Öffentlicher Dienst TV Stud: Noch kein Tarifvertrag für die studentisch Beschäftigten – aber einzelne Zusagen

10. Dezember 2023, 08:26 Uhr

Studentische Hilfskräfte hangeln sich schlecht bezahlt von einem kurzen Vertrag zum nächsten. In der Tarifrunde im öffentlichen Dienst der Länder wurde darum auch für bundesweit rund 300.000 studentische Beschäftigte ein Tarifvertrag (TV Stud) gefordert. Den gibt es nun noch nicht, immerhin aber weitere Verhandlungen, eine Regelvertragslaufzeit und Mindestentgelt.

Die Ergebnisse für studentische Beschäftigte

Mit ihrer Forderung nach einem bundesweit gültigen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Länder haben sich die Gewerkschaften und die Initiative TV Stud nicht durchsetzen können. Wie MDR AKTUELL aus Verhandlungskreisen nach Abschluss der Gespräche am Samstag in Potsdam erfuhr, gab es in dieser Frage nur die Zusage weiterer Gespräche unter anderem über Mindestentgelte in der Tarifrunde 2025.

In einem einfachen Vertrag wurde allerdings eine Regelvertragslaufzeit für studentische Beschäftigungen von einem Jahr vereinbart, die in begründeten Fällen über- oder unterschritten werden kann. Zudem soll das Mindestentgelt studentischer Beschäftigter ohne Abschluss ab Sommer 2024 auf 13,25 Euro pro Stunde steigen und ab dem Sommersemester 2025 auf 13,98 Euro.

Als studentische Hilfskraft arbeitet auch Lea Bellmann, seit mehr als zwei Jahren an der Technischen Universität in Dresden. Zunächst gab sie Tutorien, inzwischen ist sie in der Forschung beschäftigt. Mit den Umständen ihrer Tätigkeit ist die 22-jährige Soziologin allerdings nicht zufrieden:

"Als ich studentische Hilfskraft wurde, dachte ich, dass das doch eine große Ehre ist. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich die Arbeit gar nicht in der vereinbarten Arbeitszeit schaffen konnte. Hinzu kamen in den vergangenen Jahren jeweils sehr kurze Arbeitsverträge." Und zwischen den Anstellungen habe sie gebangt, ob ein nächster Vertrag überhaupt komme.

Überstunden, Kettenverträge und Mindestlohn

Neben unbezahlter Arbeitszeit und Kettenverträgen kritisiert Bellmann vor allem die Entlohnung: "Ich habe lange für den Mindestlohn gearbeitet. Seit ich einen Bachelor habe, bewegt es sich nur leicht darüber. Das reicht zum Leben nicht aus", berichtet sie. Es könnten aber nicht alle Studierenden auf Bafög und die Unterstützung der Eltern setzen, sagt Bellmann.

Aus all diesen Gründen engagiert sich die gebürtige Erzgebirgerin in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für einen bundesweiten Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte. Dabei geht es der angehenden Wissenschaftlerin auch um Wertschätzung. "Momentan sind wir die größte Tariflücke im öffentlichen Dienst."

Einziges Bundesland, das sich an einen Tarifvertrag für studentische Hilfskräfte bindet, ist – seit 2018 – Berlin: 12,96 Euro pro Stunde werden hier gezahlt, mit Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlung bei Krankheit.

Wir sind die größte Tariflücke im öffentlichen Dienst.

Lea Bellmann, studentische Hilfskraft

Forderung: Mehr Geld, Urlaub, Lohnfortzahlung

Bundesweit leben geschätzt mehr als 300.000 studentische Beschäftigte in dieser Lücke und 2022 waren allein in Sachsen 5.489 studentische Hilfskräfte angestellt. Bestrebungen für einen Tarifvertrag gibt es bereits länger: 2018 gründete sich eine gewerkschaftliche Initiative mit dem Namen "TV Stud".

Erfolg hatten die studentischen Hilfskräfte bisher aber nur in Berlin. Nun sollte es also eine bundesweite Lösung geben, in der Tarifrunde mit den Ländern. Die TV-Stud-Initiative und die Gewerkschaften Verdi und GEW forderten für studentische Beschäftigte dabei einen Brutto-Stundenlohn von 16,50 Euro, der bis zum dritten Beschäftigungsjahr auf 18,50 steigen sollte.

Zudem sollte es Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und eine Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten geben. Ohne bundesweit rund 300.000 studentische Beschäftigte bundesweit "würden die Hochschulen nicht laufen", meinte Mowa Techen, der für die TV-Stud-Initiative in der Verdi-Verhandlungskommission saß und als Student an der Friedrich-Schiller-Universität Jena beschäftigt ist.

Er hatte vor Ende der Verhandlungen dem MDR gesagt: "Wir brauchen endlich einen Tarifvertrag, der unseren prekären Arbeitsbedingungen ein Ende setzt."

Arbeitgeber zeigten sich verhandlungsbereit

Die Arbeitgeberseite lehnte die Forderung zunächst nicht direkt ab. Der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft der Länder, Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), sagte auf Anfrage von MDR AKTUELL im November: "Wir haben zu allen Forderungen der Gewerkschaften, auch die nach einer Tarifierung für studentische Beschäftigte, Möglichkeiten aufgezeigt, wie man den Anliegen der Gewerkschaften in einem für die Länder machbaren Umfang Rechnung tragen kann." Es liege in der Natur von Tarifverhandlungen, dass das die Erwartungen der Gewerkschaften allerdings noch nicht erfülle.

Jung - akademisch - prekär: Eine Bestandsaufnahme

  • In Sachsen verdienen studentische Beschäftigte im Schnitt 377,92 Euro pro Monat und gehen ihrer Tätigkeit im Durchschnitt 33,11 Stunden pro Monat laut Vertrag nach. Das geht aus einer bundesweiten Befragung studentischer Beschäftigter an Hochschulen und Forschungseinrichtungen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hervor.
  • Die Verträge von studentischen Beschäftigten in Sachsen laufen durchschnittlich über nur etwa 5 Monate, wobei mehr als 40 Prozent der Befragten noch kürzere Vertragslaufzeiten angaben. Dennoch arbeiten die Studienteilnehmer*innen bundesweit im Schnitt seit rund 20 Monaten auf der gleichen Stelle und schließen mit ihrem Arbeitgeber im Schnitt gut vier Verträge in Folge ab - meist auch für die gleiche Stelle.
  • Studentische Hilfskräfte kommen überdurchschnittlich häufig aus Akademikerfamilien. Bundesweit haben mindestens 61 Prozent der Befragten mindestens ein Elternteil mit (Fach-)Hochschulabschluss.
  • In Sachsen nehmen rund 41 Prozent der Befragten ihren Urlaub nicht vollständig in Anspruch – oft, weil sie nicht oder falsch über ihren Urlaubsanspruch informiert werden.


Quelle: GEW

Aktionstag mit Kundgebungen

Bis dahin wollten die studentischen Beschäftigten noch Druck aufbauen. Unter anderem gab es einen bundesweiten Aktionstag, unter dem Motto "Schluss mit prekärer Wissenschaft!" Kundgebungen fanden unter anderem in Leipzig, Dresden, Chemnitz, Magdeburg, Halle und Jena statt.

Lea Bellmann war zuversichtlich, dass es nun endlich etwas wird mit dem Tarifvertrag. "Aktuell stehen die Chancen so gut wie in den letzten 40 Jahren nicht. In ganz Deutschland setzten sich Hilfskräfte für einen Tarifvertrag ein und das gibt mir Hoffnung." Dabei geht für sie auch um die Karriere: "Ich sehe meine berufliche Zukunft eigentlich in der Wissenschaft. Vorher muss sich aber deutlich etwas verändern. Die schlechten Arbeitsbedingungen ziehen sich ja weiter bis in den akademischen Mittelbau."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 09. Dezember 2023 | 18:11 Uhr

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