Sonderregelung Mit 0,1 Prozent: Dänen-Partei wieder im Bundestag

27. September 2021, 17:59 Uhr

Nach Jahrzehnten feiert der Südschleswigsche Wählerverband ein Comeback im Bundestag. Dem SSW reichten gut 55.000 Stimmen, die Fünf-Prozent-Hürde gilt für die Minderheitenpartei nicht. Warum gibt es diese Sonderregelung und wo steht der SSW politisch?

Zum ersten Mal seit fast 70 Jahren hat es der Südschleswigsche Wählerverband wieder in den Bundestag geschafft. Die Partei der nationalen Minderheiten der Dänen und Friesen erhielt dem vorläufigen Ergebnis zufolge 55.330 Zweitstimmen. Das sind zwar nur 0,1 Prozent aller abgegebenen Stimmen, reicht aber wegen einer Sonderregelung für ein Mandat. Als parlamentarischer Einzelkämpfer wird damit Spitzenkandidat Stefan Seidler (41) den SSW im Bundestag vertreten.

Fünf-Prozent-Regel gilt für SSW nicht

Aufgrund eines deutsch-dänischen Minderheitenschutzabkommens ist der SSW von der Fünf-Prozent-Hürde befreit. Das gilt nach dem Wahlgesetz bei Bundestagswahlen für alle anerkannten nationalen Minderheiten, um ihnen Chancen auf eine politische Repräsentation zu verschaffen. Für ein Mandat reichen deutlich weniger Stimmen. Neben den Dänen und Friesen gilt das auch für die Sorben sowie die Sinti und Roma, die aber keine eigenen Parteien haben.

Comeback nach sieben Jahrzehnten

Bereits in der Anfangszeit der Bundesrepublik hatte der SSW von 1949 bis 1953 einen Abgeordneten im Bundestag. Doch danach schwand der Zuspruch. 1961 stellte der SSW seine Bemühungen auf Bundesebene ein und konzentrierte sich auf die Kommunal- und Landespolitik.

Aktuell hat die Minderheiten-Partei etwa 3.600 Mitglieder. 2020 gab ein Parteitag grünes Licht für einen neuen Anlauf in den Bundestag, nun feiert der SSW sein Comeback.

In Schleswig-Holstein etablierte Kraft

In der schleswig-holsteinischen Landespolitik ist der SSW eine etablierte Kraft und stellt aktuell drei Abgeordnete im Landtag. Von 2012 bis 2017 bildete der SSW im nördlichsten Bundesland eine Koalition mit SPD und Grünen und stellte die Justizministerin.

Gegründet wurde der SSW 1948 auf Anordnung der britischen Militärregierung als Interessenvertretung der dänischen Minderheit, die Friesen in Nordfriesland schlossen sich dann an. Lange Zeit konzentrierte sich die Partei auf Themen der Minderheiten, etwa die Ausstattung dänischsprachiger Schulen. Seit den 1970er-Jahren positioniert sich der SSW breiter und orientiert sich dabei an skandinavischer Politik.

Grün-linke Positionen

Der SSW tritt heute für eine konsequente Klimaschutzpolitik mitsamt Kohleausstieg vor 2038 ein. In der Bildungspolitik möchte er die Betreuungsquote für unter Dreijährige "nach skandinavischem Vorbild" auf mehr als 90 Prozent steigern, in der Steuerpolitik plädiert er für eine Vermögensteuer zur Finanzierung der Corona-Lasten.

Die Sorben begrüßten das Bundestagsmandat für den Südschleswigschen Wählerverband. Domowina-Chef Dawid Statnik sagte in Bautzen, das sei eine Stimme mehr für die Minderheitenpolitik in Deutschland. Der SSW setze sich dafür ein, dass auch die sorbische Kultur weiter finanziell unterstützt werde.

Quellen: DPA, AFP, (ans)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 27. September 2021 | 14:45 Uhr

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