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Alkoholkonsum Studie: Jugendliche haben keine Lust mehr auf Komasaufen
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02. April 2024, 11:08 Uhr
Über Jahre sorgen immer wieder Fälle von Komasaufen unter Kindern und Jugendlichen für Aufsehen – jetzt haben sie offensichtlich keine Lust mehr darauf. Das stellte die Krankenkasse KKH in einer Studie fest. Grund zur Entwarnung gibt es jedoch nicht.
- Die Zahl der stationär behandelten Alkoholvergiftungen ist auf ein Rekordtief gesunken.
- Ausgehend von den Daten der KKH-Versicherten wurde eine Prognose für die Gesamtbevölkerung errechnet.
- Eine Psychologin warnt: Grund zur Entwarnung gibt es dennoch nicht.
Die Zahl der Alkoholvergiftungen unter den 12- bis 18-Jährigen ist nach einer Studie der Kaufmännischen Krankenkasse KKH 2022 auf ein Rekordtief gesunken. In dem Jahr seien bundesweit hochgerechnet rund 10.680 Kinder und Jugendliche der Altersgruppe wegen einer akuten Alkoholvergiftung in einer Klinik behandelt worden, teilte die Krankenversicherung am Montag mit. Das seien fünf Prozent weniger gewesen als 2021 und 13 Prozent weniger als 2020. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 mit rund 17.950 Betroffenen sank die Zahl sogar um 40,5 Prozent.
Rekordtief bei Alkoholvergiftungen
Damit gaben die Fallzahlen bei stationär behandeltem Alkoholkonsum von Heranwachsenden nicht nur das dritte Jahr in Folge nach, sondern erreichten auch den niedrigsten Stand seit der ersten Erhebung von 2006. Die meisten jugendlichen Rauschtrinker mit Alkoholvergiftung, nämlich hochgerechnet rund 22.260 Fälle, registrierte die Krankenkasse 2012. Die Krankenkasse wertete Daten der eigenen 12 bis 18 Jahre alten Versicherten zur stationären Behandlung einer akuten Alkoholvergiftung aus – und rechnete die Ergebnisse mithilfe von Zahlen des Statistischen Bundesamts auf die bundesweite Bevölkerungszahl dieser Altersgruppe hoch.
Studie mit Daten der KKH-Versicherten
Das heißt: Nach den Daten der eigenen Versicherten der Kasse lag der Anteil aller Betroffenen einer stationär behandelten Alkoholvergiftung 2022 bei knapp 0,07 Prozent. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung von gut 84 Millionen Menschen sind das mehr als 58.000. Der Anteil der 12- bis 18-Jährigen daran lag den KKH-Ergebnisse zufolge bei den eigenen Versicherten bei knapp 18,4 Prozent – so kam die Kasse auf die bundesweit rund 10.680 Fälle, unter den eigenen Versicherten waren es 212. Die KKH zählt nach eigenen Angaben mit rund 1,6 Millionen Versicherten zu den größten bundesweiten Krankenkassen.
Im Vor-Corona-Jahr 2019 lag der Anteil der Jugendlichen unter den Betroffenen der Studie zufolge noch bei über 22 Prozent, 2008 und 2009 sogar bei gut 26 Prozent, zu Beginn der Erhebung im Jahr 2006 waren es über 24 Prozent. Als Rauschtrinken definiert die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) den Konsum von mindestens fünf alkoholischen Getränken, etwa bei einer Party.
Jeder Jugendliche mit einer akuten Alkoholvergiftung ist einer zu viel.
Psychologin: Kein Grund zur Entwarnung
"Es ist sehr erfreulich, dass offenbar immer weniger Jugendliche ihr Limit in Sachen Alkohol derart überschreiten", sagte die KKH-Psychologin Franziska Klemm. Grund zur Entwarnung gebe es aber dennoch nicht, denn die Zahlen blieben besorgniserregend: "Jeder Jugendliche mit einer akuten Alkoholvergiftung ist einer zu viel."
Beim Rauschtrinken, Komasaufen oder Binge-Drinking spielten oft soziale Motive und Gruppendruck eine Rolle, sagte Klemm. Außerdem wird Alkohol in der Gesellschaft nach ihren Worten immer noch verharmlost, schließlich mache er vermeintlich lustig, bringe gute Laune und vermittele Selbstvertrauen. Beim Hochprozentigen gehe es für Minderjährige aber auch um den Reiz des Verbotenen.
Alkohol trotz Gefahren gesellschaftlich breit akzeptiert
Nach früheren Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen wird in Deutschland immer noch deutlich mehr Alkohol getrunken als im weltweiten Durchschnitt. Alkohol als vermeintliches Kulturgut ist demnach gesellschaftlich breit akzeptiert. Das Problem: "Gerade für Heranwachsende ist exzessiver Alkoholkonsum hochgefährlich und mit besonderen Risiken für eine gesunde Entwicklung verbunden", erklärte KKH-Psychologin Klemm. Neben einer möglichen Alkoholsucht drohten Schäden an Gehirn und Organen, aber auch Unfälle und Gewalt.
Zu Jahresbeginn hatte sich der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert, dafür ausgesprochen, dass Jugendliche ab 14 Jahren auch in Begleitung ihrer Eltern keinen Alkohol in der Öffentlichkeit trinken dürfen – was in Deutschland erlaubt ist. Zur Begründung erklärte er: "Wenn Kinder und Jugendliche neben ihren Eltern sitzen, ist und bleibt die Wirkung von Alkohol dieselbe und katastrophal in diesem Alter."
dpa (yvo)
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 02. April 2024 | 07:30 Uhr