Medizinische Versorgung Kommunale Medizinische Versorgungszentren gegen Ärztemangel auf dem Land
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04. Februar 2025, 08:04 Uhr
Verschiedene Fachärzte zusammen unter einem Dach – in der DDR wurde dieses Konzept Poliklinik genannt. Diese waren eigene Einrichtungen für die ambulante Behandlung. Seit Beginn der 2000er entstehen wieder ähnliche Strukturen – als Medizinische Versorgungszentren, kurz MVZ. Im Unterschied zu Polikliniken sind die meisten von ihnen aber in privater Trägerschaft. Seit kurzem gibt es auch MVZ, die in kommunaler Hand sind, etwa in der Oberlausitz. Dort wird Sachsens erstes kommunales MVZ gebaut.
- In Teilen Sachsen fehlt es schon jetzt an Ärzten – in den nächsten Jahren gehen zudem viele in Rente.
- Von Kommunen getragene Medizinische Versorgungszentren, kurz MVZ, könnten gegen den Ärztemangel helfen.
- Rietschens Bürgermeister hofft, dass sich durch MVZ mehr Mediziner auch in ländlichen Regionen niederlassen.
Im Süden von Krauschwitz in Sachsen rollen die Bagger. Hier an der polnischen Grenze entsteht ein Standort des künftigen Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) Neiße-Weißer Schöps. Tristan Mühl, Bürgermeister von Krauschwitz, führt über die Baustelle und erklärt: "Das ist das Kellergeschoss, was jetzt soweit in den Endzügen ist."
Schon ab Juli sollen hier zwei Allgemeinärzte ihre Räumlichkeiten für Patienten öffnen. Ein weiterer Standort des MVZ wird in der Nachbargemeinde Rietschen sein. Gemeinsam wollen Rietschen und Krauschwitz eine kommunale Tochtergesellschaft gründen, die dann das MVZ betreibt. Jede Gemeinde gibt jeweils 25.000 Euro. Später soll sich die Gesellschaft durch ihre Umsätze selbst finanzieren.
Nur wenig Ärzte lassen sich in Sachsen nieder
Rietschens Bürgermeister Ralf Brehmer hofft, dass das MVZ junge Ärzte in die Region zieht. "Bis jetzt ist es ja so, dass wir das eigentlich gar nicht machen müssen", erklärt Brehmer. Normalerweise müsse die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen die hausärztliche Versorgung sicherstellen. "Allerdings merken wir, dass es nicht das Zukunftsmodell ist, dass sich Ärzte selbstständig machen wollen und damit die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen es nach dem jetzigem System schwer hat, Leute in die Region zu bekommen."
Im Altlandkreis Weißwasser fehlten schon jetzt zehn Hausärzte und weitere würden demnächst in den Ruhestand gehen. Ein Vorteil von kommunalen MVZ: Ärzte sind Angestellte, haben keinen zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Anders ist das bei selbstständigen Ärzten, die eine eigene Praxis führen und damit auch ein finanzielles Risiko eingehen. "Wenn jetzt jemand frisch vom Studium kommt, die Hausarztausbildung gemacht hat, das ist ein sehr langer Bildungsweg", erklärt Brehmer. "Und meistens ist es auch so, dass diese Leute nicht so viel Startkapital haben und sich vielleicht auch nicht vorstellen können, dieses Geld so auf den Tisch zu legen oder eine Bestandspraxis anzukaufen."
Kommunen brauchen mehr Geld
Auch Thomas Gerlinger ist überzeugt von der Idee. Er forscht an der Uni Bielefeld und plant gerade eine größere Studie zu MVZ. Laut Gerlinger gibt es deutschlandweit knapp 5.000 Medizinische Versorgungszentren. Nur 40 davon sind in kommunaler Hand.
Gerade in ihnen sieht Gerlinger aber eine Chance für die medizinische Versorgung, weil die Kommune Träger von sozialer Beratung und Betreuung sei. "Das sind ja ihre klassischen Aufgaben, als auch dann eben zusätzlich von der medizinischen Grundversorgung. Und wir wissen ja, dass gesundheitliche Probleme oftmals soziale Probleme sind oder gesundheitlichen Problemen soziale Probleme zu Grunde liegen." Dafür müssten Kommunen aber auch stärker finanzielle Unterstützung erhalten von den Ländern und den kassenärztlichen Vereinigungen, findet Gerlinger.
MVZ als Chance gegen den Ärztemangel
Rietschens Bürgermeister Brehmer sieht im künftigen MVZ auch eine Möglichkeit für angehende Ärzte, sich auszuprobieren. "Um dann zu sehen, wenn es doch nicht das ist, was man sich vorgestellt hat, kann man eben auch wieder kündigen. Wenn man eine freiberufliche Tätigkeit hat, muss man sich schon sehr sicher sein. So eine Praxis aufzulösen, das wäre ein kompletter Verkauf und es ist dann extrem schwer, wieder die Zelte abzubrechen."
Brehmers Absicht ist, dass sich Ärzte langfristig niederlassen und die Region künftig wieder besser versorgt ist.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL – Das Nachrichtenradio | 04. Februar 2025 | 06:47 Uhr