Geldscheine auf Rentenbescheid 1 min
Im Audio: Ob die Zuweisungen für den Salzlandkreis auskömmlich waren, verkündet am Dienstag des Landesverfassungsgericht. (Symbolbild) Bildrechte: imago images/Shotshop

Zuweisungen Zu wenig Geld für Städte und Landkreise? – Gericht weist Beschwerden in großen Teilen zurück

22. Januar 2025, 16:16 Uhr

Zu den Kreisfinanzen in Sachsen-Anhalt hat es am Dienstag eine richtungsweisende Entscheidung gegeben. Vor dem Landesverfassungsgericht ging es darum, ob der Salzlandkreis 2022 ausreichend Zuweisungen vom Land erhalten hat. Auch über die Kommunalfinanzen zweier kreisangehöriger Gemeinden wurde entschieden. Zu Ende dürfte der Streit damit aber nicht sein. Jetzt richtet sich der Blick nach Karlsruhe.

  • Das Landesverfassungsgericht hat zwei Beschwerden von Kommunen gegen ihre finanzielle Ausstattung durch das Land weitestgehend zurückgewiesen.
  • Der Salzlandkreis als ein Kläger zeigte sich tags darauf enttäuscht von der Entscheidung und richtet seinen Blick nun nach Karlsruhe.
  • Der Streit um die kommunalen Finanzen schwelt schon lange in Sachsen-Anhalt. Zankapfel ist auch die Kreisumlage – also das Geld, das Städte und Gemeinden an den Kreis zahlen.

Sachsen-Anhalts Landesverfassungsgericht in Dessau-Roßlau hat eine Verfassungsbeschwerde zur finanziellen Ausstattung der Städte und Gemeinden zurückgewiesen. Das teilte das Gericht am Dienstagabend mit. Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob das Land die Kommunen im Jahr 2022 über das Finanzausgleichsgesetz (FAG) mit ausreichend Geld ausgestattet hatte. Kläger waren die Städte Hecklingen und Nienburg im Salzlandkreis.

Zur Begründung teilte das Gericht mit, dass dem Gesetzgeber bei der Berechnung des Finanzbedarfs keine schwerwiegenden Fehler unterlaufen seien. Somit sei auch nicht das verfassungsmäßig garantierte Selbstverwaltungsrecht der Kommunen verletzt worden. Hinsichtlich der Höhe der Landeszuweisungen stellte das Gericht klar, dass Kommunen lediglich eine finanzielle Mindestausstattung zustehen würden und der Gesetzgeber bei deren Bemessung Gestaltungsspielraum habe. Wichtig sei jedoch eine "interkommunale" Gleichbehandlung, damit Pflichtaufgaben erledigt werden könnten. Dabei auf Durchschnittswerte und Prognosen zurückzugreifen, sei zulässig. 

Nach Einlegen der Beschwerde hatte Sachsen-Anhalts Finanzministerium einen Zuschlag für Sachsen-Anhalts Städte und Gemeinden angekündigt. Sie sollten für 2024 bis 2026 zusätzlich insgesamt mehr als zwei Milliarden Euro für ihre Aufgaben bekommen.

Salzlandkreis zeigt sich enttäuscht

Auch der Salzlandkreis war mit einer eigenen Beschwerde gegen das aus seiner Sicht unzureichende System des Finanzausgleichs sowie die Höhe der Landeszuweisungen im Jahr 2022 vorgegangen. Dieser Beschwerde hat das Gericht am Dienstag zumindest in Teilen stattgegeben. Hierbei ging es konkret um die Personalkosten des Landkreises, deren Berechnung laut Gericht zu stark von der Realität abgewichen – also: zu niedrig – war.

Enttäuscht zeigte sich der Kreis am Morgen nach dem Urteil dennoch. Das Gericht habe zwar den Anspruch der Landkreise auf eine angemessene Finanzierung dem Grunde nach bestätigt, dem Gesetzgeber jedoch einen umfangreichen Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt. Dies führe dazu, dass der "unzureichende kommunale Finanzausgleich in weiten Teilen bestätigt wird", heißt es in einer Pressemitteilung des Kreises.

Die Entscheidung dürfte auch von anderen Kreisen und kreisfreien Städten in Sachsen-Anhalt aufmerksam verfolgt worden sein. Nicht nur der Salzlandkreis muss dessen Landrat, Markus Bauer (SPD), zufolge für die eigenen Ausgaben auf Kredite zurückgreifen. Die elf Landkreise in Sachsen-Anhalt erwarteten für das Jahr 2025 ein Kassenkreditvolumen von rund 500 Millionen Euro, sagte Bauer am Mittwoch. "Das kann nicht sein. Hier ist das Land in der Pflicht, für eine auskömmliche Finanzstruktur zu sorgen und entweder die kreisliche Aufgaben- und Ausgabenlast zu reduzieren oder die Einnahmen der Landkreise zu erhöhen."

Hoffnungen ruhen auf Karlsruhe

Der Kreistag des Salzlandkreises hatte Bauer im Juli 2022 mit der Beschwerde beauftragt. Schon damals machte er deutlich, dass die öffentlichen Gelder nicht den Bedarf decken würden. Der Finanzausgleich berücksichtige beim Bedarf unter anderem die soziale Struktur der Region nicht ausreichend, hatte Bauer kritisiert. Der Salzlandkreis habe beispielsweise im Vergleich zu anderen Landkreisen in Sachsen-Anhalt deutlich höhere Kosten zum Beispiel im Bereich der Jugendhilfe sowie bei den Kosten der Unterkunft.

Die Hoffnungen der Kreise ruhen nun auf Karlsruhe. Im Dezember hatten der Salzlandkreis gemeinsam mit Mansfeld-Südharz und unterstützt von weiteren Kreisen sowie dem Landkreistag zusätzlich Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.

"Wir setzen unsere Hoffnungen nunmehr auf die Ende 2024 beim Bundesverfassungsgericht erhobene Verfassungsbeschwerde", sagte Ariane Berger, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Landkreistages. Das Grundgesetz gewähre den Landkreisen einen Anspruch darauf, dass sie neben den durch das Land übertragenen Aufgaben auch freiwillige Aufgaben und zukunftsweisende Investitionen finanzieren können müssen. Dies gelte unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Landes. "Wir gehen davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht diesen Aussagen bei der Auslegung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes Rechnung trägt", so Berger.

Auch Geld von Städten und Gemeinden sorgt für Streit

Der Konflikt um die finanzielle Ausstattung der Landkreise sowie der Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt schwelt seit Jahren. Der Streit verläuft dabei nicht nur zwischen Kommunen und Land, sondern auch innerhalb der Kreisgrenzen. Denn da die Kreise keine eigenen Steuern erheben, speisen sich ihre Haushalte neben den Zuweisungen vom Land in entscheidender Höhe auch aus den Kassen ihrer eigenen Städte und Gemeinden. Über die sogenannte Kreisumlage müssen diese einen beträchtlichen Teil ihrer Einnahmen an den Kreis abgeben, was wiederum deren finanziellen Spielraum einschränkt und für Frust sorgt.

Das sind die Geldquellen der Städte und Gemeinden

Die Städte und Gemeinden finanzieren sich unter anderem aus Gewerbe- und Grundsteuer sowie Teilen der Einkommens- und Umsatzsteuer. Aber auch sie bekommen bestimmte Gelder vom Land, so zum Beispiel Pauschalen für Investitionen sowie Verwaltungsaufgaben, die sie für Land und Bund erledigen.

So funktioniert die Kreisumlage

Bei der Kreisumlage geht es um das Geld, das Städte und Gemeinden an ihre Landkreise zahlen müssen. Grundlage für die Berechnung ist die Finanzkraft der Kommunen, die vor allem anhand der eingenommenen Grund- und Gewerbesteuern ermittelt wird. Vor rund zwei Jahren hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden, dass die Kreistage die Kreisumlage nicht ohne Absprache mit den Gemeinden festlegen dürfen.

Mehrere Städte und Gemeinden in Mansfeld-Südharz – darunter die Lutherstadt Eisleben – hatten deshalb gegen die Höhe der Kreisumlage geklagt und 2023 Recht bekommen. Konkret ging es dabei um die Bescheide für die Kreisumlage in den Jahren 2018 und 2020. Das Verwaltungsgericht Halle erklärte sie für rechtswidrig. Die Entscheidung und die damit verbundenen Rückzahlungen rissen auf einen Schlag ein 157-Millionen-Euro-Loch in den Haushalt des Kreises.

Seit Urteil: Eisleben finanziell deutlich besser aufgestellt

Der Präzedenzfall wirkt allerdings über Mansfeld-Südharz hinaus und wird voraussichtlich auch viele andere Kreise im Land treffen. Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT sind derzeit 60 weitere Verfahren gegen die Kreisumlage von einzelnen Kommunen an Gerichten in Sachsen-Anhalt anhängig. Dabei geht es um insgesamt 250 Millionen Euro, die die Städte und Gemeinden von den Landkreisen zurückhaben wollen.

Eisleben steht laut Bürgermeister Carsten Staub (parteilos) seit der Richtungsentscheidung finanziell deutlich besser da. Das Urteil habe klargestellt, dass mindestens ein Viertel der Einnahmen bei den Städten und Gemeinden bleiben müsse. "Wir geben damit jetzt nur noch knapp sechs Millionen Euro an den Kreis ab. Vorher waren es rund 10,5 Millionen Euro", so Staub. Mit Einnahmen von 16 bis 20 Millionen Euro im Jahr und bei einem Haushaltsvolumen von 40 Millionen Euro sei der Anteil einfach zu hoch gewesen.

"Haben Kreis getroffen, aber meinten das Land"

Die Senkung habe nun direkt dazu geführt, dass Eisleben 2025 und 2026 den Haushaltsausgleich schaffe. Kassenkredite in Millionen-Höhe seien abgebaut worden. "Und in diesem Jahr können wir erstmalig eine Straße außerhalb unseres Sanierungsgebiets und ohne Fördermittel ausbauen."

Bei aller Freude bedauert Staub die Lage seines Landkreises. "Unsere Klage hat den Kreis getroffen, aber wir meinten natürlich das Land." Das Finanzausgleichsgesetz müsse nach wie vor überarbeiten werden, das Urteil zur Kreisumlage ins Gesetz einfließen. Dass daneben auch die Kreise jetzt eine finanzielle Mindestausstattung gerichtlich für sich durchsetzen wollen, versteht und unterstützt Staub.

Bundesverfassungsgericht muss die Sache klären

Für den ehemaligen Finanzminister und heutigen Landrat von Mansfeld-Südharz, André Schröder (CDU), sind die Städte und Gemeinden zurecht entlastet worden. "Aber die Landkreise sind unbeachtet geblieben." Es dürfe jedoch niemand überfordert werden. "Das gilt für den Landeshaushalt, aber das gilt eben auch für den kommunalen Haushalt." Daher brauche es dringend eine finanzielle Mindestausstattung auch für die Landkreise, sagte Schröder MDR SACHSEN-ANHALT.

Mit Blick auf ein mögliches Urteil des Bundesverfassungsgerichts erklärte der Landrat bereits am Montag im Interview mit MDR SACHSEN-ANHALT, er befürchte, dass am Ende der Rechtsprechung nicht mehr Geld da sein werde. In diesem Fall müsse zielgerichteter verteilt und der Aufwand der Pflichtaufgaben reduziert werden. Es brauche dann eine Verwaltungsreform.

Entweder, man stattet uns richtig aus oder man reduziert die Aufgaben und damit den Finanzbedarf. Beides ist möglich, aber eins von beiden muss geschehen, weil sonst die Überschuldung die zwangsläufige Folge ist.

André Schröder Landrat von Mansfeld-Südharz

Finanzminister Richter: "Wir decken den Bedarf"

Sachsen-Anhalts Finanzminister Michael Richter (CDU) zeigte im Dezember im Interview mit MDR SACHSEN-ANHALT Verständnis für die finanziell schwierige Situation der Landkreise, sieht die Schuld daran jedoch nicht beim Land. Richter erklärte, die finanzielle Situation der Landkreise sei schwierig, "aber wir haben als Land den Bedarf berechnet und decken diesen Bedarf auch ab." Im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr sind nach Angaben des Finanzministers 822 Millionen Euro für die Landkreise eingeplant. Das sei mehr Geld als noch in den vergangenen Jahren. Pauschal zu sagen, dass die Pflichtaufgaben der Landkreise nur zu leisten seien, wenn man sich verschulde, würde er so nicht hinnehmen wollen, erklärte Richter.

Auch der sachsen-anhaltische Landesrechnungshof wertet die Situation der Kommunen nicht als aussichtslos. Das Narrativ vieler Kommunen, dass es nur besser werde, wenn es mehr Geld gebe, das sei falsch, sagte Rechnungshofpräsident Kay Barthel im November. Es müsse teilweise auch bei den Ausgaben in den Kommunen stärker darauf geachtet werden, dass Aufgaben, die unwirtschaftlich seien, stärker in den Fokus genommen würden.

Städte- und Gemeindebund: "Steuer- und Gebührenerhöhungen notwendig"

Der Städte und Gemeindebund schätzt die Lage erwartbar sehr viel prekärer ein. Die finanzielle Ausstattung der Kommunen in Sachsen-Anhalt habe sich 2024 deutlich verschlechtert, teilte Landesgeschäftsführer Bernward Küper MDR SACHSEN-ANHALT mit. In den Gemeinden hätte sich zuletzt ein Defizit von 97 Millionen Euro angestaut – das sei das Fünffache des Vorjahrs. Ein gewichtiger Grund dafür seien sinkende Gewerbesteuereinnahmen. Sie seien in den ersten drei Quartalen 2024 kontinuierlich zurückgegangen. „Die deutsche Wirtschaftsschwäche hält Einzug in die kommunalen Kassen“, sagte Küper.

Zeitgleich hätten Inflation und hohe Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst die Ausgaben erhöht. Beim Personal hätten die Kommunen ein Ausgabenplus von 6,7 Prozent, bei Sach- und Dienstleistungen ein Plus von ebenfalls 6,7 Prozent und bei sozialen Leistungen sogar ein Plus von 9,2 Prozent zu bewältigen gehabt. Zusätzlich würden Bund und Land den Kommunen immer komplexere Aufgaben übertragen, für die nicht nur das Geld, sondern zunehmend auch das Personal fehle.

In der Folge müssten freiwillige Leistungen eingeschränkt werden. Vereine könnten weniger unterstützt, Bibliotheken, Freibäder, Museen und andere Einrichtungen nicht mehr in dem Umfang wie bisher unterhalten werden, warnte Küper. „Die Bürger und die Wirtschaft müssen sich auf Steuer- und Gebührenerhöhungen einstellen.“

MDR (André Plaul, André Damm, Katharina Gebauer, Daniel Salpius) / Erstmals veröffentlicht am 21. Januar 2024

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 21. Januar 2025 | 19:00 Uhr

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