Bundestagswahl Studie: Wahlprogramme werden immer unverständlicher
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30. August 2021, 17:46 Uhr
Bandwurmsätze mit bis zu 79 Wörtern und acht Mal so umfangreich wie früher: Die Programme der Parteien zur Bundestagswahl 2021 sind einer Studie zufolge weit entfernt von der Transparenz und der Bürgernähe, die die Parteien versprochen haben.
Die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl sind so umfangreich wie nie zuvor – lassen sich aber gleichzeitig auch so schwer verstehen wie kaum jemals zuvor. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Stuttgarter Universität Hohenheim, die als Langzeitprojekt die Bundestags-Wahlprogramme der Parteien bis ins Jahr 1949 zurück verglichen hat.
"Monster- und Bandwurmsätze"
Den Autoren zufolge fanden sich in den Programmen zur Wahl 2021 Wortungetüme und enorm lange Sätze mit bis zu 79 Wörtern. "Oft lässt die Verständlichkeit der Wahlprogramme zu wünschen übrig", fasst der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider die Ergebnisse der Studie zusammen. Die häufigsten Verstöße gegen Verständlichkeitsregeln seien Fremdwörter und Fachwörter, Wortzusammensetzungen, Anglizismen und "Denglisch" sowie lange "Monster- und Bandwurmsätze". Das mache die Programme der Wahl 2021 zu den zweitunverständlichsten in der bundesdeutschen Geschichte.
Nur 1994 waren die Programme im Schnitt noch unverständlicher.
Wahlprogramme werden immer länger
Ein weiteres Ergebnis: Die Wahlprogramme werden immer länger. Formulierten die Parteien bei der ersten Bundestagswahl 1949 ihre Vorhaben noch im Schnitt mit 5.498 Wörtern, so seien es nun durchschnittlich 43.541 Wörter pro Programm – acht Mal so viele, heißt es in der Studie.
Traditionell hätten die Grünen die längsten Wahlprogramme. Dieses Jahr aber würden sie von der Linkspartei abgelöst, deren Programm mit 68.331 Worten knapp tausend Worte mehr als die Grünen aufweise. Die kürzesten Wahlprogramme kämen von der AfD und der SPD mit jeweils knapp 23.500 Wörtern. Im Mittelfeld liegen demnach das Wahlprogramm der Union mit gut 43.000 und das der FDP mit gut 35.500 Wörtern.
Index von Software berechnet
Für die Analyse benutzte Brettschneiders Team eigenen Angaben zufolge eine Software, die die Länge der Sätze und der Wörter, den Anteil an Schachtelsätzen sowie den Anteil abstrakter Wörter analysiert. Daraus leiteten die Forscher einen Verständlichkeitsindex ab, der von 0 (formal schwer verständlich) bis 20 (formal leicht verständlich) reicht. Zum Vergleich: Doktorarbeiten in Politikwissenschaft haben eine durchschnittliche Verständlichkeit von 4,3 – Hörfunk-Nachrichten dagegen eine durchschnittliche Verständlichkeit von 16,4.
Nach diesem Index liefert in diesem Jahr die Linke dieses Jahr mit 8,4 Punkten das formal verständlichste Wahlprogramm. Ganz hinten landen die Grünen mit 5,6 Punkten.
Kompliziert schließt aus
Die Ergebnisse sind der Studie zufolge noch schlechter als bei der jüngsten Bundestagswahl im Jahr 2017. Das sei enttäuschend, sagte Brettschneider: "Denn alle Parteien haben sich in den letzten Jahren Transparenz und Bürgernähe auf ihre Fahne geschrieben." Mit ihren teilweise schwer verdaulichen Wahlprogrammen würden sie aber einen erheblichen Teil der Wählerinnen und Wähler ausschließen. Und das, obwohl alle Parteien zur Bundestagswahl 2021 neben ihren normalen Wahlprogrammen auch mindestens eine meist kürzere oder einfachere Version anbieten würden.
Wichtig ist den Studien-Autoren zu betonen, dass es bei der Analyse um "formale Verständlichkeit" ging. Diese sei natürlich nicht das einzige Kriterium, von dem die Güte eines Wahlprogramms abhänge. Deutlich wichtiger sei der Inhalt. Zitat aus der Studie: "Unfug wird nicht dadurch richtig, dass er formal verständlich formuliert ist."
Quelle: MDR, dpa
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 28. August 2021 | 12:30 Uhr