Energieverbrauch Wie grün müssen Mitteldeutschlands Rechenzentren werden?

15. April 2023, 05:00 Uhr

Wir streamen Serien, besprechen uns mit Kollegen in der Videokonferenz oder sichern wichtige Dokumente online. Daten lagern oft nicht mehr auf Laptop oder Computern, sondern in großen Servern in Rechenzentren. Da es immer mehr von diesen Rechenzentren gibt, verbrauchen sie auch immer mehr Energie. Den Stromhunger will die Bundesregierung eindämmen – das hat sie im Koalitionsvertrag vereinbart. Wie sollen die Rechenzentren in Mitteldeutschland klimaneutral werden?

Wären die Rechenzentren in Deutschland ein Bundesland, lägen sie beim Stromverbrauch hinter Sachsen, aber vor Sachsen-Anhalt. Etwa 17 Milliarden Kilowattstunden gehen in Deutschland auf das Konto von Rechenzentren – das sind etwa drei Prozent des gesamten Stroms.

Bundesregierung will Energieverbrauch der Rechenzentren regulieren

Allerdings: Diese Zahlen sind Schätzungen, sagt Marina Köhn. Die Informatikerin forscht am Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit: "Wir wissen sehr, sehr wenig über die Rechenzentren. Deswegen arbeiten wir ja derzeit in einem Forschungsvorhaben an einem Rechenzentrumsregister."

Ein solches Verzeichnis könnte Teil des neuen Energieeffizienzgesetzes werden, das die Bundesregierung plant. Denn was im Gegensatz zu den Zahlen selbst sicher ist: Der Energieverbrauch der Rechenzentren wird weiter steigen.

Bestehende Rechenzentren werden deshalb mit mehr Regulierung rechnen müssen. Neu gebaute Rechenzentren sollen ab 2027 sogar klimaneutral sein. Das hat die Ampel im Koalitionsvertrag als Ziel festgeschrieben.

Rechenzentrumsanbieter envia TEL jetzt schon klimafreundlich

Ist das für die Rechenzentrumsanbieter in Mitteldeutschland realistisch? Der Markt wächst auch hier rasant. Frank Mirtschin ist Geschäftsentwickler für die envia Tel GmbH in Markkleeberg. Das Telekommunikations-Unternehmen betreibt mehrere Rechenzentren, die beiden größten davon in Taucha.

Wie viele Anbieter bezieht das Unternehmen dafür ausschließlich Ökostrom, sagt Mirtschin. Zumindest auf dem Papier sei der Betrieb also schon klimafreundlich: "Rein formal ist das schon jetzt gewährleistet. Allerdings wissen wir auch, dass die Durchmischung des lokalen Stroms, der dann ankommt, je nach Jahreszeit und Situation durchsetzt ist von Braunkohleanteilen."

100 Prozent grün könnten Rechenzentren letztlich erst werden, sobald der gesamte Strom in Deutschland aus regenerativen Energien komme. Darauf hätten Unternehmen aber nur begrenzt Einfluss – und Speicher, die in industriellem Maßstab Strom liefern können, wenn Wind oder Sonne das nicht tun, gibt es bislang kaum.

Umweltbundesamt fordert ehrgeizige Ziele

Marina Köhn vom Umweltbundesamt plädiert dennoch für ehrgeizige Vorgaben und für eine umfassendere Betrachtung der Energieeffizienz von Rechenzentren. Dazu gehört für Köhn auch die Langlebigkeit der Technik. Wenn neue angeschafft werde, liege das selten daran, dass die alte ausgedient habe. "Wenn man sich die letzten Jahre anschaut: IT wurde ja nie entsorgt, weil das Gerät kaputt war, sondern weil die Software gesagt hat, ne, darauf möchte ich jetzt nicht mehr funktionieren. Und das ist natürlich eine entsprechende Umweltwirkung, die man so ohne Weiteres einfach nicht hinnehmen darf."

Der Strom sei zwar Hauptursache beim Energieverbrauch der Rechenzentren. Doch ein Fünftel entstehe auch in Betrieb, Bau und Neuausstattung der Hardware. Das größte Potential für Energieeinsparung bietet aktuell wohl ein Recycling der Wärme, die in den Servern reichlich entsteht. Im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gibt es auch dafür Pläne.

Rechenzentren sollen Teil ihrer Abwärme weitergeben

Abwärme Abwärme ist Wärme, die von Lebewesen oder technischen Geräten erzeugt und an die Umgebung abgegeben wird. Oft geht ein hoher Anteil der Abwärme ungenutzt verloren.

Ein erster Entwurf des Energieeffizienzgesetzes gelangte vergangenen Herbst an die Öffentlichkeit. Er sah vor, dass Rechenzentren 40 Prozent ihrer Abwärme weitergeben sollen. Die Vorgabe wurde von Branchenvertretern als völlig unrealistisch kritisiert. Mirtschin möchte da jedoch nicht einstimmen.

envia Tel plant mit einem Schwester-Unternehmen aus der envia M-Gruppe diese Anschlüsse seit mehreren Jahren ein. "Das Thema Abwärme erschreckt mich jetzt nicht, sondern es ist eher logisch, wenn man so will. Es ist allerdings an jedem Standort trotzdem eine Herausforderung, weil man ja keine Kunden zwingen kann, sich an derartige Netze anschließen zu lassen."

Zudem müssen oft erst Anschlussmöglichkeiten für die Wärme geschaffen werden, selbst wenn es genug Abnehmer gibt. Alte Netze sind dafür schlecht geeignet, weil sie bei über 100 Grad arbeiten und die Serverluft höchstens 30 Grad erreicht. Immerhin: Die Energiekrise hat das früher spärliche Interesse an der Wärme aus dem Rechner schlagartig gesteigert.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 15. April 2023 | 06:00 Uhr

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