Eine Patientin wird auf einer Station in der Charité in ihr Zimmer gebracht.
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Krankenhausreform Bundesweiter Klinik-Atlas jetzt online

17. Mai 2024, 15:31 Uhr

Der neue Klinikatlas ist jetzt freigeschaltet. Er soll einen besseren Überblick über Behandlungsmöglichkeiten und Fallzahlen geben, was eigentlich im Sinn der Patientinnen und Patienten wäre. Trotzdem gibt es Kritik daran.

Bürgerinnen und Bürger können sich jetzt online über Stärken und Schwächen der deutschen Krankenhäuser informieren. "Mit dem Bundes-Klinikatlas bieten wir Patientinnen und Patienten einen übersichtlichen Wegweiser durch den Krankenhaus-Dschungel in Deutschland", sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Über das Portal lassen sich Informationen über jedes der rund 1.700 Krankenhäuser abrufen. Patientinnen und Patienten sollen sehen können, welche Einrichtungen welche Eingriffe anbieten und wie oft.

Überblick über Kliniken und Behandlungen

Das soll funktionieren, indem die Kliniken verpflichtet werden, Daten an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zu übermitteln: Daten zu Fallzahlen, also zur Behandlungserfahrung des jeweiligen Krankenhauses, zum Personalschlüssel bei Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften sowie zu den Komplikationsraten ausgewählter Eingriffe. Der Datenvergleich soll es dann ermöglichen, welche Klinik für welchen Eingriff spezialisiert ist.

Bessere Abschätzung von Folgen geplant

Die Idee dahinter ist, dass die Krankenhäuser in Deutschland effizienter und dadurch günstiger werden. Gleichzeitig soll die Behandlungsqualität besser und eine flächendeckende medizinische Versorgung erreicht werden.

Ab Oktober sollen die Kliniken dafür in 65 Leistungsgruppen eingeteilt werden und künftig nicht mehr alle jede Art von Behandlung anbieten. Größere Krankenhäuser könnten sich dadurch zunehmend spezialisieren, während kleinere vor allem die Grundversorgung in der Region abdecken sollen.

Hintergrund Das Krankenhaus-Transparenzgesetz mit dem Online-Klinikatlas ist Teil der geplanten Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Ziel ist, dass die Bürger sich über die Leistungen der Krankenhäuser besser informieren und entscheiden können, wo sie sich behandeln lassen. Lauterbach hat mehrfach die Bedeutung von mehr Transparenz und Spezialisierung betont: Ungefähr ein Drittel etwa der Krebspatienten werde derzeit nicht dort behandelt, wo optimale Ergebnisse zu erwarten wären.

Noch in diesem Jahr bekommen die Länder laut Lauterbach ein neues Instrument für die Krankenhausplanung zur Folgenabschätzung. So können die Auswirkungen bewertet werden, wenn an bestimmten Kliniken einzelne Leistungsangebote gestrichen werden.

Dafür sei Deutschland in 84.000 Zellen zu je 1.000 Einwohner eingeteilt worden, um etwa zu prüfen, wie viele Häuser etwa Wirbelsäulen-Chirurgie anbieten, wo das für die Sicherstellung der Versorgung nötig wäre und wo der Wegfall dieses Angebots ausgeglichen werden könnte. 

Kritik: Versteckte Strukturbereinigung

Die Länder fürchten, dass der Bund durch die Hintertür ihre Hoheit bei der regionalen Krankenhausplanung einschränkt. Der Vorwurf: Lauterbach wolle das Transparenzgesetz dazu nutzen, den Häusern konkrete Leistungsgruppen zuzuweisen und sie in Level einzuteilen. Indirekt gehe es dem Minister um eine versteckte Strukturbereinigung. Im Gesetz heißt es, der Klinikatlas habe keine Auswirkungen auf die Krankenhausplanung der Länder habe.

Sozialverband: Level sorgen für Verwirrung

Der Sozialverband VdK kritisiert, dass die Einteilung in Level beziehungsweise Leistungsgruppen zu Verwirrung bei Patientinnen und Patienten führen kann. Diese habe keine praktische Relevanz für die stationäre Versorgung. Es müsse dafür immer auf die Bewertung in der entsprechenden Leistungsgruppe geschaut werden. Außerdem sei der Krankenhausatlas nicht ausreichend barrierefrei, bemerkt der Verband. Und: Faktoren wie Mortalität oder Hygienestandards sollten ebenfalls enthalten sein.

Stiftung Patientenschutz: Atlas "ungeeignet"

Die Stiftung Patientenschutz hält eine Krankenhausreform für notwendig. "Schließlich sind Ballungszentren überversorgt und ländliche Regionen bluten aus. Um diese gefährliche Entwicklung zu stoppen, muss zumindest die klinische Grundversorgung in strukturarmen Gebieten gesichert sein", sagte Vorstand Eugen Brysch. Patienten und Angehörige litten unter fehlenden Ansprechpartnern, Verschiebungen von Untersuchungen, Wartezeiten und Terminabbrüchen.

Der vorgesehene Klinikatlas sei aber ungeeignet. Darin werde nur die Zahl der Beschäftigten zur Zahl der Betten, der Zahl an Behandlungen sowie zu Komplikations- und Sterblichkeitszahlen ins Verhältnis gesetzt: "Es mangelt nach wie vor an verbindlichen Leitlinien und Bewertungsfaktoren" für die Arbeit am und mit dem Patienten.

Es mangelt nach wie vor an verbindlichen Leitlinien und Bewertungsfaktoren, die die Arbeit am und mit dem Patienten in den Blick nehmen.

Eugen Brysch Vorstand Stiftung Patientenschutz

Die CDU wiederholte zum Start des Portals ihre bisherige Kritik daran. Ihr Gesundheitspolitiker Tino Sorge bezweifelte am Freitag im ZDF, dass der Klinikatlas tatsächlich mehr Transparenz bringe. Dieser sei "quasi der zweite Schritt vor dem ersten", weil vor der Krankenhausreform noch nicht klar sei, welche Häuser letztendlich blieben.

Die Bundesärztekammer und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) erklärten, der neue Online-Atlas bringe wenig neue Informationen und viel zusätzliche Bürokratie. Alle Krankenhäuser legten bereits seit langem Berichte über ihre Aktivitäten vor, etwa im Deutschen Krankenhausverzeichnis.

Das Deutsche Krankenhausverzeichnis

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft veröffentlicht und aktualisiert jährlich seit mehr als zwei Jahrzehnten das Deutsche Krankenhausverzeichnis. Für jedes Krankenhaus könnten Patienten dort schon Informationen zu Behandlungsangeboten, Fallzahlen, Personalausstattung und Qualität sehen.

Der neue Krankenhausatlas ersetzt das Angebot der Krankenhausgesellschaft allerdings nicht: Er soll laut Gesundheitsministerium neben den zusätzlichen Daten vor allem auch die Möglichkeit einer Bewertung der Alternativen durch die Patienten bieten. So sei etwa die Angabe von Fallzahlen ohne Bezugsgröße – wie im Verzeichnis der DKG – nicht aussagekräftig.

mit KNA, AFP, epd, MDR

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 17. Mai 2024 | 06:26 Uhr

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