Eine leere Vodka-Flasche liegt an einem Spielplatz
Alkoholgenuss im öffentlichen Raum: Für die einen gehört es zur persönlichen Freiheit, für andere ist es ein Ärgernis. Bildrechte: picture alliance/Markus Scholz

Alkoholverbotszonen Müll, Lärm und Bier – können Verbotszonen für Alkohol helfen?

23. April 2023, 05:00 Uhr

Es ist laut, es ist dreckig und es stinkt: Wenn Alkohol im Park, am Spielplatz oder auf der Straße getrunken wird, gibt es immer wieder Ärger mit Anwohnern. Einige Kommunen versuchen, das Problem durch Verbote zu bekämpfen – doch scheitern immer wieder.

"Du bist nicht du, wenn du nüchtern bist." Es ist ein Spruch, den manche Menschen stolz auf dem Pullover über ihrem biergeformten Körper tragen. Gern auch im Park, beim Treffen mit Freunden – und dazu gehört natürlich auch Alkohol. Doch während für die einen das Trinken im Freien Freiheit bedeutet, ist es für die anderen Lärm und Verschmutzung von öffentlichen Plätzen. 

Deshalb hatte etwa die Stadt Erfurt Anfang 2022 die Notbremse gezogen und ein Alkoholverbot in der Nacht für die Meienbergstraße in der Innenstadt verhängt. Dort hatten sich immer wieder Anwohnende, Gewerbetreibende und Bürgerinitiativen über den nächtlichen Partylärm durch Hunderte Besucher beklagt. Offenbar mit Erfolg: Das sogenannte Alkoholverzehrverbot wurde nun um zwei weitere Jahre verlängert.

Verbotszonen für Konsum von Alkohol: Juristische Hürden sind hoch

So ein Verbot – sei es auch räumlich und zeitlich begrenzt –  gelingt Kommunen selten. Die juristischen Hürden sind hoch. Immer wieder scheitern Kommunen damit vor Gericht.

Neben Erfurt ist Chemnitz eine der wenigen deutschen Städte, die längere Zeit ein Alkoholverbot durchsetzen konnten – in drei kleineren Parks der Innenstadt. Erst im vergangenen Herbst wollte der Chemnitzer Stadtrat Michael Specht (CDU) das Verbot noch ausweiten. Bei einem Spaziergang in der Innenstadt zeigt er auf eine metallene Kinderutsche und sagt: "Ich habe ich es auch schon erlebt, wie Personen in die Rutsche von oben hineinuriniert haben. Wenn man das einmal gesehen hat, hat man natürlich keine Lust mehr, die Kinder hier rutschen zu lassen."

2025 ist Chemnitz Kulturhauptstadt Europas. Es werden viele Touristen erwartet und denen will man ein "sauberes" Chemnitz präsentieren. Deshalb hat die CDU-Ratsfraktion einen Beschlussantrag eingebracht, den Konsum von Alkohol in einem weiteren Bereich der Innenstadt zu verbieten.

Wir haben es mit Polizeikontrollen probiert, wir haben es mit Präsenz probiert. Das hat alles nichts gebracht und dann ist das Alkoholverbot der nächste Schritt.

Michael Specht Stadtrat Chemnitz

"Das Problem ist ja nicht, dass Personen hier sitzen und Alkohol trinken", erklärt Specht. "Das Problem ist, wenn daraus rechtswidriges Verhalten entsteht." Es gehe um Pöbeleien, Müll und Gestank. Das wolle man verhindern. "Wir haben es mit Polizeikontrollen probiert, wir haben es mit Präsenz probiert. Das hat alles nichts gebracht und dann ist das Alkoholverbot der nächste Schritt."

Stadt Chemnitz hat gute Erfahrungen mit Verbot

Mit einem Alkoholverbot wie etwa im "Park am Roten Turm" habe Chemnitz gute Erfahrungen gemacht. Dort darf von Montag bis Samstag zwischen neun und 22 Uhr nicht getrunken werden. Die wenigen Alkoholverbote, die es in Deutschland gibt, sind meistens auf ein Jahr beschränkt. Chemnitz hat sie seit 2014 immer wieder durchgesetzt bekommen.

Das gefällt natürlich nicht allen. "Nur, weil wenn man hier ab und zu mal sitzt und ein Bierchen in Ruhe trinkt. Das finde ich zu übertrieben, wenn man da jetzt gleich eine Polizeikontrolle hat", sagt Justin, der erst kürzlich aus der Jugendhaft entlassen wurde. Der junge Mann mit dem schwarzen Schlapphut mit weißen Cannabisblättern darauf hatte hier bereits eine Polizeikontrolle. Es gab für ihn eine Ermahnung.

Ein Alkoholverbot in Deutschland gerichtsfest durchzusetzen, ist schwierig, da es um die im Grundgesetz verankerte Handlungsfreiheit geht. In Artikel zwei, Absatz eins heißt es: "Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt […]."   

Das bedeutet: Zur Freiheit des Einzelnen gehört es auch, Alkohol zu trinken, und zwar zuhause, in der Kneipe oder eben auch draußen. Der Staat darf da nicht ohne hinreichenden Grund eingreifen.

In Berlin sind Verbote wieder aufgehoben worden

So sind etwa in Berlin-Mitte zwei Parks nur für kurze Zeit trockengelegt worden. Im James-Simon-Park und im angrenzenden Monbijou-Park an der Spree nervten Nacht für Nacht Lärm und auch Schlägereien die Anwohner. Gegen das Alkoholverbot klagte Anwalt David Werdermann im Auftrag des "Arbeitskreis Kritischer Jurist * Innen".

Wenn man das Trinken etwa in Grünanlagen verbiete, so Werdermann, "dann führt das dazu, dass arme Menschen, Jugendliche, möglicherweise auch Wohnungslose, vertrieben werden aus der Innenstadt und dass sich dann nur noch die High Society hier in Berlin Mitte treffen kann."

Solch eine Verdrängung wird auch in Erfurt befürchtet. Dennoch: In der Innenstadt wurden die Alkoholverbotszonen ausgedehnt – erst Herbst 2022 stellte die Stadtverwaltung 13 Schilder auf, mit Zeiten in denen am Anger kein Alkohol getrunken werden darf.

Menschen mit wenig Geld können sich Kneipenbesuche nicht leisten. Der Obdachlose Cedric sagt: "Es ist halt schwer, überhaupt irgendwo was zu finden, wo du jetzt noch chillen kannst – vor allem in der Winterzeit. Und es ist ja eh schon kalt und dann kannst du nirgends wo hin." Auch er und seine Kumpel wurden bereits durch die Polizei ermahnt. Es drohen Strafen von bis zu 5.000 Euro – für obdachlose und suchtkranken Menschen ist das kaum zu stemmen.

Verschiebt sich das Problem nur in andere Bereiche?

Das sei nicht zielführend, heißt es etwa beim katholischen Kolping-Bildungswerk Thüringen. Dort, am Rande der Erfurter Innenstadt, kümmert sich Sozialarbeiter um suchtkranke Menschen. Diese würden sich durch das Alkoholverbot neue Ecken suchen müssen. Für diese müsse es gezieltere Angebote geben, sagt Sozialarbeiter Bernhard Wanner: "Den Menschen einen Raum bieten, ein Leben zu führen, das auch menschenwürdig ist, auch ohne Alkohol und vielleicht Häuser, in denen sie Treffmöglichkeiten haben, Gesprächsangebote, Hilfsangebote im sozialen Bereich."

In Chemnitz, wo bereits seit neun Jahren in bestimmten Bereichen ein Alkoholverbot gilt,  hat genau so eine Verdrängung der Trinker stattgefunden. Sie sitzen nun in einem anderen Park. Mit dem Versuch, auch dort ein Verbot umzusetzen, ist die CDU allerdings vorerst gescheitert.

Quelle: MDR exakt/ mpö

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 19. April 2023 | 20:15 Uhr

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