilfe Hohe Nachfrage bei Seelsorgern: "Es wird auch geweint am Telefon"

06. Februar 2025, 19:00 Uhr

Inflation, Ukraine-Krieg, Klimakrise: Bei vielen Menschen in Sachsen-Anhalt ist die Verunsicherung groß. Das bekommen auch die Mitarbeiter in der Telefonseelsorge in Dessau zu spüren. Das Anrufaufkommen ist so groß wie nie.

Dienstbeginn in der Zentrale der Telefonseelsorge: Ein kleiner Raum in einem Dachgeschoss in der Dessauer Innenstadt. Die Einrichtung ist spartanisch. Eine Couch, ein Bücher-Regal, ein Schreibtisch mit einem Computer, drei Telefonen und Wasserflasche, davor ein Stuhl. Diesen Platz wird Jutta in den kommenden vier Stunden kaum verlassen können. "Das Telefon klingelt in der Schicht eigentlich unterbrochen", erzählt die 70-Jährige. Seit zehn Jahren ist sie Telefonseelsorgerin.

Wir sind keine Therapeuten und keine Ärzte, aber wir können den Leuten zuhören.

Jutta, Telefon-Seelsorge

Rentnerin engagiert sich in der Seelsorge

So groß wie jetzt war die Verunsicherung bei den Anrufern aber noch nie: "Es wird auch geweint am Telefon. Wirtschaftliche Krise, die Kriegssituation, die politische Entwicklung, das lässt die Menschen nicht unberührt, das führt zunehmend zu Ängsten bei den Leuten. Und das merkt man auch am Telefon ganz deutlich", erzählt die Rentnerin mit den rotgefärbten Haaren. Ihren vollständigen Namen möchte sie nicht nennen. Diskretion ist wichtig in der Telefonseelsorge: "Wir sind da für die Menschen, wir sind keine Therapeuten und keine Ärzte, aber wir können den Leuten zuhören und das ist das, was vielen fehlt."

Etwa eine halbe Stunde dauert durchschnittlich ein Telefongespräch. Ist es beendet, klingelt es oft direkt wieder. "Wir hatten im vergangenen Jahr 14.000 Anrufe, so viele wie nie", sagt Andreas Krov-Raak. Der 55-Jährige leitet die Telefonseelsorge mit ihren Standorten in Dessau, Wernigerode und Wittenberg. "Bei einem Viertel der Anrufe dreht es sich um das Thema Einsamkeit. Zweitwichtiges Thema sind Depressionen, depressive Stimmungen und dann folgen körperliche Erkrankungen." Überwiegend rufen ältere Menschen an, aber auch die Zahl der Jüngeren steigt.

70 Ehrenamtliche im Einsatz

Dass das Anrufaufkommen generell so stark zugenommen hat, überrascht den Diplompädagogen in diesen unsicheren Zeiten nicht. Auch wenn er sich wünschen würde, dass es Telefonseelsorge gar nicht geben müsste: "Dass alle Menschen andere Menschen haben, mit denen sie sprechen können, mit denen sie Freud und Leid teilen können." Aber die Realität sieht anders aus, weiß Krov-Raak.

70 Ehrenamtliche sind rund um die Uhr am Telefon im Einsatz. "Den Bedarf können wir trotzdem nicht decken. Statistisch gesehen kommen auf ein geführtes Gespräch ungefähr noch zehn vergebliche Anrufversuche." Eine zweite Leitung? Wäre schön, sagt Krov-Raak. Aber dazu bräuchte er mehr Ehrenamtliche. Die zu finden wird immer schwieriger.

Ein glatzköpfiger Mann sitzt an einem Schreibtisch in einem Büro.
Andreas Krov-Raak leitet die Telefonseelsorge mit ihren Standorten in Dessau, Wernigerode und Wittenberg. Bildrechte: MDR/ Martin Krause

Wichtiger Austausch der Seelsorger untereinander

Die Ausbildung dauert ein halbes Jahr und umfasst 140 Stunden. Jutta hat den Kurs absolviert, als ihr Ruhestand begann. "Ich war vorher schon im sozialen Bereich tätig, ich wollte weiter Menschen helfen." So oder ähnlich geht es allen Ehrenamtlichen hier. Immer wieder gibt es auch intern Gesprächsrunden. Dort können sich die Seelsorger untereinander austauschen, wenn sie in einer Schicht von Traurigen und Verzweifelten viel Belastendes gehört haben. Auch Helfer brauchen dann mal Hilfe.

Finanzielle Unterstützung bekommt die Telefonseelsorge dafür vom Land Sachsen-Anhalt, aber auch ein paar Kommunen und Landkreise beteiligen sich, ebenso die Kirchen, sagt Krov-Raak. Schwierig werde es dann immer, wenn irgendetwas extra anzuschaffen sei: "Wenn wir einen neuen Computer brauchen oder ein neues Headset, dann müssen wir das immer über Spenden oder Ähnliches finanzieren."

Aggressive Anrufe belasten Ehrenamtliche

Nicht die einzige Sorge, die den Leiter der Telefonseelsorge derzeit umtreibt. Der Ton am Telefon sei rauer geworden, beklagt Krov-Raak: "Das Menschen aggressiv, von vornherein schon auf Krawall gebürstet sind, erleben wir verstärkt." Und Jutta nickt bedrückt zum Ende ihrer Schicht. "Einige Anrufer lassen ihre Wut gern an uns aus. Frustabbau. Da braucht man schon ein dickes Fell", erzählt die 70-Jährige. Trotz dieser unschönen Momente, ans Aufgeben denken Jutta und ihre ehrenamtlichen Mitstreiter von der Telefonseelsorge in Dessau dennoch nicht. Für Menschen in Not haben sie auch weiterhin ein offenes Ohr.

MDR (Martin Krause, Oliver Leiste)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 06. Februar 2025 | 14:40 Uhr

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