Pandemie-Bekämpfung Strategie gegen Corona: NoCovid statt Lockdown-Jojo
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02. Februar 2021, 15:13 Uhr
Aktuell sinken die Corona-Neuinfektionen dank Lockdown täglich. Aber wie geht es weiter, wenn die Fallzahlen wieder im Keller sind? Wissenschaftler plädieren für das NoCovid-Ziel und eine Zonenstrategie, um es zu erreichen.
Der Lockdown zeigt so langsam seine Wirkung und die Infektionszahlen in Deutschland sinken. Geht es so weiter wie gerade, dürfte im Februar eine bundesweite Inzidenz von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner erreicht sein. Dann stellt sich die Frage: Lockerungen oder Strategiewechsel? Klar scheint: Eine sofortige Rückkehr zu offenen Schulen und Geschäften würde die Fallzahlen rasch wieder steigen lassen. Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten die bisherige Eindämmungs-Strategie – relative Normalität bei gleichbleibend niedrigen Fallzahlen – für gescheitert. Sie sprechen von einer Jojo-Situation von Lockdown und Lockerung.
Während Deutschland im Lockdown hockt, besuchen Australier Tennisturniere
Die bevorzugte Alternative wäre ein Strategiewechsel hin zu NoCovid – also quasi dem Ausrotten des Virus. Andere Länder wie etwa Australien, Japan oder Vietnam haben diese Strategie bereits erfolgreich umgesetzt. Während in Deutschland Lockdown-Lethargie herrscht, ist das Bild in Australien ganz anders: Bei den Australian Open wird vor Zuschauern Tennis gespielt. Wäre das hier auch möglich?
Ja, sagt eine Gruppe von Forschenden. Das Ziel, das uns die Normalität zurückbringen soll, heißt NoCovid. Die bisherige Strategie der Begrenzung des Virus, führe zu einer Art Jojo-Lockdown, sagt Professor Michael Hallek, Direktor der Klinik für Innere Medizin an der Uniklinik Köln und Mitinitiator von NoCovid.
Das hat sich bei diesem Virus nicht als praktikabel erwiesen. Das mussten wir als Pandemie-unerfahrene Menschen schmerzhaft lernen. Das funktioniert eben nicht. Dazu ist es ein bisschen zu schnell ansteckend, ein bisschen zu sehr krankmachend und das macht es für die Gesellschaft zu so einer Bedrohung.
Lockere man jetzt bei der Inzidenz von 50, dürften die Infektionszahlen wieder schnell ansteigen.
Rote, gelbe und grüne Zonen als Strategie in Richtung NoCovid
Aber was bedeutet NoCovid? Zunächst sollte die Inzidenzzahl auf unter 10 sinken. Erreicht eine Region diese Zahl, wird sie zur gelben Zone, wenn sie noch an Regionen mit höheren Inzidenzen angrenzt. Werden auch alle Nachbarregionen frei von Neuinfektionen, so wird sie zur grünen Zone und kann mit weiter auf 0 sinkenden Fallzahlen nach und nach alle Regeln lockern, bis hin zur Normalität, wenn über mehrere Wochen hinweg die Inzidenz auf 0 gehalten wurde. Wo es weiterhin viele Neuinfektionen gibt, ist die Zone rot und die Bürger müssen weiter mit Einschränkungen leben.
Sehr niedrige Infektionszahlen gering zu halten, sei viel einfacher, erläutert Professor Dirk Brockmann von der Humboldt-Universität zu Berlin. Er beschäftigt sich damit, den Verlauf der Pandemie mit mathematischen Modellen zu berechnen, quasi eine Art Vorhersage, wie wir sie vom Wetter kennen. "Man muss sich eine Situation vorstellen, in der überall die Zahlen gering sind und ab und zu bricht das mal lokal wieder aus und man reagiert sofort und dämmt das wieder ein. Das funktioniert dynamisch viel, viel effektiver."
Damit das klappt, muss es zwingend eine effizientere und konsequentere Test- und Kontaktverfolgungsstrategie geben. Bei erneut steigenden Fallzahlen sollte nicht über die Schließung von Einrichtungen debattiert werden, sondern bestimmte Mechanismen automatisch in Kraft gesetzt werden. Steigen die Zahlen auf einen bestimmten Wert, werden sofort diese oder jene Bereiche geschlossen. So könnte viel schneller auf Entwicklungen reagiert und wertvolle Zeit gewonnen werden. Den Fachleuten zufolge wäre es gar nicht zur zweiten Welle gekommen, wäre der fünf- bis neuntägige Abstand zwischen Symptombeginn und Quarantäne zwei Tage kürzer gewesen.
Lassen sich die Menschen für NoCovid gewinnen?
Wie aber könnte die Bevölkerung für die neue Strategie gewonnen werden? Cornelia Betsch ist Heisenberg-Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt. Im Projekt COSMO (der Name steht für COVID-19 Snapshot Monitoring) befragt ihr Team regelmäßig Menschen zur Pandemie-Situation. Und die seien zunehmend belastet und müde von der Pandemie. Eine klare Perspektive auf ein echtes Ende könnte die Menschen noch einmal neu motivieren, glaubt sie. "Wir sehen sehr deutlich, dass ein Strategiewechsel einen Motivationspush geben könnte. Man weiß dann, worauf man sich einlässt. Einfach muss es sein, am liebsten überall einheitlich und ein planbares Regelwerk haben." Insbesondere der Wettbewerb auf regionaler Ebene – wer wie schnell zur grünen Zone wird oder es bleibt – könnte die Menschen motivieren, erklärt Betsch.
Wir sehen sehr deutlich, dass ein Strategiewechsel einen Motivationspush geben könnte.
Damit das klappt, müsse es auch mehr Kontrollen zur Einhaltung der Regeln geben. Wichtig dabei seien nicht hohe Bußgelder, sondern eine hohe Chance erwischt zu werden, wenn man beispielsweise aus einer roten Zone mit Quarantäneregeln in grüne Gebiete zum Einkaufen fährt. "Wichtig ist, dass man erwischt wird, wie bei einer Verkehrskontrolle", sagt Michael Hallel.
NoCovid ist das beste Ziel
Dass das Virus ausgerottet werden kann, bezweifelt Professorin Eva Grill von der LMU München. Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie hält NoCovid dennoch für das bestmögliche Ziel – insbesondere in Hinblick auf die Virus-Mutationen. Denn die ansteckenderen Varianten dürften wieder zu stark steigenden Zahlen führen. Die Infektionen jetzt auf ein Minimum zu drücken, sei notwendig. Bestenfalls müsse ganz Europa den Strategiewechsel mitmachen, denn Viren kennen natürlich keine Ländergrenzen. Hier könne Deutschland als gutes Vorbild voran gehen:. "Wir brauchen auf alle Fälle die europäischen Nachbarn. Sonst gibt es an den Grenzen immer wieder Einträge in die Bevölkerung", sagt sie.
Deshalb ist NoCovid auch eine paneuropäische Langzeit-Strategie. Zunächst würde das Grüne-Zonen-Modell aber auch auf regionaler Ebene funktionieren, glauben die Fachleute der Initiative. Wie das funktionieren soll, arbeitet das Team derzeit im Detail aus.
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