Collage: Kristin Schwietzer, Leiterin des MDR-Büros in Berlin und im Hintergrund Sahra Wagenknecht und Katja Wolf bei einer Pressekonferenz
Katja Wolf und Sahra Wagenknecht bei einer Pressekonferenz. Bildrechte: picture alliance / Chris Emil Janßen | Chris Emil Janssen, ARD-Hauptstadtstudio/Reiner Freese

Unter der Lupe – die politische Kolumne Will Wagenknecht überhaupt regieren?

28. Oktober 2024, 08:35 Uhr

Wochenlang wurde in Sachsen und Thüringen verhandelt. Die Akteure vor Ort haben nun genügend Gemeinsamkeiten gefunden, um in weitere Sondierungen oder gar Koalitionsgespräche einzusteigen. CDU, SPD und BSW, die Brombeer-Koalition mag aber noch nicht allen schmecken. Vor allem die Parteichefin und Namensgeberin des BSW redet immer wieder dazwischen. Jetzt droht Stillstand, weil die Landesverbände auf Wunsch von Sahra Wagenknecht mehr Bundespolitik in die Präambel schreiben sollen.

Dass es schwierig werden würde, war allen Beteiligten von Anfang an klar. Die Brombeer-Koalition ist und bleibt eine inhaltlich und politisch herausfordernde Konstellation für alle Seiten. Immerhin, dass es so kommen würde, darauf konnten sich CDU, SPD und BSW in Sachsen und Thüringen schon vor den Landtagswahlen zumindest irgendwie einstellen.

Tilo Kummer (l-r, BSW), Andreas Bühl (CDU), und Katharina Schenk (SPD) stehen nebeneinander während einer Pressekonferenz zu den Ergebnissen der Sondierungsgespräche zwischen CDU, BSW und SPD in der Erfurter Zentralheize. 1 min
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Aber, dass es zu einer persönlichen Mission der Gründerin des BSW werden sollte, übersteigt wohl selbst die Erwartungen der Verhandler aus den eigenen Reihen. Katja Wolf in Thüringen und Sabine Zimmermann in Sachsen dürften sich ihren Weg auf die Regierungsbank etwas leichter vorgestellt haben.

Wagenknecht mischt sich ein

Es ist kompliziert. Sahra Wagenknecht will wissen, was verhandelt wird und auch darüber mitbestimmen. Sondierungen unter Aufsicht der Parteichefin in Berlin. Die ständigen Störfeuer irritieren nicht nur Außenstehende.

Mit Katja Wolf und Sabine Zimmermann sitzen vor allem zwei Frauen aus dem Osten am Tisch, die sich nicht reinreden lassen wollen. Katja Wolf war vor ihrer BSW-Laufbahn Oberbürgermeisterin von Eisenach. Sabine Zimmermann war Gewerkschafterin und Bundestagsabgeordnete. Zwei Pragmatikerinnen, die selbst bestimmen wollen, wie und was sie verhandeln.

Und Wagenknecht? Sie sucht die große politische Bühne: klar, präsent, rhetorisch gewandt. Immer den Finger in die Wunde stecken. Sie beeindruckt und polarisiert zugleich. Die Oppositionsrolle im Bundestag ist wie für sie gemacht. Die Landtagswahlen im Osten wirken da eher wie ein politischer Beifang, ein Trittbrett für das große Ziel, mit der eigenen Fraktion im Bundestag den Regierenden die Leviten zu lesen, der liebste Gegenspieler – Friedrich Merz.

Die Grundeinstellungen zum Krieg, zu Europa, zu Amerika, Israel und Russland könnten kaum gegensätzlicher sein. Außenpolitik, die im Bund funktioniert, aber mit der Politik in Sachsen und Thüringen wenig zu tun hat. Hier hat man sich in Erfurt sogar schon auf ein Sondierungspapier verständigt. Man könnte in weitere Verhandlungen einsteigen, wenn, ja, wenn da nicht das ständige Dazwischenrufen aus Berlin wäre.

Nur meckern, nicht gestalten

Mancher Beobachter hat den Eindruck, dass Wagenknecht gar nicht regieren will. Denn die Forderungen, die sie stellt, werden immer mehr und immer unerfüllbarer. Keine Präambel ohne klare Anti-Kriegs-Botschaften. Das würden CDU und SPD noch mittragen. Die Bundesregierung zu mehr diplomatischen Bemühungen aufzufordern, reicht Wagenknecht aber nicht aus.

Der CDU-Vorsitzende von Thüringen, Mario Voigt, solle sich auch von Merz und seinen Forderungen etwa nach Taurus-Lieferungen in die Ukraine distanzieren. Keine Mittelstreckenraketen in Deutschland, auch das soll noch in die Präambel.

Dass auch Wagenknecht mit ihrem Bündnis Botschaften braucht, die sie unverkennbar macht, ist klar und gehört zum politischen Geschäft. Doch sie muss aufpassen, dass sie es nicht überreizt. Zu viel Einmischung aus Berlin, könnte auch beim Wähler den Eindruck erwecken, als ginge es Wagenknecht nur um sich selbst. Wer schon antritt, um nur zu meckern, aber nicht um zu gestalten, stiehlt sich aus der Verantwortung und macht sich beim Wähler unglaubwürdig.

Bitte kein Politbüro

Und es könnte auch parteiintern für Unmut sorgen. Die Verhandler in Sachsen und Thüringen haben mehrfach signalisiert, dass es auch für die Parteichefin Grenzen gibt. Wenn sie nicht gestalten dürfen, weil es die Vorsitzende nicht will, besteht die Gefahr, dass es die noch junge Partei schon am Anfang vor eine Zerreißprobe stellt, die Wagenknechts Projekt Bundestagswahl gefährden könnte.

Katja Wolf hat es schon vor der Wahl in einem Interview mit dem Tagesspiegel auf den Punkt gebracht: "Mich hat die Wende 1989 sozialisiert. Ich mag keinen Personenkult, ich will kein Zentralkomitee, ich will kein Bild meines Parteivorsitzenden im Büro." Was Wolf andeutet, aber nicht ausspricht: In der DDR hing in jedem Büro ein Bild vom Staatsratsvorsitzenden, zuletzt noch von Erich Honecker und Egon Krenz.

Rote Linien für die CDU

Zu viel Nähe zum Sozialismus, zu viel Nähe zu linken Positionen. Auch in der CDU werden die Sondierungsgespräche in Thüringen und Sachsen kritisch gesehen. Es passt nicht zur DNA der CDU. Auch hier gab und gibt es Widerstände. Zuletzt auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Halle an der Saale. Die Einmischungen von Wagenknecht kommen hier nicht gut an.

Der CDU-Chef ist sicher kein Befürworter. Auch Merz weiß um die politische Sprengkraft eines solchen Bündnisses. Er selbst erwähnt Wagenknecht und ihr Bündnis mit keinem Wort. Merz will aber mit seiner Partei in den Ländern regieren. Er lässt den Landesverbänden in Sachsen und Thüringen wohl auch deshalb mehr Beinfreiheit. Sein Generalsekretär gibt den Scharfmacher. Carsten Linnemann macht in Halle klar, die CDU stehe für Westbindung. Die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland und die Unterstützung der Ukraine seien nicht verhandelbar. "Wir werden unsere Seele nicht verkaufen."

Als Einmischung will das die Bundes-CDU nicht verstehen. Vielmehr wohl als Botschaft an Wagenknecht: Bis hierher und nicht weiter. Für Wagenknecht heißt das vor allem: Verhandelt wird nicht in Berlin. Das müssen jetzt die Landesverbände in Sachsen und Thüringen entscheiden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 26. Oktober 2024 | 10:05 Uhr

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