Leere Plattenbauten
Der Plattenbau "Scheibe C" wird bereits seit einigen Jahren umgebaut. Bildrechte: Umschau MDR

DDR-Architektur Wie DDR-Hochhäuser wiederbelebt werden

14. Januar 2025, 16:03 Uhr

Noch erhaltene Hochhäuser aus DDR-Zeiten wieder nutzbar zu machen, ist oft schwieriger als gedacht. In Halle, Leipzig und Gotha gibt es Projekte, durch die in die Blöcke wieder Leben einziehen soll. Wir werfen einen Blick auf die Vorhaben und welche Probleme es bei der Umsetzung gibt.

"Scheibe" in Halle: Innovatives Dämmmaterial für besseres Raumklima

In den 70er-Jahren entstanden in Halle unter anderem fünf Hochhäuser, die in der Stadt als "Scheiben" bekannt sind. Im Laufe der Zeit wurden sie bereits teilweise renoviert. Die "Scheibe C" wird seit fünf Jahren vom Hamburger Investor Michael Schmidt umgebaut.

In der "Scheibe C" soll in den zwei unteren Etagen ein sogenanntes Foodcorner – ein Imbisszentrum – entstehen, darüber vier Etagen mit Mietboxen als Lagerfläche, ab Etage fünf ein Wohnheim für Studenten und Kurzzeitmieter, mit 280 möblierten Einraum- und 28 Zweiraumapartments.

Schmidt nahm auch innovative Erweiterungen am Baukörper der Scheibe vor: "Wir haben das Gebäude um zwei Meter Tiefe für die Wohnfläche verlängert und haben daran nochmal zwei Meter Balkon angebracht. Jetzt hat eine Einheit rund 30 Quadratmeter Wohnfläche plus den Balkon."

Auch bei der Isolierung geht der Investor neue Wege. Gemeinsam mit Partnern entwickelte er aus der Moorpflanze Paludi einen neuen Dämmstoff. "Erstens sind die komplett ökologisch abbaubar. Das heißt, sie können so eine Platte später nehmen und einfach in den Garten schmeißen und die vergammelt. Zweitens sorgt sie für ein sehr gutes Wohnklima. Das bedeutet, im Sommer haben Sie es ungefähr drei Grad kälter und im Winter circa drei Grad wärmer. Das entscheidende ist auch: Sie haben keinen Schimmel mehr in der Wohnung." Denn die neuen Paludiplatten könnten Feuchtigkeit aufnehmen und auch wieder abgeben. Am Ende des Jahres sollen die gewerblich genutzten Untergeschosse fertig sein. Spätestens in zwei Jahren auch die flexibel gestalteten Wohnbereiche.

Michael Schmidt
Investor Michael Schmidt zeigt eine Platte des innovativen Dämmstoffs. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Vorhaben zieht sich hin

Allerdings: Einige Hallenser glauben nicht mehr wirklich an die Fertigstellung der Dauerbaustelle. Dazu sagt Investor Michael Schmidt im MDR-Magazin Umschau: "Auf Grund dessen, dass wir den Ausbau dieses Gebäudes modular machen wollen, sind einfach erst einmal bestimmte Voraussetzungen zu schaffen. Da sind wir dabei. Wenn diese Voraussetzungen geschaffen sind, dann werden viele Hallenser sich gar nicht vorstellen können, wie schnell plötzlich dieses Gebäude fertig gestellt wird."

Bereits 2015 hat der private Investor den Block für nur einen Euro vom Land Sachsen-Anhalt gekauft. Zwölf Millionen Euro hat er schon investiert. Insgesamt rechnet er mit Kosten von 45 Millionen Euro. Die Bauverzögerungen haben verschieden Gründe: Corona, Lieferengpässe, die Sicherung der Statik, Finanzierungsprobleme.

Technisches Rathaus in Leipzig: Neubau oder Sanierung?

In der Prager Straße in Leipzig steht die Invest-Ruine des alten Technischen Rathauses. Eigentlich sollten in dem alten Stahlskelettbau aus DDR-Zeiten Wohnungen entstehen, doch seit fünf Jahren passiert nichts. 2024 hat die Stadt das Grundstück und den entkernten Bau erworben. Der Plan: Abriss und Bau eines neuen Technischen Rathauses an gleicher Stelle.

Doch es gibt Widerstand gegen die Abrisspläne der Stadt. Der Bund Deutscher Architekten forderte in einem Offenen Brief, den Rückbau zu stoppen und die vorhandene Bausubstanz zu nutzen. Ihnen geht es um die Themen Nachhaltigkeit und CO2. "Es geht darum, die Masse, die da gebunden ist, zu erhalten und nicht zu entsorgen um dann an gleicher Stelle dieselbe Masse an CO2 wieder hinzustellen", erklärt Wolf-Heiko Kuppardt vom Bund Deutscher Architekten in der Umschau. Beim Abriss müssten 15.000 Kubikmeter Bauschutt per LKW quer durch die ganze Stadt abtransportiert werden. Hinzu käme die Feinstaubbelastung.

Neben der Kritik des Bunds Deutscher Architekten kommen aufgrund der Kosten auch bei immer mehr Städträten Zweifel an den Abrissplänen auf. 250 Millionen Euro sind für Rück- und Neubau geplant. Die Fraktion der Grünen im Stadtparlament sieht Einsparpotenzial, wie Tobias Peter erläutert: "Einerseits dadurch, dass man sich den Abriss spart. Man hat eine Gebäudehülle, einen Gebäudekern, den man ja nicht noch einmal neu errichten muss." Andererseits spare man sich Kosten für eine Kompensation des CO2s, das in dem Stahlbetonskelett steckt. "Da sind wir auf 67 Millionen gekommen und wenn wir dann noch einmal Baunebenkosten dazu rechnen, sind wir bei circa 83 Millionen Euro, die man sparen wird", sagt er.

Plattenbau
Das Gebäude ist 40 Meter hoch, 21 Meter tief und fast 200 Meter lang. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Lösung muss bis 2029 umgesetzt sein

Aktuell ist das Technische Rathaus in einem angemieteten Bürokomplex untergebracht. Der Mietvertrag läuft 2029 aus. Bis dahin könnte der Neubau stehen. Der Umbau des alten Rathauses, so die Befürchtung, könnte dagegen länger dauern. Doch die Befürworter des Umbaus sind optimistisch. "Der Abriss würde 18 Monate dauern, bis er wirklich vollzogen worden ist. Bis dahin kann man ja ohnehin nichts auf der Fläche machen. Und in der Zeit kann man ohne Weiteres auch eine Planung auf die Beine stellen, die dann wirklich für den Erhalt und den Umbau dieses Gebäudes spricht", meint Tobias Peter. 

Kritisch schaut auch die Architekturhistorikerin Annette Menting auf die Abrisspläne der Stadt. Sie widerspricht den Befürchtungen aus dem alten Betonraster könne keine moderne Architektur entstehen: "Es gibt wunderbare Beispiele für das Umbauen von Bestandsbauten, die zu DDR-Zeiten entstanden sind. Die bekommen eine andere Fassadenanmutung, eine andere Materialität. Das kann von Metall zu anderen Materialien bis zu Holz gehen. Also man hat da auch schon Beispiele, wie man qualitätvoll Bestand umbaut."

Es gibt wunderbare Beispiele für das Umbauen von Bestandsbauten, die zu DDR-Zeiten entstanden sind. Die bekommen eine andere Fassadenanmutung, eine andere Materialität.

Annette Menting, Architekturhistorikerin, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig

All diese Argumente führten zum Umdenken – auch in der Leipziger Stadtverwaltung. Im Dezember 2024 erklärte Baubürgermeister Thomas Dienberg, eine Weiterentwicklung des Rohbaus wäre fachlich möglich und wirtschaftlich vorteilhaft: "Die Stadtverwaltung nimmt diese Expertise nun in die Planungen für das Verwaltungszentrum auf; eine eventuelle Weiternutzung des Stahlbetonskeletts wird Teil der weiteren Planungsschritte."

Noch im ersten Quartal 2025 soll die Leipziger Ratsversammlung erneut über Abriss oder Nachnutzung des alten Technischen Rathauses abstimmen. Die Chancen stehen gut, dass der Baukörper doch erhalten bleibt.

Wohnblock mit Schlossblick in Gotha: entkernt und neu strukturiert

In der Moßlerstraße in Gotha wird derzeit der letzte bisher unsanierte Plattenbau der Stadt umgebaut. Die Firma Neo Estates München investiert acht Millionen Euro, um aus dem alten WBS70-Block eine moderne Wohnanlage zu erschaffen. "Es war ein Aufzug vorhanden, der aber nur in jeder dritten Etage hielt und der deshalb mehrere Verteilergänge notwendig machte, die natürlich zu Lasten der Wohnfläche gingen. Das wurde jetzt alles entkernt und die Wohnungen wurden völlig neu aufgeteilt", erläutert Rüdiger Topf, der Projektleiter. In Zukunft bekommt jeder der vier Eingänge einen eigenen Fahrstuhl. Acht Betondecken mussten für die Stahlgerüste der neuen Aufzüge durchbrochen werden. Für die Statiker war das eine Herausforderung.

In den oberen Geschossen mit Schlossblick entstehen Fünfraumwohnungen mit über 100 Quadratmetern. Die Südseite bekommt neue Balkone. Der Mietpreis steht noch nicht fest. Der Quadratmeter wird um die zehn Euro kosten. Schon jetzt gibt es erste Mietinteressenten.

Nachfrage wegen steigender Einwohnerzahl

Gotha hat nach der Wende ein Viertel seiner Einwohner verloren. Doch die Zeit des Schrumpfens ist vorbei. Gut angebunden an Erfurt profitiert man in Gotha vom überhitzten Wohnungsmarkt der Landeshauptstadt. "Die Einwohnerzahl der Stadt wächst seit etwa acht Jahren leicht, aber seit fünf Jahren stetig, dass sich Menschen wieder auf die Stadt besinnen", erzählt Knut Kreuch (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Gotha. Dabei seien alle Altersgruppen vertreten. "Aber auch Menschen, die zum Beispiel nach 1990 sich ihren Eigenheimtraum auf dem Land erfüllt haben und jetzt sagen: 'Die Kinder sind aus dem Haus, jetzt verkaufe ich meine Immobilie und komme wieder zurück in meine Heimatstadt'", sagt er.

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MDR (jvo)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Umschau | 14. Januar 2025 | 20:15 Uhr

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