Zwei Umweltaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“ stehen in der Gemäldegalerie Alte Meister an dem Gemälde „Sixtinische Madonna“ von Raffael.
Klebe-Aktion der "Letzten Generation" in Dresden. Mit der Wahl von "Klimaterroristen" zum Unwort des Jahres kritisiert die Unwort-Aktion den öffentlichen Diskurs um diese und ähnliche Aktionen. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Sprachkritische Aktion "Klimaterroristen" ist "Unwort des Jahres" 2022

10. Januar 2023, 15:10 Uhr

"Klimaterroristen" ist zum "Unwort des Jahres" 2022 gewählt worden. In ihrer Begründung sprach die Jury davon, der Ausdruck sei zur Diskreditierung von Umweltaktivismus verwendet worden. Der Negativpreis wird seit 1991 von der sprachkritischen Unwort-Aktion gewählt. Im vergangenen Jahr war der Begriff "Pushback" Unwort des Jahres.

Das "Unwort des Jahres" 2022 lautet "Klimaterroristen". Das gab die sprachkritische "Unwort"-Aktion in Marburg bekannt. Der Ausdruck sei im öffentlichen Diskurs benutzt worden, um Aktivisten und deren Proteste für mehr Klimaschutz zu diskreditieren, begründete die Jury ihre Wahl.

Sie kritisierte die Verwendung des Begriffs, weil Aktivistinnen und Aktivisten mit Terroristen "gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden". Gewaltlose Protestformen zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands würden so in den Kontext von Gewalt und Staatsfeindlichkeit gestellt, rügte die Jury.

1.200 Vorschläge für "Unwort des Jahres"

Zu den rund 1.200 eingegangenen Vorschlägen gehörten nach Angaben der Unwort-Aktion die Begriffe "Spezialoperation", "Sondervermögen", "Gratismentalität", oder "Hygienespaziergang". Im vergangenen Jahr hatte die Jury mit "Pushback" einen Begriff aus dem Migrations-Diskurs gewählt. 2020 gab es mit "Corona-Diktatur" und "Rückführungspatenschaften" erstmals ein Unwortpaar. Anfang Dezember hatte die Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden "Zeitenwende" zum Wort des Jahres gekürt.

Auf den Plätzen zwei und drei landeten die Begriffe "Sozialtourismus" und "defensive Architektur". Ersterer war bereits 2013 Unwort des Jahres. Damals sei damit gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderung gemacht worden, insbesondere aus Osteuropa. Bei "defensive Architektur" handele es sich um eine militaristische Metapher. In Wahrheit sei damit eine Anti-Obdachlosen-Architektur gemeint, etwa Stacheln im Boden unter Brücken.

"Unwort des Jahres" wird seit 1991 gewählt

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) begrüßte die Entscheidung der Jury. "Ein solcher Begriff sollte in einer zivilisierten, demokratischen Debatte nichts zu suchen haben", erklärte sie. Damit werde Terror verharmlost. "Auch wenn ich einige Aktions- und Protestformen von Klimaschutzengagierten sehr kritisch sehe und klar ablehne, so ist jeglicher Vergleich mit Terrorismus nun wirklich absolut fehl am Platz."

Die "Unwörter des Jahres" seit 2000

  • 2022: Klimaterroristen
  • 2021: Pushback
  • 2020: Rückführungspatenschaften, Corona-Diktatur
  • 2019: Klimahysterie
  • 2018: Anti-Abschiebe-Industrie
  • 2017: alternative Fakten
  • 2016: Volksverräter
  • 2015: Gutmensch
  • 2014: Lügenpresse
  • 2013: Sozialtourismus
  • 2012: Opfer-Abo
  • 2011: Döner-Morde
  • 2010: alternativlos
  • 2009: betriebsratsverseucht
  • 2008: notleidende Banken
  • 2007: Herdprämie
  • 2006: freiwillige Ausreise
  • 2005: Entlassungsproduktivität
  • 2004: Humankapital
  • 2003: Tätervolk
  • 2002: Ich-AG
  • 2001: Gotteskrieger
  • 2000: national befreite Zone

Bei der bundesweit viel beachteten Aktion werden seit 1991 nach Auffassung der Fachleute unmenschliche oder unangemessene Begriffe ausgewählt, die gegen das Prinzip der Menschenwürde verstoßen, in irreführender Weise etwas Negatives beschönigen oder diskriminieren. Die Jury will damit insgesamt auf "undifferenzierten, verschleiernden oder diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch" aufmerksam machen und Menschen für das Thema sensibilisieren.

AFP/epd/dpa (jan)

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 10. Januar 2023 | 06:15 Uhr

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