"Meinung zu Gast" CDU-BSW-Koalition: Ein Wagnis für beide Seiten
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28. Juni 2024, 05:00 Uhr
Die CDU will nicht mit der AfD und auch nicht mit den Linken. Das BSW könnte sie aus einer misslichen Lage befreien aber das ist ein Wagnis für beide Seiten, kommentiert "Meinung zu Gast"-Autor Kai Kollenberg von der "Leipziger Volkszeitung".
Das Sommerloch hat sein politisches Thema gefunden – zum Leidwesen der CDU. Die Landesverbände in Sachsen und Thüringen haben in diesen Sommertagen ihre liebe Mühe mit einer Debatte, die sie gerne vermeiden würden. Die neuen Umfragen lassen es wahrscheinlich erscheinen, dass nach dem 1. September in beiden Bundesländern besondere Koalitionen regieren.
Koalitionen, in der neben der CDU auch das BSW von Sahra Wagenknecht beteiligt wäre. Ein solches Rechts-Links-Bündnis mag vielen pragmatisch anmuten. Für die Union ist es dennoch ein Wagnis. Und für das BSW erst recht.
Meinung zu Gast In der Rubrik "Meinung zu Gast" analysieren und kommentieren Medienschaffende aus Mitteldeutschland Transformations- und Veränderungsthemen: faktenbasiert, pointiert und regional verortet. Die Beiträge erscheinen freitags auf mdr.de und in der MDR AKTUELL App. Hören können Sie "Meinung zu Gast" dann jeweils am Sonntag im Nachrichtenradio MDR AKTUELL.
CDU will nicht mit AfD und Linken – ist das BSW die Lösung?
Sicherlich: Das BSW könnte die CDU aus einer misslichen Lage befreien. Sowohl in Thüringen als auch in Sachsen ist die CDU darauf bedacht, den gleichen Abstand zur Linken wie zur AfD zu halten. Die Bundespartei hat dies sogar zum Dogma erklärt: Linke und AfD werden als Koalitionspartner gleichermaßen ausgeschlossen.
Das hat jahrelang funktioniert, solange die CDU als klarer Sieger aus Landtagswahlen hervorging. In Thüringen verhindert die Gleichsetzung von Linken und AfD durch die Union aber seit fünf Jahren eine stabile Regierung. In Sachsen musste sich die CDU noch vor Wochen fragen lassen, wie sie angesichts der eigenen Schwäche überhaupt eine Koalition nach der Wahl zusammenbringen wolle.
Das BSW wirkt da wie die Rettung in der Not. Kein Beschluss bindet die CDU, es nicht mit den "Wagenknechten" zu versuchen. Selbst wenn sich beim BSW eine Vielzahl gescheiterter Linker tummelt: Formal handelt es sich beim BSW gerade nicht um die Linke.
BSW bleibt "wilde Mischung"
Den einen in der CDU mögen die BSW-Mitglieder und ihre politischen Ziele nach wie vor zuwider sein. Die anderen wollen sich dieser Machtoption nicht berauben lassen. Sie setzen darauf, dass es ausreichend Realpolitiker beim BSW gibt. Zumal BSW wie CDU trotz ihrer ideologischen Unterschiede die gleichen Wählerinnen und Wähler umschmeicheln: nämlich den Teil der Mittelschicht und des Kleinbürgertums, der aus Kostengründen mit der grünen Ideologie fremdelt.
Das BSW bleibt trotzdem eine wilde Mischung: Enttäuschte Alt-Marxisten, besorgte Sozialpolitiker, Dogmatiker, Russlandfreunde, Friedensbewegte und Quereinsteiger werden allenfalls durch ihre Faszination für die Polit-Ikone Sahra Wagenknecht zusammengehalten. Auch der Wille, es auf Anhieb in den sächsischen und thüringischen Landtag zu schaffen, lässt die Mitglieder manchen möglichen Konflikt untereinander vergessen. Das kann sich ändern.
BSW: Schon andere neue Parteien am Erfolg gescheitert
Derartige Bedenken treiben das BSW nicht um. In Sachsen beispielsweise ist die Landesspitze voller Tatendrang. Sie kann es kaum erwarten, nach der Wahl in Koalitionsgespräche einzusteigen. Man berauscht sich an den Erfolgsaussichten. Die Katerstimmung danach ist nicht eingepreist.
Niemand bremst die eigene Euphorie. Ähnliche Konstellationen haben ganz andere Parteien zerrissen: Die Piraten haben sich von ihren ersten Wahlsiegen nie wieder erholt. Die westdeutschen Grünen waren auf das ostdeutsche Bündnis 90 angewiesen, um zu überleben.
Viele Sächsinnen und Sachsen sähen es laut Umfragen positiv, falls das BSW die Geschicke in Sachsen mitbestimmt. Vielleicht wird es so kommen. Darauf wetten, dass das BSW in fünf Jahren in der heutigen Form besteht, sollte aber niemand. Eher siegt sich das BSW zu Tode.
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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 30. Juni 2024 | 09:35 Uhr