Meteorologie Macht die KI jetzt bessere Wettervorhersagen?
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29. Juli 2024, 09:46 Uhr
Die Wettervorhersage wirkt für manche von außen betrachtet zuweilen immer noch wie eine technologisierte Bauernregel. Entweder sie passt, oder sie passt nicht. Aber seien wir ehrlich: Meistens passt sie weitestgehend. In Wirklichkeit tun Meteorologinnen und Meteorologen sowieso alles, was die Wissenschaft hergibt. Und da ist künftig noch mehr drin – künstlicher Intelligenz sei Dank. Im Übrigen auch für die Klimaforschung.
- Bei der Genauigkeit von Wettervorhersagen muss abgewogen werden zwischen kleinräumiger Auflösung und Rechenaufwand
- Mit KI-Modellen kann der Rechenaufwand minimiert werden, die Methode hat aber Nachteile
- Eine neue Studie bringt klassische naturwissenschaftliche Wettervorhersagen und maschinell lernende Modelle zusammen
Wenn einem sonst nichts einfällt, spricht man eben übers Wetter. Das wahrscheinlich seit Jahrtausenden prädestinierteste Smalltalkmaterial ist sozusagen gelernte Gesellschaftskompetenz. Und wenn nicht Petrus selbst, dann sind die Vorhersage seiner Launen ein ebenfalls dankbares, wenn nicht gar emotionales Thema. Und ein dankbarer Artikeleinstieg, aber diesmal gibt's tatsächliches Neues zu berichten und damit auch neue Inhalte für den nächsten Smalltalk.
Zur augenblicklichen Lage: Die Chancen stehen eins zu fünf, dass ein Gewitter auch wirklich über einem losdonnert, wenn es die Wetter-App vorab prognostiziert hat. Oder anders gesagt: Ein angekündigtes Gewitter tritt vor Ort wahrscheinlich … nicht auf. Solche feuchtheißen Wettersuppen machen eben nicht nur allen außerhalb von klimatisierten Räumlichkeiten, sondern auch Meteorologinnen und Meteorologen von Berufs wegen das Leben schwer. Auch Karsten Haustein von der Uni Leipzig. Die Gewitterzellen ploppen in Popcorn-Manier sehr kleinräumig auf, sagt er. Und da liegt auch das Problem.
"So ein Wettermodell, das besteht im Prinzip so aus kleinen Gitterboxen. Und umso mehr Gitterboxen, umso größer wird der Rechenaufwand." Denn für jede einzelne Gitterbox werden die atmosphärischen Prozesse gerechnet. Gerade bei Gewitter wären aber viele Gitterboxen nötig, eine höhere Auflösung also. Und nicht nur das: Bei modernen Wettervorhersagen werden Temperatur- und Niederschlagsverläufe viele Male mit leicht veränderten Variablen gerechnet und ein Durchschnitt gebildet, um den Bereich plausibler Möglichkeiten abzustecken. Ensemble-Prognose heißt das.
Genauere Wettervorhersage – viel mehr Rechenleistung
"Mit der Erhöhung der Auflösung, statt zwei einen Kilometer, brauche ich den vierfachen, teilweise den achtfachen Aufwand an Rechenleistung, weil ich auch noch mehrere vertikale Schichten auflösen muss." Das Problem: Die zur Verfügung stehenden Rechenkapazitäten wachsen nicht mehr so stark wie in der Vergangenheit. Dafür tun sich neue Möglichkeiten auf.
Mit maschinellem Lernen, einem Teilbereich der KI, in dem Computer Fähigkeiten erlernen können, die nicht explizit programmiert worden sind, ist es möglich, durch die Wettermuster der vergangenen Jahrzehnte Vorhersagen zu treffen. Zum Beispiel, stark vereinfacht gesprochen, den Ablauf, wenn ein Tiefdruckgebiet über uns hinwegzieht: "Erst kommt die Warmfront, dann kommt die Kaltfront, dann kommt der Kaltsektor. Das lernen die einfach als raumzeitliche Muster und das kann man dann auch benutzen, um zukünftiges Wetter auf Basis dieser Muster vorherzusagen", sagt Peter Knippertz, Meteorologe am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
KI-Wettermodelle sparen Zeit und Rechenleistung
Im Gegensatz zur klassischen naturwissenschaftlichen Wettervorhersage lässt sich auf diese Weise viel Zeit und Rechenleistung sparen, zumindest nachdem die Modelle erstmal trainiert wurden. Solche Vorhersagen sind aber häufig etwas zu glatt, so Knippertz. Ist eben wie bei KI-erzeugten Bildern und Texten alles einfach zu hübsch, um wahrhaftig zu sein. Knippertz sagt, die Modelle würden "zu sehr auf einen Mittelwert lernen und extreme Ereignisse eher nicht gut zu repräsentieren".
Tatsächlich ist es so, dass mit noch höherer Auflösung auch das Potenzial dafür besteht, dass Wettervorhersagen besser werden.
Oder die Modelle werden instabil und erzählen dann einfach Quatsch. Halluzinationen kennt man ja auch sonst von KI-Modellen. Forschenden aus Großbritannien ist es aber gelungen, die physikalische Wettervorhersage mit maschinellem Lernen in einem neuen Modell zu kombinieren, schreiben sie jetzt im Fachblatt Nature. Eine überzeugende Darlegung, antwortet die Fachwelt, und klatscht Beifall ob der Leistung. Auch Peter Knippertz applaudiert:
"Da ist der Trick, wenn man so will. Dass man sagt, wir versuchen das Beste aus beiden Welten zu vereinen." Peter Knippertz erklärt, das Modell erstelle erstmal eine solide physikalische Wettervorhersage. Und komplexe Unsicherheitsfaktoren – eben zum Beispiel Gewitter, aber auch Sonnenstrahlung – kommen bei jedem Rechenschritt als maschinell gelerntes Sahnehäubchen obendrauf.
Hybrides Wettermodell begeistert und macht Lust auf Klimaforschung
Auch Karsten Haustein von der Uni Leipzig sieht hier einen großen Schritt vorwärts und ist gespannt auf das, was da in den nächsten Jahren da noch kommt: "Tatsächlich ist es so, dass mit noch höherer Auflösung auch das Potenzial dafür besteht, dass Wettervorhersagen besser werden." Und nicht nur die. Das Modell taugt auch für Klimavorhersagen, also von Natur aus rechenintensive Unterfangen, die zwar geringer aufgelöst sind als Wettervorhersagen, aber eben auch die ganze Welt über Jahrzehnte einschließen.
Zumindest die Studienergebnisse würden schon mal nicht schlechter aussehen als das, was Modelle rechnen können, die dem Weltklimabericht des IPCC zugrunde liegen, so Peter Knippertz vom KIT. Sein Kollege Karsten Haustein sieht das Potenzial ebenfalls: "Was wir aber nicht können, ist fünfzig bis hundert Jahre in die Zukunft rechnen und dann hoffen, dass dieses Hybrid-Modell immer noch so perfekt funktioniert." Geht ja auch nicht, denn für den Klimazustand in fünfzig bis hundert Jahren braucht es entsprechende Trainingsdaten. "Dieses Training, das geht nur, indem ich erstmal Klimamodelle klassisch rechnen lasse, dann die KI daran trainiere und dann das trainierte Modell mit Klimasimulation wieder zusammenbringe."
Allein die künstliche Intelligenz wird’s also kaum richten, betont Haustein. So sei es genauso wichtig, das Know-how bei den rechenintensiven physikalischen Vorhersagen zu verbessern. Die sind bei Hochdrucklagen im Übrigen besonders genau. Auf Sommerwetter in der Vorhersage ist also dankenswerterweise Verlass. Erzählen Sie das ruhig beim nächsten Smalltalk.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 27. Juli 2024 | 06:37 Uhr
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