Nach Correctiv-Recherche Migranten in Mitteldeutschland in großer Sorge um ihre eigene Sicherheit
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20. Januar 2024, 09:26 Uhr
Das Treffen von Rechtsextremisten, Unternehmern sowie AfD- und CDU-Politikern in der Nähe von Potsdam, bei dem Deportationspläne für Millionen Menschen geschmiedet wurden, hat viele beunruhigt und eine breite Protestwelle ausgelöst. Vor allem Menschen, die selbst oder deren Eltern zugewandert sind, blicken äußerst besorgt und teilweise angsterfüllt auf den so genannten Geheimplan. Dass sich nun Tausende aus der Mehrheitsgesellschaft solidarisch zeigen, ist ein wichtiges Zeichen.
- Viele Migrantinnen und Migranten haben das Gefühl, sich in Deutschland getäuscht zu haben.
- Es ist wichtig, dass sich Menschen aus der Mehrheitsgesellschaft nun öffentlich gegen die Vertreibungspläne positionieren.
- Aber auch innerhalb der migrantischen Communities gibt es viele Bemühungen, etwas gegen die Pläne zu tun.
Seit acht Jahren lebt Francesca Russo in Leipzig. Die Italienerin kam nach ihrem Medizinstudium nach Deutschland und ist geblieben. Seit einigen Jahren engagiert sie sich im Leipziger Migrantenbeirat.
Wie viele andere wurde Russo von den Vertreibungsplänen, die bei dem Geheimtreffen von Rechtsextremisten in Potsdam besprochen wurden, überrascht: "Also ich muss ganz ehrlich sagen, genau wie andere Menschen mit Migrationsgeschichte, wir haben, die Tragweite dieses Treffens, glaube ich, erst nach und nach verstanden. Weil diese Pläne, die da geschildert worden sind, so absurd klangen und wie aus einer anderen Zeit kommend."
Russo sagt außerdem, dass nach dem Bekanntwerden des Treffens unter Migranten auch die Angst vor rechtsextremen Übergriffen gestiegen ist.
Das Gefühl, nicht willkommen zu sein
Auch Peruhsan Mahbub ist besorgt. Der in Erfurt lebende Teppichverkäufer mit iranischen Wurzeln sagt zwar von sich selbst, er sei nicht ängstlich und hart im Nehmen. Er kenne aber einige Migrantinnen und Migranten, denen es anders geht.
"Einige Freunde, Studierende, die jetzt gerade in Erfurt unterwegs sind, die sind nicht so selbstbewusst wie ich vielleicht. Ich merke, dass diese Entwicklung sie sehr mitnimmt, sie traurig sind und teilweise das Gefühl haben, sich in Deutschland getäuscht zu haben."
Ähnliches berichtet der Geschäftsführer des Dachverbands der Sächsischen Migrationsorganisationen, Özcan Karadeniz. Viele seien zutiefst beunruhigt. Bei einigen führe die Angst dazu, "[...]dass sie sich Sorgen machen, sich in den familiären Kreis zurückziehen und sich natürlich auch ein Stück weit fragen, inwiefern sie in dieser Gesellschaft willkommen sind und ob es nicht irgendwann doch an der Zeit sein könnte, vielleicht eine Überlegung anzustellen, wie man sich und seine Liebsten in Sicherheit bringt."
Solidarität statt Gleichgültigkeit der Mehrheitsgesellschaft
Gleichzeitig würden sich auch viele Menschen aus eingewanderten Familien nun umso mehr engagieren, Petitionen ins Leben rufen oder Demonstrationen veranstalten. In Städten wie Leipzig, Köln oder Hamburg sind in den vergangenen Tagen zehntausende Menschen auf die Straßen gegangen, um gegen die Vertreibungspläne zu protestieren. Ein wichtiges Zeichen, findet Karadeniz.
"Für viele Migrantinnen ist es wichtig, dass sich Solidarität in der deutschen Mehrheitsgesellschaft regt, weil sie nicht mit dem Thema alleingelassen werden, dass es nicht wie leider so häufig in der Vergangenheit eine gewisse Anteilslosigkeit gibt, wenn es um rechtsextreme Themen geht, sondern ganz deutlich klargemacht wird: Hier geht es um gesellschaftliche Minderheiten, die geschützt werden müssen."
Zusammenhalt unter Migranten wächst
Peruhsan Mahbub wünscht sich deshalb, dass Minderheiten in Deutschland stärker zusammenrücken und sich miteinander solidarisieren.
Tatsächlich findet so etwas auch bereits statt, sagt Ayman Qasarwa, Geschäftsführer vom Dachverband der Migrant*innenorganisationen in Ostdeutschland: "Es gibt jetzt viele Communities, die miteinander reden, dass sie dann auch gemeinsam vorgehen wollen. Also das heißt Zusammenhalt."
Dadurch entstehe aber auch die Gefahr einer Trennung, erklärt Qasarwa, ein "Wir" und "die anderen". Das dürfe es so in einem demokratischen Land wie Deutschland aber eigentlich nicht geben, findet er.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 20. Januar 2024 | 09:05 Uhr
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