Kunststoff-Boom in der DDR Siegeszug der Plaste
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02. Dezember 2021, 18:51 Uhr
Der Kunststoff-Boom in den 1960er-Jahren war kaum aufzuhalten. DDR-Plaste stand damals vor allem für Moderne, Schönheit und Wohlstand. Kein Wunder, dass sie so beliebt war. Doch Plaste hat auch eine Kehrseite: Es lässt die Müllberge weltweit wachsen, weil es nur schwer recycelt werden kann. Laut der Europäischen Union wurden 1950 weltweit 1,5 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt. 2019 waren es beispielsweise 368 Millionen Tonnen. Ein Großteil davon landete auf dem Müll.
Plaste wird zum Massenprodukt
Föhne, Gießkannen, Ventilatoren, Eierbecher, Vasen ... es gab eine Zeit in der DDR, da schien alles aus Plaste zu sein. Seinen Siegeszug tritt Plaste in der DDR 1958 an. Walter Ulbricht verkündet, die Chemieproduktion innerhalb von sieben Jahren, um das Doppelte zu steigern. Man will schließlich nicht dem Westen hinterherhängen. Doch das Problem: Plaste wird aus Erdöl gewonnen und das muss man in der DDR erst mal finden.
Erdöl-Suche in der DDR
Flächendeckend wird das Land nach Erdöl abgesucht. Zwischen 1960 und 1989 werden mehr als 2.000 Bohrungen durchgeführt – geschätzter Gesamtaufwand: mehr als zwei Milliarden Mark. An der Küste stößt man tatsächlich auf Erdöl, doch nur zwei Prozent dessen, was die DDR braucht. Die Rettung für die DDR-Plaste: eine Öl-Trasse aus der Sowjetunion. "Druschba" erreicht im Juli 1963 die Stadt Schwedt an der Oder und bringt das Erdöl zu den Chemiefabriken der DDR in Leuna und Buna. Der Plaste-Boom nimmt Fahrt auf.
Die DDR holt bei der Produktion von Werkstoffen aus Plaste auf und steht schließlich an der vierten Stelle in der Welt. Im Volkseigenen Betrieb "Plasta" in Ottendorf bei Dresden wird der Werkstoff verarbeitet und gepresst. Doch bald zeigen sich die Schattenseiten des Plaste-Booms. Nicht nur der Abfall, sondern auch der Preis schießt ihn die Höhe.
Die Erdölkrise von 1973
Die Ölkrise von 1973 wird zu einem weltweiten Problem. Im Herbst drehen die arabischen Erdölexporteure den Hahn zum schwarzen Gold zu. Auslöser war der israelisch-arabische Jom-Kippur-Krieg. Dieser begann am 6. Oktober 1973, dem Tag des jüdischen Versöhnungsfests Jom Kippur. Arabische Staaten wie Ägypten und Syrien griffen Israel an und waren zunächst erfolgreich. Jedoch verhalfen die westlichen Verbündeten Israel zum Sieg.
Der Konflikt endete zwar am 25. Oktober, doch die arabischen Staaten lösten ein totales Embargo aus und drehten den Ölhahn zur USA zu. Der weltweite Erdölpreis stieg an. 1974 muss die Bundesrepublik fast 153 Prozent mehr für ihren Erdölimport zahlen als im Vorjahr. Für das gleiche Geld von 1970 bekam die DDR 1978 nicht mehr einen Liter, sondern nur 0,14 Liter Erdöl – eine siebenfache Preissteigerung.
Die Idee des Plasten-Recyclings
Für die DDR wird die Krise zum Ansporn: Es wird fieberhaft nach Ideen gesucht, wie man Plaste wiederverwenden kann. Der VEB Plast- und Holzverarbeitung Grabow etwa entwickelt ein Verfahren, um aus alten Kuchen- und Brotkisten Kabelrohre herzustellen. Im DDR-Fernsehen wird am 25. Juli 1979 verkündet:
Sicher, die Rohre haben andere Anforderungen an die Technologie, noch ist ihr Einsatz nicht ganz ohne Probleme, muss geprüft werden, müssen Erfahrungen gesammelt werden. Doch es lohnt sich: 1981 werden wir 1.200 Kilometer solcher Rohre einsetzen. Knappe 3.000 Tonnen verarbeiteter Plaste-Schrott.
Recycling-Weltmeister DDR?
Damit ist die DDR deutlich weiter als die Bundesrepublik, denn dort gibt es für Plaste überhaupt kein Recyclingsystem. Alles landet auf der Deponie. Und zwar nicht zu knapp. Denn schon damals ist der Westen Meister der Kunststoff-Verpackungen.
In der DDR gibt es deutlich weniger davon. Und der Großteil landet auch nicht auf der Deponie, sondern in einer der 17.000 Sero-Annahme-Stellen. Auch diese Plaste versucht man zu recyceln. Doch das ist um einiges schwieriger. Verpackungen bestehen aus unterschiedlichen Arten von Plaste. Hinzu kommt, dass sie verschmutzt sind. Reiniger-Flaschen etwa beinhalten Reste von Chemikalien.
Wir wollen die Plaste, so wie sie anfällt, wiederverwerten. Das bringt komplizierte wissenschaftliche Probleme bezüglich der Verträglichkeit der verschiedenen Plast-Arten mit sich.
Chemiker, Verfahrenstechniker und Ingenieure aus Merseburg tüfteln 1979 an der Lösung, wie sie verschiedene Plast-Sorten gemeinsam verarbeiten können. Damit sind sie nicht allein. Denn auch in anderen Ländern wird an diesem Problem intensiv gearbeitet. Deshalb wird die verwendete Substanz der Merseburger zunächst auch geheim gehalten.
Der Plastikmüll boom weiter
Doch alles Tüfteln hat nichts genutzt. Bis heute bereitet das Recycling von Plaste Wissenschaftlern Kopfzerbrechen. Nur dreizehn Prozent des Materials, das in Deutschland im Jahr 2017 zur Herstellung von Kunststoffprodukten verwendet wurde, waren wiederaufbereitete Kunststoffe. Es hat sich also nichts geändert: Der Hunger nach Plaste-Produkten ist ungebrochen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Schwalbe und Plasteschüssel - Alltagsdesign in der DDR | 23. März 2021 | 22:20 Uhr