Wahlrecht Dürfen Kandidaten auch Wahlhelfer sein?
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22. Juni 2024, 05:00 Uhr
Bei der Bundestagswahl 2021 waren in Deutschland etwa 650.000 ehrenamtliche Wahlhelferinnen und Wahlhelfer im Einsatz. Auch bei Landtags- und Kommunalwahlen werden viele Helfer gebraucht, oft fehlt es an Freiwilligen. Ein MDR-Nutzer möchte wissen, ob etwa bei Kommunalwahlen auch Kandidaten und Kandidatinnen oder deren Vertrauenspersonen Wahlhelfer werden können.
Um Parteilichkeit vorzubeugen, sind Wahlbewerber sowie deren Vertrauenspersonen von der Mitgliedschaft in einem Wahlorgan (Wahlleiter, Wahlausschuss und Wahlvorstand) nach den kommunalwahlrechtlichen Regelungen (§ 13 Abs. 2 Kommunalwahlgesetz) in Sachsen-Anhalt ausdrücklich ausgeschlossen. Das teilte die Landeswahlleitung MDR AKTUELL mit. Ebenso ist es im Grundsatz in Sachsen und Thüringen geregelt.
Stichwort: Wahlhelfer/Wahlvorstand/Wahlausschuss
Wahlhelferin oder Wahlhelfer bei Wahlen in Deutschland sind der umgangssprachliche Begriff für die Mitglieder des sogenannten Wahlvorstands. Dieser besteht in der Regel aus einem Wahlvorsteher und Schriftführer, deren Stellvertreter sowie drei bis sieben Beisitzenden. Die Wahlhelfer sorgen für den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl. Sie überprüfen die Wahlberechtigung auf Grundlage des Wählerverzeichnisses, die Wahlscheine, die Ausgabe des Stimmzettels, vermerken die Wahlteilnahme im Wählerverzeichnis und geben die Wahlurne zum Einwurf des Stimmzettels frei.
Die Wahlhelfer zählen die Wählerinnen und Wähler sowie nach Schließung der Wahllokale die abgegebenen Stimmen und auch die Briefwahlstimmen. Der Wahlvorstand wird vor jeder Wahl von den Kommunalbehörden berufen, möglichst aus den Wahlberechtigten der Gemeinde oder des Wahlbezirks.
Der Wahlausschuss ist das Gremium, das für die Vorbereitung und Durchführung einer Wahl zuständig ist. Er kontrolliert alle Schritte der Wahl und verkündet das Wahlergebnis. Mitglieder des Wahlausschusses dürfen sich nicht als Kandidat einer Wahl aufstellen lassen. Weitere Voraussetzungen regelt die die jeweilige Wahlordnung, Satzung oder Gesetz.
Stichwort: Vertrauensperson
Laut Kommunalwahlgesetz in Sachsen § 6a Abs. 5 soll zu jedem Wahlvorschlag eine Vertrauensperson und eine stellvertretende Vertrauensperson benannt werden. Die Vertrauenspersonen sind für den Gemeindewahlausschuss die Ansprechpartner bei Rückfragen und Mängeln zum eingereichten Wahlvorschlag. Nur sie sind berechtigt, verbindliche Erklärungen zum Wahlvorschlag abzugeben und Erklärungen von den Wahlorganen entgegen zu nehmen. Das sind etwa verbindliche Erklärungen zum Wahlvorschlag (zum Beispiel Klarstellung von persönlichen Angaben zum Bewerber wie Berufsangabe). Die Vertrauenspersonen nehmen auch an Sitzungen des Gemeindewahlausschusses teil.
Die Bundeswahlleitung erläutert: Zur Erleichterung des Kontakts der Wahlbehörden und -organe mit den Trägern der Wahlvorschläge sollen je eine Vertrauensperson und eine stellvertretende Vertrauensperson benannt werden. Zu Vertrauenspersonen können auch Bewerberinnen und Bewerber (Wahlkreis- und Landeslistenbewerbende) bzw. bei Europawahlen auch Ersatzbewerberinnen und -bewerber bestellt werden. Die Vertrauensperson besitzt eine umfassende Vertretungsmacht hinsichtlich der Wahlvorschläge, sie kann etwa bei Nichteignung auch abberufen und ersetzt werden.
Das gilt bei Kommunalwahlen in Mitteldeutschland
In Sachsen-Anhalt gelten für die parallel abgehaltenen Kommunal- und Europawahlen teils unterschiedliche Zuständigkeitsregelungen für die Berufung der jeweiligen Wahlorgane nach dem Europawahlgesetz sowie Kommunalwahlrecht. So werden die Wahlvorstände für die Europawahl von der Gemeindebehörde berufen, für die Kommunalwahlen hingegen durch den Gemeindewahlleiter und die Gemeinde. Soweit es die Wahlorganisation vor Ort zulässt, gibt es gemeinsame Wahlvorstände.
Dabei ist der amtierende Bürgermeister auch Wahlleiter, in den Landkreisen der Landrat. Treten jedoch Bürgermeister/-in oder Landrat/-rätin erneut selbst zur Wahl an, gilt der Grundsatz der Unvereinbarkeit. Dann übernehmen ihre Stellvertreter die Wahlleitung. Es kann auch ein anderer Beschäftigter der Gemeinde bzw. des Landkreises zum Wahlleiter berufen werden.
Bei verbundenen Kommunalwahlen mit parallelen Gemeinderats-, Verbandsgemeinde- oder Kreistagswahlen kann die jeweilige Person demnach auch nicht für die anderen verbundenen Wahlen Wahlleiter sein. Dann müssen ebenfalls die Stellvertreter oder ein anderer Beschäftigter einspringen.
Auch das Kommunalwahlgesetz in Sachsen legt klar fest: "Bewerber und Vertrauenspersonen für Wahlvorschläge dürfen keinem Wahlorgan angehören, das für dieselbe Wahl tätig wird."
Paragraf 4 des Kommunalwahlgesetzes in Thüringen regelt: Bewerber, Beauftragte für Wahlvorschläge und deren Stellvertreter sowie Leiter einer Aufstellungsversammlung für die Gemeindewahl oder eine der gleichzeitig stattfindenden Gemeindewahlen können nicht Wahlleiter oder Stellvertreter des Wahlleiters sein oder Mitglieder des Wahlvorstands. Das gilt demnach ebenso für Kreiswahlen.
Wer kann Wahlhelfer werden?
Grundsätzlich kann in Deutschland jeder Wahlhelfer werden, der auch wahlberechtigt ist. Voraussetzung für das Wahlrecht ist ein Hauptwohnsitz vor Ort seit mindestens drei Monaten sowie bei Kommunalwahlen die deutsche oder eine EU-Staatsbürgerschaft. Bei Landtags- oder Bundestagswahlen ist ein deutscher Pass plus entsprechendem Hauptwohnsitz nötig.
Beim Mindestalter gibt es für Wahlberechtigte und somit Wahlhelfer unterschiedliche Regelungen für die Wahlen zum Bundestag, Landtag sowie Kommunalwahlen. In Sachsen liegt das Mindestalter grundsätzlich bei 18 Jahren, in Sachsen-Anhalt und Thüringen sind es bei Kommunalwahlen 16 Jahre – ebenso wie bei Europawahlen. In einigen Bundesländern wurde das Mindestalter auch bei Landtagswahlen bereits auf 16 Jahre gesenkt. Für die Bundestagswahl muss man volljährig sein.
Wie viel Geld bekommen Wahlhelferinnen und Wahlhelfer?
Wahlhelferinnen und Wahlhelfer erhalten für die ehrenamtliche Tätigkeit ein Erfrischungsgeld (regional auch Zehrgeld) als steuerfreie Aufwandsentschädigung. Für Vorsitzende von Wahlvorständen sind das auf Empfehlung der Bundeswahlleitung 35 Euro, für die übrigen Mitglieder jeweils 25 Euro. Länder und Kommunen können davon jedoch abweichen und zahlen teilweise doppelt soviel oder gar das Dreifache. Zudem werden notwendige Fahrtkosten erstattet.
Der Arbeitgeber kann, soweit nicht tarifvertraglich geregelt, im eigenen Ermessen Sonderurlaub/Arbeitsbefreiung für die Tätigkeit als Wahlhelferin bzw. Wahlhelfer gewähren. Im öffentlichen Dienst erhalten Wahlhelferinnen/-helfer in der Regel einen Tag Dienst- oder Arbeitsbefreiung. Wer bei der Wahl unentschuldigt fehlt, zahlt ein Ordnungsgeld von bis zu 1.000 Euro.
Was passiert, wenn ein Wahlvorstand nicht ausreichend besetzt werden kann?
Gibt es nicht genug freiwillige Bewerbungen zur Wahlhilfe kann in Deutschland jeder Wahlberechtigte dazu berufen werden. Es gilt eine staatsbürgerliche Pflicht zur Übernahme dieses Ehrenamts, die nur aus wichtigen Gründen abgelehnt werden kann. Dazu gehören Krankheit oder eine Behinderung, die Pflege eines Angehörigen oder dringende berufliche Aufgaben.
Bei Kommunalwahlen muss etwa laut Thüringer Kommunalwahlordnung (ThürKWO) spätestens am 20. Tag vor dem Wahltermin vom Wahlleiter für jeden Stimmbezirk ein Wahlvorsteher, dessen Stellvertreter sowie die Beisitzer des Wahlvorstands bestellt sein. Sind Mitglieder des Wahlvorstands am Wahltag verhindert oder zur Ausübung des Ehrenamts nicht bereit, so kann der Wahlleiter noch bis zum Wahltag fehlende Mitglieder des Wahlvorstands nachberufen. Bei verbundenen Gemeinde- und Landkreiswahlen ist dann der Wahlleiter der Gemeinde zuständig.
Im Ausnahmefall kann es passieren, dass Wahlvorstände nicht besetzt werden können. Dann greifen bundesländerspezifische Regelungen, wie in Bayern. Nach Aussage der Verwaltungsgemeinschaft Neunburg vorm Wald bei BR24, ist dort das Unververinbarkeitsprinzip von Kandidatur und Wahlhilfe eine Sollvorschrift: "Sich bewerbende Personen eines Wahlvorschlags sollten nur dann in den Wahlvorstand berufen werden, wenn sonst keine ausreichende Zahl von geeigneten Wahlvorstandsmitgliedern zu gewinnen wäre."
MDR AKTUELL (ans)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 09. Juni 2024 | 21:45 Uhr