Vogelperspektive: Ufer an Talsperrensee mit kahlen Flächen und abgestorbenem Wald, im Hintergrund Bergzüge mit etwas Schnee. Leuchtend braune und Graubraune Farben, winterliche Stimmung.
Wälder nehmen Nitrat aus dem Boden auf. Verschwinden sie, steigen die Nitratwerte im Boden für einen langen Zeitraum an. Bildrechte: imago/Zoonar

Nitrat im Grundwasser Wie das Borkenkäfer-Baumsterben unsere Wasserqualität beeinflusst

31. Oktober 2023, 20:30 Uhr

Borkenkäfer sind für unsere Wälder mitunter ein Problem. Vor allem, wenn die Sommer warm und trocken sich, können sich die Tiere im Wald besonders gut ausbreiten. Die Folge: absterbende Bäume. Neben dieser sehr unmittelbaren Folge des Borkenkäfer-Befalls beeinträchtigt der Käfer aber auch die Wasserqualität, das lokale Klima und Nährstoffkreisläufe.

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Borkenkäfer in Europas Wäldern stark vermehrt, was für den Wald mitunter tragische Konsequenzen hatte: Auf mehreren Kontinenten wurde das größte jemals verzeichnete Baumsterben durch Insektenbefall beobachtet. Die durch den Klimawandel tendenziell trockener, wärmer und länger werdenden Sommer könnten den Käfern noch stärker bei der Vermehrung helfen. Ihre Wirtsbäume dagegen sind durch die Dürre geschwächt und können sich nicht mehr so gut zur Wehr setzen.

Es ist also davon auszugehen, dass sich die Borkenkäfer-Problematik in Europas Wäldern in den kommenden Jahren noch verschärft. Das ist zum einen dramatisch, weil viele Bäume (vornehmlich Fichten) durch den Borkenkäfer abgetötet werden. Darüber hinaus hat das Borkenkäfer-bedingte Baumsterben aber weitreichende Konsequenzen für das Ökosystem. Denn mit dem Absterben der Bäume schwindet eine ihrer wichtigen Ökosystemdienstleitungen: Die Aufnahme von Nitrat aus dem Boden.

Was macht den Borkenkäfer so gefährlich? Wenn die Rede von "dem" Borkenkäfer ist, so stimmt das eigentlich nicht ganz. Weltweit gibt es circa 6.000 Borkenkäfer-Arten, von denen die meisten lediglich tote Bäume und Baumbestandteile besiedeln. Damit spielen sie im Nährstoffkreislauf eine wichtige Rolle – und sie sind Nahrung für andere Tiere. Einige Borkenkäferarten gehen auf lebende Bäume über, wenn ihre Population viele Individuen verliert. Vermehren sich die Käfer ann wieder, töten sie oft große Mengen von lebenden Bäumen.

Die Borkenkäfer-Sorte, die vielen Fichtenwäldern Probleme bereitet, ist der Buchdrucker. Gerade in reinen Fichtenregionen kann er sich gut vermehren. Obwohl er nur wenige Millimeter groß ist, kann er dann ganze Waldstücke zum Absterben bringen.

Erwachsene Borkenkäfer legen ihre Eier unter der Rinde eines Baumes ab. Die Larven entwickeln sich dort und verpuppen sich zu Jungkäfern. Dabei fressen sie sich durch den sogenannten "Bast" unter der Borke des Baumes. So zerstören die Tiere die Leitungsbahnen des Baumes, die er benötigt, um Nährstoffe und Wasser zu transportieren. Die Käfer graben dem Baum sozusagen "das Wasser ab". Der Zyklus einer Borkenkäfergeneration dauert in der Regel zwischen sieben und zehn Wochen. So können in einem Sommer zwei bis drei Generationen ihren Lebenszyklus abschließen.

Wird es kälter, stellt der Käfer seine Aktivitäten ein und überwintert unter der Rinde eines Baumes. Bleibt es nun dank dem Klimawandel länger warm, schaffen die Borkenkäfer womöglich noch eine vierte Generation. Ein Weibchen bekommt 100.000 bis 250.000 Nachkommen. Sorgt der Klimawandel für höhere Temperaturen in den kälteren Regionen Europas, können sich die Käfer auch dorthin ausbreiten. Deshalb rechnen Forschende damit, dass sich der Borkenkäfer in den kommenden Jahrzehnten noch sehr viel weiter ausbreitet.

Der Kohlenstoff-Gehalt im Boden steigt

Unmittelbar nachdem viele Bäume durch den Borkenkäfer abgestorben sind, nimmt die Nährstoffkonzentration im Boden zu. Die Nährstoffe, von denen sich die Bäume ernährt hatten, bleiben quasi erst einmal übrig, ebenso wie die Feuchtigkeit im Boden, wenn die Wurzeln nicht mehr saugen. Deshalb steigt der Bodenwassergehalt häufig an.

Eine aktuelle Metastudie kommt nun zu dem Ergebnis, dass sich nach dem Absterben der Bäume zuerst der Gehalt an gelöstem organischen Kohlenstoff (engl. dissolved organic carbon, kurz DOC) im Boden zunimmt. Der Waldboden ist einer der wichtigsten Speicher für Kohlenstoff, eine sogenannte Kohlenstoffsenke. Man geht davon aus, dass in Böden insgesamt mehr Kohlenstoff aufgenommen wird, als in der Atmosphäre oder in Wäldern.

Die Nitratwerte im Grundwasser sind ohnehin schon zu hoch

Zwei bis drei Jahre nach dem Borkenkäfer-bedingten Baumsterben erreicht die Konzentration an Kohlenstoff im Boden ihre Höchstwerte, danach sinken sie wieder, so die Ergebnisse der Studie von 2023.

Dagegen steigen die Konzentrationen von Nitrat (NO3-) erst ein Jahr nach dem Baumsterben. Nitrat ist zwar nicht per se schädlich, sondern ein wertvoller Nährstoff, den viele Pflanzen nutzen können. Allerdings stößt beispielsweise die Verbrennung fossiler Kraftstoffe auch Stickstoff aus, der wiederum in den Boden übergeht. Deshalb ist mittlerweile in vielen Regionen Deutschlands deutlich mehr Nitrat im Boden, als die Pflanzen aufnehmen können.

Im schlimmsten Fall kann dadurch eine Versauerung unserer Böden entstehen – und der Stoff gelangt ins Grundwasser. Was ohnehin schon jetzt ein Problem ist: Nach Angaben des Umweltbundesamtes wird der gesetzlich festgelegte Schwellenwert von 50 Milligramm pro Liter an circa 17 Prozent der Messstellen überschritten. Das liegt auch an der stickstoffhaltigen Düngung auf landwirtschaftlichen Nutzflächen. Über das Grundwasser gelangt Nitrat ins Trinkwasser und kann beispielsweise für Säuglinge ernste gesundheitliche Folgen haben.

Maximale Nitratkonzentration im Schnitt nach fünf Jahren erreicht

Im Waldboden erreicht Nitrat nach einem Borkenkäfer-bedingten Baumsterben innerhalb von drei bis zehn Jahren die höchste Konzentration. Im Schnitt werden maximale Werte nach fünf Jahren erreicht. Das zeigt, wie lange das Baumsterben im Boden noch nachwirkt. Die Grenzwerte für Trinkwasser wurden im Waldboden allerdings nicht überschritten. Die aktuelle Studie findet aber auch große regionale Unterschiede in der Zunahme und dem Abbau von Nitrat im Boden nach einem Baumsterben. Möglicherweise können gute Regenerationsstrategien, beispielsweise der gezielte Anbau neuer Baumarten, für den Waldboden hier einen Unterschied machen – dazu forschen die Wissenschaftler gerade in einem Waldgebiet an der Langen Bramke im Harz.

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Lilli Mette arbeitet als Revierförsterin bei Thüringenforst. Sie nimmt uns mit auf eine Baumfällaktion in ihrem Revier, vor der sie etwas nervös ist.

Do 29.12.2022 10:33Uhr 14:32 min

https://www.mdr.de/wissen/video-ard-alpha-uni-foersterin-werden-100.html

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Links/Studien

Die aktuelle Studie How do bark beetle outbreaks impact water quality in temperate forested catchments? ist hier vorgstellt.
Eine weitere spannende Studie mit dem Titel Bark Beetle Outbreaks in Europe: State of Knowledge and Ways Forward for Management ist hier zu finden.

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Abgeholzte Bäume und Stümpfe 7 min
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