Ein Soldat vor einem Airbus A400M der Luftwaffe der Bundeswehr
Die deutsche Luftwaffe wird gemeinsam mit Nato-Partnern vom 12. bis 23. Juni über Deutschland und Europa üben. Bildrechte: IMAGO / localpic

"Air Defender 23" Achtung, Tiefflieger: Nato übt im Juni über Teilen Ostdeutschlands den Luftkampf

08. Juni 2023, 11:12 Uhr

Während des Kalten Krieges waren die Menschen in Deutschland daran gewöhnt, dass häufig Kampfflugzeuge über ihren Köpfen hinwegdonnerten, gerne auch in relativ geringer Höhe. Doch in den vergangenen Jahren sind insbesondere Tiefflüge von Kampfflugzeugen seltener geworden - Folge der Schrumpfung der Luftwaffe und der Schließung von Flugplätzen. Vom 12. bis 23. Juni ist militärisch wieder mehr los im deutschen Luftraum: Die Nato hält ihre Übung "Air Defender 23" ab.

Porträt Autor Dirk Reinhardt
Bildrechte: MDR/Dirk Reinhardt

"Was bedeuten die verstärkten Tiefflüge im Bereich Meiningen, Dienstag, 15 Uhr?" Anfragen wie diese E-Mail eines Mannes aus Südthüringen erreichen immer mal wieder den MDR. Denn dass Kampfflugzeuge im Tiefflug über Thüringen donnern, ist nicht gerade Alltag. Militärflugplätze gibt es hier nicht. Der einzige ostdeutsche Standort, auf dem Kampfflugzeuge der Bundeswehr stationiert sind, ist Rostock-Laage in Mecklenburg-Vorpommern. 

Zahl der Militär-Flugzeuge und -Tiefflüge seit 1990 deutlich reduziert

Während des Kalten Krieges hatte es in beiden Teilen Deutschlands über 100 Militärflugplätze gegeben, auf denen über 2.200 Kampfflugzeuge der Bundeswehr, der Nationalen Volksarmee sowie ihrer jeweiligen Verbündeten stationiert waren. Und die hatten fleißig trainiert: Laut Bundeswehr wurden noch im Jahr 1990, dem Jahr der deutschen Wiedervereinigung, 76.600 Flugstunden im Tiefflug (also in einer Flughöhe zwischen 300 und 500 Metern über dem Boden) absolviert. Heute sind laut Bundeswehr noch rund 750 militärische Luftfahrzeuge in Deutschland stationiert. Im Jahr 2016 kamen die Piloten der Luftwaffe nur noch auf 826 Tiefflug-Stunden. 

Militärische Flugbewegungen über Deutschland Laut dem "Militärischen Luftfahrthandbuch" der Bundeswehr ist das gesamte Territorium der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich für den militärischen Flugbetrieb freigegeben.

Der Flugbetrieb des Militärs umfasst laut Handbuch "Schutzflüge", die zur unmittelbaren Verteidigung Deutschlands und von Nato-Mitgliedsstaaten notwendig sind, "Übungsschutzflüge" (Training zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Luftverteidigung) sowie Flüge im Rahmen des Schutzes von Großveranstaltungen zur Abwehr einer potenziellen Gefährdung. Eine Gefährdungslage muss zuvor von den zuständigen Behörden festgestellt werden.

Für Tiefflüge von Militärflugzeugen gelten strenge Regelungen: Sie müssen in einer Mindesthöhe von 305 Metern stattfinden, Unterschreitungen müssen vom Verteidigungsministerium genehmigt werden. Tiefflüge von Transport- und Sonderflugzeugen sind grundsätzlich untersagt, Ausnahmen müssen genehmigt werden. Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern dürfen von Militärflugzeugen nur in Höhen von mindestens 600 Metern überflogen werden. In der Regel dürfen Tiefflüge nur werktags von 8.00 bis 16.30 Uhr stattfinden, dabei muss eine Mittagsruhe von 11.30 bis 12.30 Uhr beachtet werden.

Doch zurück zur E-Mail aus Südthüringen. Eine Nachfrage beim Luftfahrtamt der Bundeswehr in Köln bringt Klärung: "Die Auswertung der Radardaten vom 9. Mai 2023 zeigt zwei Kampfflugzeuge der Bundeswehr vom Typ Tornado des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33", heißt es in der schriftlichen Antwort der Behörde.

Trainingsflug über Südthüringen

Die beiden Flugzeuge seien "im Zeitraum von 14:52 bis 15:07 Uhr Ortszeit nördlich von Meiningen mehrere Kreise in Höhen zwischen 1.960 Fuß (ca. 595 Meter) über Grund und 3.605 Fuß (ca. 1.100 Meter)" geflogen. Das Flugprofil lasse auf einen Einsatz zur Übung von Verfahren der Luftnahunterstützung schließen. Mit anderen Worten: Die beiden Tornados aus Büchel in Rheinland-Pfalz haben den Kampf gegen feindliche Bodentruppen zur Unterstützung eigener Soldaten trainiert. Eine normale Übung ohne besonderen Anlass, heißt es dazu vom Luftwaffengeschwader 33 auf MDR-Anfrage.

Seit dem Einmarsch russischer Truppen in der Ukraine im Februar 2022 und angesichts des dort andauernden Krieges blicken in Deutschland viele Menschen aufmerksamer aufs Militär. Und fragen sich, was es zu bedeuten hat, wenn Fahrzeuge der Bundeswehr oder von anderen Nato-Armeen in Kolonnen über Straßen rollen oder in Bahnhöfen mit Panzern beladene Züge stehen. Umso mehr Aufmerksamkeit erregen da Kampfflugzeuge am Himmel über Thüringen, Sachsen oder Sachsen-Anhalt.

Luftfahrtamt der Bundeswehr klärt über Militärflüge auf

Wer ein Militärflugzeug beobachtet und wissen will, was es damit auf sich hat, kann direkt beim Luftfahrtamt der Bundeswehr nachfragen. Das hat ein kostenfreies Bürgertelefon unter der Rufnummer 0800 – 86 20 730 geschaltet, das werktags besetzt ist. Dort kann man sich nicht nur erkundigen, sondern auch über Fluglärm beschweren oder möglicherweise entstandene Schäden durch Flugbewegungen melden.

Bürgertelefon für Anfragen zu militärischem Flugverkehr Das Luftfahrtamt der Bundeswehr bietet ein kostenfreies Bürgertelefon unter der Rufnummer

0800 - 86 20 730

für Anfragen zu Flugzeug-Bewegungen, Lärmbelästigung durch tieffliegende Kampfflugzeuge und ähnliche Themen an. Die Hotline ist werktags besetzt.

Nato-Übung "Air Defender 23" vom 12. bis 23. Juni

Vom 12. bis 23. Juni wird das Bürgertelefon beim Luftfahrtamt vermutlich pausenlos klingeln. In diesem Zeitraum findet über Deutschland und einigen Nachbarländern die Nato-Übung "Air Defender 23" statt. Daran sind nach Angaben der Luftwaffe rund 10.000 Soldaten und Soldatinnen aus 25 Nationen beteiligt - hauptsächlich von Nato-Mitgliedern, aber auch aus Japan sowie dem Nato-Anwärter Schweden.

Über 250 Flugzeuge und Hubschrauber sind im Einsatz. 100 davon kommen aus den USA - denn das ist laut Luftwaffe und Nato der Hauptzweck der Übung: das Verlegen von größeren Kampfverbänden über größere Strecken zu trainieren. Eine ähnliche Übung der Nato-Landstreitkräfte fand Anfang Mai unter Beteiligung von Bundeswehr-Einheiten aus Thüringen und Sachsen auf Sardinien statt.

Luftraum über Sachsen wird für Nato-Übung genutzt

Neben dem Verlegen von Flugzeugen soll bei "Air Defender" auch der Luftkampf trainiert werden. Dafür sind drei "Übungslufträume" festgelegt worden. Einer davon - der Übungsraum "Ost" - umfasst nahezu den gesamten Osten Deutschlands - ausgenommen sind Thüringen und Sachsen-Anhalt.

In ausgewählten Bereichen des "Übungsluftraums Ost" werde es auch Tiefflüge mit einer Mindestflughöhe von 150 Metern geben, teilte die Luftwaffe auf Anfrage von MDR THÜRINGEN mit. Betroffen davon sei aber hauptsächlich Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen nicht. Ansonsten lägen die Mindestflughöhen für die beteiligten Flugzeuge bei 2.400 Metern. Es sei mit circa 80 Flugbewegungen pro Tag in den einzelnen Übungsräumen zu rechnen, so die Luftwaffe.

Um ihren Nachtschlaf müssen die Menschen im "Übungsluftraum Ost" laut Ankündigung der Luftwaffe während "Air Defender 23" nicht fürchten. Flüge sind hier nur werktags von 10 bis 14 Uhr geplant. Nachts und am Wochenende finden keine Übungsflüge statt, heißt es.

Auswirkungen auf Zivilluftfahrt noch unklar

Wer indes mit dem Flugzeug verreisen will, muss - so die Bundeswehr - mit Verspätungen bei zivilen Linienflügen rechnen, da die drei "Übungslufträume" während der Nato-Übung zeitweise für den zivilen Luftverkehr gesperrt sein werden. Während die Bundeswehr von möglichen Verspätungen "im Minutenbereich" spricht, erwartet die Gewerkschaft der Flugsicherung (GDF) massive Störungen.

MDR AKTUELL

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 07. Juni 2023 | 17:36 Uhr

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