Interview Eine Thälmann-Schule ist noch übrig: Schulnamen in der DDR und was daraus geworden ist
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14. Januar 2025, 11:49 Uhr
Welche Schulnamen waren in der DDR verbreitet, welche Schulen wurden nach der Wende umbenannt und wer darf überhaupt Schulen umbenennen? Das erklärt Dr. Anna Kaminsky von der Bundesstiftung Aufarbeitung.
Eine aktuelle Studie, die am Dienstag von der Arbeitsstelle Holocaustliteratur der Justus-Liebig-Universität Gießen und dem Kinderkanal KiKA in Gießen vorgestellt wurde, hat die Namen von rund 30.500 Schulen untersucht. Es ist die erste umfassende Studie zu Schulnamen in Deutschland.
Unter anderem listet die Studie die beliebtesten Schulnamen in den einzelnen Bundesländern auf. Welche Schulnamen in den ostdeutschen Bundesländern beliebt sind und welche Namen in der DDR für Schulen verbreitet waren, haben wir Dr. Anna Kaminsky, Direktorin der Bundesstiftung Aufarbeitung, im Interview gefragt:
Frau Kaminsky, wie wichtig sind Schulnamen?
Ich finde, Schulnamen sind sehr wichtig. Ein Blick auf die vergebenen Schulnamen aktuell in der Bundesrepublik zeigt, dass es neben wichtigen Persönlichkeiten oft einen regionalen Bezug bei den Schulnamen gibt.
Also entweder werden regional bekannte Persönlichkeiten ausgewählt oder es werden Namen gewählt, die eine künstlerische Ausrichtung der Schule verdeutlichen oder die ganz allgemeine Bezüge herstellen.
Oftmals regionaler Bezug für Schulnamen
Wenn es einen regionalen Bezug gibt, kann das natürlich auch dazu dienen, dass die regionale Identität dadurch besser vermittelt wird und es für die Schüler einen tatsächlichen Bezug zu ihrer Lebenswelt gibt.
Von den über 32.000 Schulen in Deutschland sind etwa ein Drittel nach Persönlichkeiten benannt. Weitere Schulen haben regionale Bezüge oder verweisen auf bestimmte Werte, die an den Schulen vermittelt werden sollen.
Können Sie sagen, welche Schulnamen in der DDR verbreitet waren?
Wenn man sich die alte Bundesrepublik, das vereinigte Deutschland und die DDR anschaut, dann wurden in der DDR Schulen häufig nach Persönlichkeiten benannt, die aus Sicht der führenden SED als fortschrittlich galten.
DDR: Häufig kommunistische Persönlichkeiten als Namensgeber für Schulen
Das waren sehr oft kommunistische Führer oder Personen, die mit der Geschichte der kommunistischen Bewegung sehr eng verbunden waren. Das waren natürlich auch Persönlichkeiten, die im kommunistischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus waren.
Darüber hinaus trugen die Schulen auch, ebenso wie heute, Namen von Schriftstellern, Künstlern, Wissenschaftlern oder historischen Persönlichkeiten wie Spartacus oder Thomas Müntzer bis hin zu anderen Symbolfiguren.
Der Hintergrund war immer, dass die Namensgeber dem ideologischen Selbstverständnis der SED entsprechen mussten und zur ideologischen Bewusstseinsbildung unter den Schülern beitragen sollten.
Kann man davon ausgehen, dass die meisten oder vielleicht sogar alle Schulen in der DDR nach dem Zweiten Weltkrieg umbenannt wurden - gerade im Hinblick auf das, was sie eben gesagt haben?
Nach dem Zweiten Weltkrieg stellt sich die Situation tatsächlich so dar, dass auf dem Gebiet der späteren DDR die Schulnamen viel radikaler verändert worden sind als beispielsweise im Westen.
Aber in Ost und West haben wir das gleiche Prinzip, dass Namen von nationalsozialistisch belasteten Personen sofort verändert worden sind und es also keine Nazigrößen mehr gab, die als Namensgeber fungierten.
Mit der Wende gab es zum Beispiel bei den Straßennamen sehr viele Umbenennungen. Wie war das bei den Schulen?
Natürlich sind nach 1989/90 viele ideologisch vorbelastete Benennungen von Straßen verändert worden. Und es betraf natürlich auch die Schulen, die insbesondere nach kommunistischen Funktionären oder Politikern benannt worden waren.
Da dieser Personenkreis selbst dafür steht, dass er eine Diktatur angestrebt hat oder in der Diktatur der DDR eine aktive Rolle gespielt hat, stellte sich nach 1990 die Frage, warum man eine Schule in einem demokratischen Gemeinwesen nach Leuten benennen sollte, die mit den demokratischen Grundprinzipien unserer Gesellschaft wenig am Hut hatten.
Es gibt, soweit ich das nachvollziehen konnte, mittlerweile in den ostdeutschen Bundesländern nur noch eine Schule, die den Namen Ernst Thälmann trägt.
Das betraf beispielsweise die Ernst-Thälmann-Schulen. Es gibt, soweit ich das nachvollziehen konnte, mittlerweile in den ostdeutschen Bundesländern nur noch eine Schule, die den Namen Ernst Thälmann trägt und das ist eine Schule in Eggesin in Mecklenburg-Vorpommern.
Sind demnach fast alle ostdeutschen Schulen nach 1989 umbenannt worden?
Nein, natürlich nicht. Zahlreiche Schulnamen sind unverändert geblieben, insbesondere dann, wenn sie auf Persönlichkeiten wie Thomas Müntzer, Spartacus, Clara Zetkin, die Geschwister Scholl, Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie Anna Seghers oder Erich Weinert zurückgingen, die in der DDR natürlich hoch im Kurs standen.
Geblieben sind Namen, die auch heute noch als Persönlichkeiten, als Künstler, anerkannt sind und positiv betrachtet werden. Es hat keinen Anlass gegeben, Schulen umzubenennen, die nach Goethe, Schiller, Pestalozzi, Bertolt Brecht oder den Geschwistern Scholl benannt worden waren.
Wer darf denn überhaupt eine Schule umbenennen?
Es gibt keine bundesweiten Richtlinien für eine Schulbenennung, sondern das geht auf die einzelnen Länder und die Landesschulgesetze zurück und ist in allen Bundesländern Sache des Schulträgers oder des ständigen Schulamtes.
Das gilt insoweit, dass Schulen nicht nach Personen benannt werden dürfen, deren Biografie im Widerspruch zu unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung steht. Die Schulen haben das letzte Wort dabei.
Die meistverwendeten Schulnamen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt
In Thüringen sind die meistverwendeten Schulnamen Johann Pestalozzi, Geschwister Scholl und Friedrich Schiller.
In Sachsen-Anhalt sind es Johann Pestalozzi, Adolph Diesterweg und Geschwister Scholl.
Die meistverwendeten Namen in Sachsen sind schließlich Johann Pestalozzi, Maria Montessori und Johann Wolfgang von Goethe.
Schulen machen Vorschläge für Namen
Die Vorschläge, wie eine Schule benannt wird, kommen in der Regel auch von den Schulen. Diese reichen dann ihren begründeten Namensvorschlag bei den Schulämtern ein und von dort wird die entsprechende Genehmigung erteilt.
Glauben Sie denn, dass noch Schulen in den ostdeutschen Bundesländern umbenannt werden sollten?
Ich habe natürlich nicht den kompletten Überblick über die Schulnamen, aber ich habe den Eindruck, dass die Schulbenennungen, die nach 1990 erfolgt sind, abgesehen von Einzelfällen, weitgehend unstrittig sind.
Denn wenn man sich anschaut, welche Namen bei den Schulbenennungen in den einzelnen Bundesländern dominieren, gibt es im Prinzip keinen Zweifel.
MDR (caf)
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 14. Januar 2025 | 19:00 Uhr
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