Eine Hand zeigt auf Lippenstifte und Pinsel in der Gesäßtasche einer Jeans
Diebstahl im Supermarkt: Nicht nur die Kundschaft klaut. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Einzelhandel Ladendiebstahl nimmt zu: Täter oft in Geldnot

03. Juli 2024, 11:00 Uhr

Einzelhändler in Deutschland beklagen einen Anstieg von Ladendiebstählen. Der Schaden geht in die Milliarden, wie aus einer Studie hervorgeht. Die Gründe dafür sollen vor allem in wachsenden Geldsorgen liegen, aber auch im Personalmangel.

Die Einzelhändler in Deutschland haben ein zunehmendes Problem mit Ladendiebstahl. Der Verlust durch Diebstahl von Kunden, Mitarbeitenden, Lieferanten und Servicepersonal betrug im Jahr 2023 insgesamt 4,1 Milliarden Euro, wie aus einer Studie des Handelsforschungsinstitut EHI hervorgeht.

Die Kunden haben dabei am meisten geklaut und Waren im Wert von über 2,8 Milliarden Euro mitgehen lassen. Das entspricht einem volkswirtschaftlichen Schaden durch entgangene Umsatzsteuer von rund 560 Millionen Euro - allein durch Straftaten unehrlicher Kundschaft. 

Laut Polizeilicher Kriminalstatistik stiegen Ladendiebstähle um 23,6 Prozent auf insgesamt 426.096 Fälle (Vorjahr 344.669). Allerdings wird längst nicht jeder Ladendiebstahl angezeigt. 

Beliebtes Diebesgut: Tabak, Alkohol oder Babynahrung

Meist handelt es sich um Gelegenheitstäter, bei mindestens einem Viertel sind professionelle Täter verantwortlich, die bandenmäßig agieren. Einen Anstieg gibt es demnach sowohl im Lebensmittel- und Bekleidungshandel als auch bei Drogeriemärkten. Der Studienautor Frank Horst vom Handelsforschungsinitut sieht dafür mehrere Gründe. "Durch die Preissteigerungen sind einige Menschen in finanzielle Nöte geraten und haben häufiger geklaut."

Zu den bei Dieben besonders beliebten Warengruppen in Supermärkten und Discountern zählen demnach Spirituosen, Tabakwaren, Kosmetikprodukte, Rasierklingen, Energydrinks sowie Babynahrung und Kaffee. Fleisch, Wurst und Käse werden ebenfalls häufiger genannt.

Ein weiterer Grund für die Zunahme der Diebstähle sei der Fachkräftemangel im Einzelhandel. "In vielen Geschäften ist heute weniger Personal im Einsatz. Dadurch haben Diebe leichteres Spiel. Personal verhindert durch Präsenz indirekt Diebstähle", so Horst.

Immer höhere Verluste durch Diebstähle

In Deutschland sind die Verluste durch Ladendiebstähle seit Jahren auf hohem Niveau, teilte das EHI mit. Der Schaden, der dem Handel 2023 dadurch entstanden ist, liegt noch einmal 15 Prozent höher als im Vorjahr.

"Es ist ein Wendepunkt erreicht, an dem die Zunahme der Ladendiebstähle eine besondere Dimension annimmt und besondere Aufmerksamkeit erfordert", so Horst. Die Ausweitung der Sicherheitsmaßnahmen gehöre in diesem Jahr für viele Händler zu den priorisierten Projekten.

An der aktuellen Untersuchung des EHI beteiligten sich 84 Unternehmen mit über 17.000 Verkaufsstellen, die einen Gesamtumsatz von rund 82,8 Milliarden Euro erwirtschafteten. Daraus geht auch hervor: Viele Einzelhändler erwarten einen weiteren Anstieg der Diebstähle.

Es ist ein Wendepunkt erreicht, an dem die Zunahme der Ladendiebstähle eine besondere Dimension annimmt.

Frank Horst EHI-Studienautor

Unternehmen wollen wachsamer werden

"Wir haben Märkte, bei denen es einen Anstieg der Inventurdifferenzen gibt, aber auch sehr viele, die stabil sind", sagte Rewe-Chef Lionel Souque. Die Supermarktkette hat nach eigenen Angaben verschiedene Maßnahmen ergriffen. "Vor zehn Jahren haben wir bei Rewe alle Eingänge geöffnet und Schleusen entfernt, sodass Kunden direkt reingehen können. Das haben wir in einzelnen Märkten zurückgebaut", so Souque. An einigen Standorten gebe es mehr Sicherheitspersonal und Detektive.

Auch andere Unternehmen sind wachsam. "Wir sehen bei Ikea Deutschland ebenfalls eine veränderte Situation", sagte eine Sprecherin des Möbelhändlers. Man arbeite eng mit den Ermittlungsbehörden zusammen, um Diebstähle zu verhindern und aufzuklären. Aldi Nord, Edeka und Lidl wollten zu dem Thema auf Nachfrage keine näheren Angaben machen.

Handelsverband fordert härteres Durchgreifen

Handelsverbands-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth fordert ein härteres Durchgreifen. "Die Handelsunternehmen müssen sich darauf verlassen können, dass der Staat mit seinen Behörden die Achtung und den Schutz des Eigentums zuverlässig und effizient sicherstellt." Eine wirkungsvolle Abschreckung sei wichtig. Aber zu oft blieben Strafen aus, würden Verfahren eingestellt. "Insbesondere auch der bandenmäßig organisierte Ladendiebstahl muss gründlicher bekämpft werden", so Genth. 

Viele Unternehmen haben ihre Kameraüberwachung bereits ausgebaut und ihr Personal geschult, wie aus der EHI-Studie hervorgeht. Die Ausgaben für Präventionsmaßnahmen im Einzelhandel in Deutschland sind im Jahr 2023 auf 1,55 Milliarden Euro gestiegen. Diese Kosten kommen noch zu den Verlusten durch Diebstahl hinzu.

dpa (mpö)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 02. Juli 2024 | 19:30 Uhr

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