Christian Lindner, FDP-Parteivorsitzender und ehemaliger Bundesfinanzminister, während der Wahlkampfveranstaltung in Kiel, Schleswig-Holstein 6 min
Video: Christian Linder im Interview mit MDR AKTUELL. Bildrechte: picture alliance / Chris Emil Janßen | Chris Emil Janssen

FDP-Spitzenkandidat im Porträt Christian Lindner – der Unbeirrbare

07. Februar 2025, 13:26 Uhr

Christian Lindner führte die FDP zurück in den Bundestag, nun droht mit ihm an der Spitze wieder der Rauswurf aus dem Parlament. Lindner stellt sich als prinzipientreu dar, Gegner werfen ihm eine Blockadehaltung vor.

MDR AKTUELL Mitarbeiter Alexander Laboda
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Wenn Christian Lindner dereinst in den politischen Ruhestand geht, wird ein Ausspruch von ihm bleiben: "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren". Gesagt hat der FDP-Chef dieses Bonmot nach den gescheiterten Sondierungsgesprächen zwischen Liberalen, Union und Grünen 2017. Zum Bruch der Ampel-Koalition fast genau sieben Jahre später hätte er den Satz wiederholen können. Stattdessen sagte er etwas ausführlicher: "Wir haben als Freie Demokraten jetzt fast drei Jahre staatspolitische Verantwortung getragen" – und zwar "bis an den Rand des Sinnvollen und Verantwortbaren".

Standhaftigkeit oder Blockadehaltung?

In einem wie im anderen Fall zeigte sich Lindner unbeirrbar. Der 46-Jährige verwies auf "klare Prinzipien und Überzeugungen". Dazu gehören für den FDP-Frontmann ein weniger Sozialausgaben, niedrigere Steuern und ein schlanker Staat. Für Aufsehen sorgte in Mitteldeutschland etwa sein Vorstoß, das Umweltbundesamt in Dessau abzuschaffen. All diese Vorstellungen waren mit SPD und Grünen nicht umzusetzen. Deshalb gibt es jetzt Neuwahlen. Das ist zumindest Lindners Version der Geschichte.

Die Gegenseite stellt Lindners Unbeirrbarkeit hingegen als sture Blockadehaltung dar. Kanzler Olaf Scholz sagte nach dem Ampelbruch über seinen dann Ex-Finanzminister: "Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert. Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert." Der Vorwurf, dass Lindner die Partei über das Land stellt, war auch schon 2017 bei den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen aufgekommen.

Nach dem Ampel-Aus verstärkte die sogenannte "D-Day-Affäre" diesen Eindruck in der Öffentlichkeit. Ein internes "Arbeitspapier" und anonyme Aussagen von Mitarbeitern legten nahe, dass die FDP-Spitze den Bruch der Koalition länger geplant und forciert hat. Lindner und sein Generalsekretär Bijan Djir-Sarai behaupteten, von dem Papier nichts gewusst zu haben. Djir-Sarai trat auf öffentlichen Druck dennoch zurück, während Lindner dabei blieb, die Partei auch in den neuen Wahlkampf zu führen.

Konkurrenzlos an der FDP-Spitze

Wahlplakat in Stuttgart der Partei FDP zur Bundestagswahl 2025.
Auch auf den FDP-Wahlplakaten für die Bundestagswahl 2025 prangt meist Christian Lindner. Bildrechte: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer

Innerparteiliche Kritik an Lindner kam trotz des Skandals nicht auf. Der gebürtige Wuppertaler, der bereits im Alter von 14 Jahren bei den Jungen Liberalen eintrat, führt die FDP bereits seit 2013 an – und damit inzwischen länger als Parteiikone Hans-Dietrich Genscher (FDP-Chef 1974-1985). Lindner ist konkurrenzlos das Gesicht der Partei. Die schwarz-weißen Plakate mit seinen Porträts prägen seit Jahren die Wahlkämpfe der FDP.

Auch Lindner selbst lässt keinerlei Unsicherheit ob des Scheiterns als Minister erkennen. Der "Stern" nannte ihn vor wenigen Jahren einen "Mann ohne Zweifel", immer "geschliffen in der Formulierung, selbstsicher in der Sache". Als ihn Anfang des Jahres eine Frau mit einer Schaumtorte attackierte, beschwerte er sich Sekunden später und noch mit verschmiertem Gesicht lediglich darüber, dass die Angreiferin Seife statt Sahne verwendet habe.

Werben für Schwarz-Gelb

Bei allem Selbstbewusstsein müssten Lindner die Umfragewerte seiner Partei Sorge bereiten. Seit Monaten steht die FDP unterhalb der Fünf-Prozent-Marke, die für den Einzug in den Bundestag erforderlich ist. Im Wahlkampf wirbt er offen für ein Regierungsbündnis mit der Union von Friedrich Merz. Nur mit der FDP sei ein echter Kurswechsel in der Wirtschafts- und Migrationspolitik möglich, ist er überzeugt. In einer Koalition mit SPD oder Grünen könne Merz seine Vorstellungen nicht durchsetzen.

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Eine Frau wirft Christian Lindner Schaum ins Gesicht. 1 min
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Schaumangriff auf Christian Lindner: Bei einer Wahlkampfveranstaltung der FDP in Greifswald bekam der ehemalige Bundesfinanzminister eine "Torte" aus Rasierschaum ins Gesicht. Verletzt wurde er nicht.

MDR FERNSEHEN Do 09.01.2025 17:51Uhr 00:43 min

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Ob dieser Lagerwahlkampf verfängt, wird der 23. Februar zeigen. In den mitteldeutschen Ländern schwankte der Zuspruch für die Partei in der Vergangenheit stark. Bei der Bundestagswahl 2021 erreichten die Liberalen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Werte zwischen neun und elf Prozent. Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen im vergangenen Jahr waren es jeweils aber nur noch rund ein Prozent der Listenstimmen.

Sollten die Liberalen aus dem Bundestag ausscheiden, dann stünde die Partei wieder dort, wo Lindner sie 2013 übernommen hatte, als Fall für eine "Totalsanierung" ("Frankfurter Allgemeine Zeitung"). Für den einstigen Hoffnungsträger würde das wohl den vorzeitigen politischen Ruhestand bedeuten. Lindner hätte dann zumindest mehr Zeit für die Familie. Im Frühjahr erwartet er mit seiner zweiten Ehefrau Franca Lehfeldt ein Kind.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 23. Februar 2025 | 18:00 Uhr

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