Forstwissenschaften vs. Wohlleben und Simard Bäume haben keine Gefühle und sollten nicht vermenschlicht werden
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25. September 2023, 08:15 Uhr
Bestseller-Literatur über Wälder zeichnet häufig das Bild sanfter, charaktervoller Baumwesen, die sich gegenseitig unterstützen, gezielt handeln und altruistisch Nährstoffe austauschen. Viele Forstwissenschaftler kritisieren diese Romantisierung bereits seit Jahren, eine aktuelle Publikation hat populäre Thesen noch einmal gesammelt überprüft.
Wie viel Emotion empfinden unsere Bäume? In den vergangenen Jahren gab es zwei Bücher, die zu Bestsellern wurden und viele Menschen für das Thema begeistern konnten. Eine aktuelle Metastudie prüft nun die Thesen aus Peter Wohllebens "Das geheime Leben der Bäume" und Suzanne Simards "Finding the Mother Tree" (deutscher Titel: Die Weisheit der Wälder). Das Ergebnis der Metastudie: die Thesen sind mitunter weit hergeholt. Bäume empfinden womöglich weniger, als wir gerne glauben wollen und für viele der Thesen bei Wohlleben und Simard gibt es kaum fundierte wissenschaftliche Evidenz. Ganz im Gegenteil könne der Wunsch, die Pflanzenwelt zu vermenschlichen, zu Missverständnissen führen und dem Ziel, Wälder zu erhalten, eher schaden als helfen. Das zumindest ist das Fazit der Studie Mother trees, altruistic fungi, and the perils of plant personification, die aktuell im Journal Trends in Plant Science erschienen ist.
Bäume halten nicht zusammen
Die These, dass Bäume einer Art einander unterstützen und "zusammenhalten" um zu überleben, sei beispielsweise nicht haltbar, so die Aussage der Forschenden um David Robinson von der Universität Heidelberg. In seiner Metastudie habe er ganz im Gegenteil festgestellt, dass innerartliche Konkurrenz auch bei Bäumen eine zentrale Rolle einnimmt. Innerartliche Konkurrenz bedeutet, dass Bäume derselben Art natürlich auch denselben Lebensraum benötigen, also um dasselbe Licht und dieselben Nährstoffe im Boden konkurrieren.
Mutterbaum-Konzept wissenschaftlich schwer zu verifizieren
Ein weiteres populäres Konzept, das nach der Ergebnissen der Metastudie von David Robinson keinen Bestand hat, ist das des "Mother Tree" (dt. Mutterbaum). Der Mother Tree ist in dieser Theorie ein älterer Baum, der gezielt jüngere Bäume über ein Pilznetzwerk mit Kohlenstoff versorgt. Weitergeleitet werden die Stoffe zwischen den Bäumen in diesem Szenario mittels Mykorrhiza-Pilzen. Dass ein solches Pilznetzwerk im Waldboden existiert, lässt sich bestätigen – dass ein gezielter Transfer hin zu jüngeren Bäumen stattfindet, jedoch nicht. Ob die Kohlenstoffpartikel überhaupt aus dem Pilznetzwerk in die Wurzeln anderer Bäume eindringen, lässt sich nicht abschließend belegen. "Und dort, wo die Daten einen solchen Transfer tatsächlich nahelegen, ist die ausgetauschte Kohlenstoffmenge so gering, dass es für den empfangenden Baum physiologisch völlig irrelevant ist", betont Robinson.
Die Verklärung der Wälder kann negative Konsequenzen haben
Neben David Robinson stehen Forschende der Universität Göttingen sowie internationale Biologen, Forstwissenschaftlerinnen und Pflanzenwissenschaftler hinter der Publikation. Nachdem Peter Wohlleben und die deutsche Forstwissenschaft sich bereits länger schon nicht ganz grün sind, kritisieren die Forschenden nun: Wenn unsere Perspektive auf Bäume von "wohlklingenden, aber falschen Botschaften" geprägt sei, könne das ernsthafte Folgen bezüglich der nötigen Anpassungen unserer Wälder an den Klimawandel haben. Möglicherweise kann man sich in diesem Punkt nämlich nicht auf die eigene, mythische Kraft der Bäume und ihren vermeintlichen Zusammenhalt untereinander verlassen, sondern kommt nicht darum herum, klimaresistentere Baumarten zu pflanzen, im Sinne eines grundlegenden Waldumbaus.
Links/Studien
Die aktuelle Publikation ist im Journal Trends in Plant Science zu finden - leider aber nicht komplett kostenlos.
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