Investitionen Netzausbau: Experte hält Investitionen in Stromspeicher für sinnvoller

19. April 2024, 06:47 Uhr

Die hohen Kosten für den Ausbau der deutschen Stromnetze stoßen weiter auf Kritik. Der Energie-Experte und emeritierte Wirtschaftsprofessor Lorenz Jarass sagte MDR AKTUELL, die Netze würden massiv ausgebaut, um auch die letzte Kilowattstunde aus Wind- und Solarenergie einspeisen zu können. Der Überschussstrom werde allerdings ans Ausland verkauft. Sinnvoller sei es, mehr in Stromspeicher zu investieren.

Es ist ein ordentlicher Brocken, sagt Martin Schreiber. Der Pressesprecher der Thüringer Energienetze meint damit das viele Geld, das sein Unternehmen in den Netzausbau steckt. Bis 2028 will es insgesamt 600 Millionen Euro ins Thüringer Stromnetz investieren – in Kabel, Umspannwerke, Ortsnetzstationen.

"Ein regelrechtes Leuchtturmprojekt ist momentan der Ausbau des Umspannwerkes Weida. Das ist Ostthüringen. Das ist also ein Bau, das ist die Herausforderung, im Betrieb. Wir können das Umspannwerk nicht abschalten. Es wird Stück für Stück umgebaut, wenn es dann fertig wird, ist es eines der modernsten Umspannwerke im Freistaat."

Höherer Strompreis wegen Ausbau zu erwarten

Nötig werden diese Investitionen wegen der Energiewende. Wind- und Solaranlagen stehen quer übers Land verteilt. Ihr schwankendes Stromangebot muss eingesammelt und verteilt werden. In Summe rechnet die Bundesnetzagentur damit, dass bis 2035 bis zu 500 Milliarden Euro ins Netz investiert werden müssen, ein riesiger Betrag.

Der werde sich dann auch in den Strompreisen widerspiegeln, sagt Agentursprecher Fiete Wulff. "Der Strompreis wird in Zukunft höhere Kosten für den Ausbau und den Betrieb der Netze enthalten. Wir müssen in die großen Überlandleitungen investieren, wir müssen auch in die Verteilnetze vor Ort investieren."

Wichtig sei, dass solche Investitionen dann über viele Jahrzehnte abgeschrieben werden und dann in jedem Jahr nur ein entsprechend niedriger Anteil in die Netzentgelte fließe und auf den Stromrechnungen lande.

Wirtschaftsprofessor: Massiver Ausbau von Stromnetz nötig

Wie teuer es für den Einzelnen wird, kann noch keiner sagen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will die Kosten möglichst langfristig verteilen. Denn vom neuen Netz hätten ja auch künftige Generationen etwas.

Doch für den emeritierten Wirtschaftsprofessor Lorenz Jarass stellt sich die Frage, ob das Stromnetz überhaupt so massiv ausgebaut werden muss. Jarass sagt, der Ausbau erfolge ja auch, weil an wind- und sonnenreichen Tagen extreme Strommengen entstehen. "Die jetzige Vorgehensweise ist: Wir bauen die Netze massiv aus, dass wir auch die letzte Kilowattstunde noch einspeisen können. Der ganze Überschussstrom wird ans Ausland verkauft."

Aber de facto werde er verschenkt, weil zu diesem Zeitpunkt, wo es massiven Überschussstrom gebe, sind die Strompreise nur ein bis zwei Cent je Kilowattstunde, in seltenen Fällen auch negativ, sagt Jarass.

Mehr Speicher statt Netzausbau

Jarass plädiert dafür, den Netzausbau abzuspecken und mehr in Stromspeicher zu investieren – direkt neben Wind- und Solarparks. So lasse sich das schwankende Stromangebot der Nachfrage anpassen. Warum das bislang kaum passiert, erklärt Jarass mit den Eigenheiten der Ökostromförderung. "Der Investor einer Photovoltaik-Freiflächenanlage bekommt einen einheitlichen Einspeisepreis. Unabhängig davon, ob er zum Zeitpunkt einer hohen Stromnachfrage einspeist oder ober er zum Zeitpunkt einer geringeren Stromnachfrage einspeist."

Ein Speicher lohne sich für Ökostromerzeuger deshalb nicht, sagt Jarras. Und so speisten sie immer sofort ins Netz ein, das alle bezahlen. Bei den Thüringer Energienetzen sieht Martin Schreiber die Sache ein bisschen anders. Natürlich brauche es Speicher.

Netzausbau ist ihr Geschäft

"In der Praxis ist es aber so, dass uns die Speichertechnologie noch fehlt. Und die ist auch in absehbarer Zeit nicht in der Leistungsfähigkeit und Größe erkennbar, dass die uns zur Verfügung steht. Deswegen ist der Netzausbau, so wie er jetzt vorangetrieben wird, unabdingbar."

In dieser Haltung sind sich die Netzbetreiber einig. Wobei das kaum überrascht: Netzausbau ist ihr Geschäft. Jeder zusätzliche Kilometer erhöht den Gewinn. Was wirklich notwendig ist, prüft am Ende die Bundesnetzagentur. Bislang ist sie den Plänen der Netzbetreiber weitgehend gefolgt.

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 19. April 2024 | 07:00 Uhr

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