Energieversorgung "Blackoutmelder" der AfD mit falschen Informationen
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09. November 2022, 14:30 Uhr
Hier kann online jeder einen angeblichen Stromausfall eintragen, überprüft werden die Einträge nicht: Die AfD hat offenbar versucht, mit ihrer neuen Webseite "Blackoutmelder" ein Stimmungsbild von Problemen bei der Energieversorgung in Deutschland herzustellen. Die Seite ist unseriös, zeigt der Faktencheck.
Inhalt des Artikels:
- Analyse 1: Was bietet die Seite?
- Analyse 2: Irreführender Begriff
- Frage 1: Gab es diese Stromausfälle wirklich?
- Frage 2: Wie realistisch ist ein Blackout in Deutschland?
- Frage 3: Wie ist der Stand der Kommunen?
- Frage 4: Was sagt die AfD zu ihrer Seite?
- Fazit: Blackoutmelder ist keine vertrauenswürdige Quelle
In diesem Herbst bestimmt die Energiekrise den Diskurs in Deutschland – neben Ukraine-Krieg, Inflation und der Pandemie. Eine Frage treibt die Menschen dabei vermehrt um: Wie sicher sind Gas- und Stromversorgung in Deutschland?
In dieser Gemengelage hat die AfD eine Webseite namens "Blackoutmelder" veröffentlicht, auf der Nutzer auf einer Karte "Blackouts" bei sich zu Hause melden können. Vergleichbare Webseiten, auf denen jeder Störungen eintragen kann, gibt es einige im Internet, z.B. "allestörungen.de", "netzausfall.net" oder "störungsauskunft.de". Das Prinzip dieser Seiten: Nutzer können selbstständig und ohne Kontrolle der Webseitenbetreiber Probleme melden.
Was auffällt: Bis auf "störungsauskunft.de" sind diese bekannten Störungsmelder meist für Internet und Telefon gedacht. Der "Blackoutmelder" bezieht sich aber ausschließlich auf Stromausfälle. Diese kann eigentlich jeder Betroffene dem lokalen Energieversorger selbst melden, der die Störungen dann oft auf einer eigenen Karte veröffentlicht, wie z.B der Versorger Netz Leipzig. Die Frage stellt sich also: Was nützt eine Seite wie "Blackoutmelder" bzw. wie zuverlässig sind die Angaben dort?
Die Auflösung interessiert Sie, aber Sie haben gerade keine Zeit zum Lesen? Hier erfahren Sie, wie der Faktencheck ausgeht.
Analyse 1: Was bietet die Seite?
Dass die AfD die Webseite tatsächlich selbst betreibt und nicht nur das Logo unten auf die Seite gestellt wurde, steht im Impressum. Außerdem hat die Partei selbst am 25.10.2022 in einer Pressemitteilung auf den Start der Webseite hingewiesen.
Neben der Karte mit den "Blackouts" sind auch Nachrichten zum Thema Energie verlinkt, z.B. Artikel von "Bild", "Hamburger Morgenpost" oder "Nordkurier" – ohne Datenschutzhinweis, wenn der Link angeklickt wird. Weiterhin gibt es unter "Blackout-Ratgeber" eine "Blackout-Checkliste" mit Hinweisen zur Bevorratung im Falle eines Stromausfalls – ohne Angabe, worauf diese Liste beruht.
Nutzer beschreiben die Webseite als technisch nicht besonders zuverlässig. Auf Twitter berichten sie über mehrere Tage verteilt, dass die Seite zwischenzeitlich überlastet und nicht zu erreichen war, dass Einträge gelöscht worden seien und zeitweise eine Anmeldung mit Vor- und Nachname nötig gewesen sei, um einen Stromausfall melden zu können.
"Blackoutmelder" ist auch nicht mit der zentralen Energie-Infrastrukturbehörde in Deutschland, der Bundesnetzagentur, verbunden. Auf unsere Anfrage schrieb die Bundesnetzagentur, dass ihnen die Website blackoutmelder.de nicht bekannt sei und es keine Zusammenarbeit gebe: "Ein Zusammenhang zwischen der Tätigkeit der Bundesnetzagentur und den Inhalten der Website besteht nicht."
Analyse 2: Irreführender Begriff
Die Wortwahl auf der Webseite ist nicht eindeutig. Denn ein Blackout im Energiebereich ist nach Definition der Bundesnetzagentur kein kurzer Stromausfall, sondern ein "umfassender Netzausfall", ein unkontrolliertes und großflächiges Versagen von Netzelementen. Dieses würde dazu führen, dass größere Teile des europäischen Verbundnetzes ausfallen. Die Wortwahl der AfD auf ihrer Seite ist also irreführend.
Frage 1: Gab es diese Stromausfälle wirklich?
Eine ganz simple Methode, um die Angaben auf der Seite zu überprüfen, ist die Nachfrage bei Stadtwerken bzw. Energieversorgern. Auf "Blackoutmelder" ist aktuell kein Eintrag anwählbar, es steht nichts zum genauen Datum, zur Uhrzeit oder Adresse des angeblichen Stromausfalls, nur der Ort ist grob angegeben.
Eine Nachfrage bei mehreren Stadtwerken aus der Region ergab, dass zumindest einige der Einträge falsch sind. Als Beispiele haben wir Staßfurt, Zwickau, Dresden und Radeberg ausgewählt, für die es Stand 07.11.22 Einträge bei "Blackoutmelder" gibt.
Wie die Stadtwerke Staßfurt mitteilten, sind im Zeitraum 25.10.2022 (Datum der Pressemitteilung der AfD) bis 07.11.2022 (Zeitpunkt unserer Anfrage) keine Störungen im Netzgebiet aufgetreten. Auch die Zwickauer Energieversorgung gab an, dass es im oben genannten Zeitraum zu keinem Stromausfall gekommen sei. Eine Sprecherin teilte mit, dass es sich bei dem entsprechenden Eintrag um eine Falschangabe handele.
Bei dem entsprechenden Eintrag unter blackoutmelder.de handelt es sich demnach um eine Falschangabe.
Sachsenenergie teilte mit, im angefragten Zeitraum seien in den angegebenen Versorgungsgebieten der SachsenNetze in Dresden und Radeberg keine Störungen, planmäßige Versorgungsunterbrechungen oder anderweitige Ereignisse in ihren Höchst-, Mittel- und Niederspannungsnetzen festgestellt worden.
Frage 2: Wie realistisch ist ein Blackout in Deutschland?
Energie ist ein Thema, das sich die AfD auf ihre Agenda geschrieben hat. Schon im Januar lud der Thüringer Vorsitzende Björn Höcke zu einem "Blackout"-Onlinedialog ein, wo zuvor von warnenden Experten die Rede war und gefragt wurde: "Lässt sich die Katastrophe noch abwenden?"
Aber ist denn unsere Stromversorgung tatsächlich so gefährdet oder betreibt die AfD Panikmache? Die Antwort der Bundesregierung ist deutlich: "Großflächige langanhaltende Stromausfälle – sogenannte Blackouts – hat es in Deutschland bisher nicht gegeben. Diese bleiben auch weiterhin sehr unwahrscheinlich." Auch die Bundesnetzagentur schreibt auf ihrer Webseite: "Ein großflächiger Blackout ist äußerst unwahrscheinlich."
Ein großflächiger Blackout ist äußerst unwahrscheinlich.
Die Behörde verweist darüber hinaus auf zahlreiche Sicherheitsmechanismen wie mehrfach redundante Systeme, die selbst bei größeren Störungsereignissen einen völligen Zusammenbruch des Übertragungsnetzes verhindern sollten. Diese Mechanismen werden nach Angaben der Bundesnetzagentur kontinuierlich geprüft und bei Bedarf angepasst.
Wichtig für die Begrifflichkeit: Die Bundesnetzagentur unterscheidet einen Blackout von einem sogenannten Brownout, bei dem die Stromnachfrage kurzzeitig das Angebot übersteigt, der Strom aber nur maximal einige Stunden ausfällt.
Trotz der sicheren Versorgung in Deutschland halten Entscheider auf EU-Ebene einen Blackout grundsätzlich für möglich. Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Janez Lenarčič, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die EU-Kommission bereite sich angesichts des Ukraine-Krieges und der Energiekrise auf mögliche Stromausfälle und andere Notlagen vor.
Frage 3: Wie ist der Stand der Kommunen?
Während die AfD das Katastrophen-Szenario eines großflächigen und länger andauernden Stromausfalls beschwört, laufen hinter den Kulissen Überlegungen für den Ernstfall. So ist beispielsweise im Vogtlandkreis unlängst ein Krisenstab zusammengetreten, der einen detaillierten Notfallplan für einen Stromausfall erarbeiten soll.
Aber es kommt auch Kritik aus den Landkreisen. So bemängelt der Landrat im Harz, Thomas Balcerowski (CDU), ein Konzept des Landes, wie mit einem Blackout umzugehen ist, sei ihm nicht bekannt. Er nehme eine koordinierende Aufgabe des Landes Sachsen-Anhalt derzeit nicht wahr.
Frage 4: Was sagt die AfD zu ihrer Seite?
Fassen wir zusammen: Für den Falle eines Stromausfalls gibt es Nachbesserungsbedarf bei den Vorsorgeplänen der Kommunen; die Wahrscheinlichkeit eines echten Blackouts ist allerdings sehr gering – was sagt denn die AfD dazu? Wir haben einen detaillierten Fragenkatalog zur Benutzung und zum Nutzen von blackoutmelder.de an die AfD geschickt. Die Antwort des Pressesprechers: "Wie auch bei allen anderen frei zugänglichen Störungsmeldern im Internet ist es uns nicht möglich, jede einzelne Meldung zu verifizieren. Wir erheben keinen Anspruch auf Richtigkeit der von den Nutzern gemachten Angaben."
Seit einigen Tagen sind keine Einträge auf der Karte mehr möglich. Inzwischen ist auch die Anweisung auf der Webseite, wie Einträge erstellt werden können, verschwunden. Außerdem hat die AfD nun auch einen Disclaimer eingefügt: "Wir erheben keinen Anspruch auf Richtigkeit der von den Nutzern gemachten Angaben."
Fazit: Blackoutmelder ist keine vertrauenswürdige Quelle
Die von der AfD betriebene Webseite blackoutmelder.de ist keine zuverlässige Quelle, was Häufigkeit, Verteilung und grundsätzliches Aufkommen von Stromausfällen betrifft. Die AfD gibt selbst zu, dass sie die Meldungen nicht verifiziert. Dadurch entsteht ein Portal ohne valide Aussagekraft, das von der Partei zugleich zu Werbezwecken genutzt wird. Aussagen über den Zustand der Energieversorgung in Deutschland können anhand von blackoutmelder.de nicht getroffen werden.
Einen Blackout, wie ihn die Bundesnetzagentur definiert, hat es nach Aussage der Behörde in Deutschland bisher nicht gegeben. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) rät trotzdem grundsätzlich dazu, vorzusorgen. Wer Kapazität, Platz und Geld hat, sollte sich einen Vorrat für den Fall eines kurzfristigen Stromausfalls zulegen. Und nebenbei auf offizielle Quellen vertrauen – wie z.B. offizielle Warn-Apps wie NINA oder KATWARN.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL FERNSEHEN | 20. Oktober 2022 | 20:36 Uhr