Weltnaturkonferenz in Kolumbien COP16: Schließen wir endlich Frieden mit der Natur?
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04. November 2024, 12:39 Uhr
Unter dem Motto "Peace with Nature" ist die 16. Weltnaturkonferenz in Kolumbien gestartet. Wichtigste Frage: Wie steht es um die Umsetzung des 2022 beschlossen Weltnaturabkommens und wer hat seine Hausaufgaben gemacht?
Im kolumbianischen Cali findet vom 21. Oktober bis 1. November die 16. UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt unter dem Motto "Peace with Nature" statt. Vor zwei Jahren hatten sich 196 Vertragsstaaten im Montreal, Kanada, auf ein umfangreiches Naturschutzabkommen geeinigt, mit dem der Schutz der Ökosysteme, der darin lebenden Arten und der genetischen Ressourcen erreicht werden soll. Auf der diesjährigen COP16 geht es nun darum, den Stand des Weltnaturabkommens zu prüfen.
Der Druck ist hoch, die Zeit ist knapp
Im sogenannten "Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework" wurden 2022 27 lang- und mittelfristige Ziele festgehalten, die bis 2050 dazu führen sollen, dass man nicht mehr im Krieg mit der Natur lebt, sondern diese nachhaltig bewirtschaftet, ohne Raubbau zu betreiben. Allein bis 2030 sollen 23 dieser Ziele bereits umgesetzt werden. Der Druck ist also hoch. Das Hausaufgabenpaket der teilnehmenden Staaten war umfangreich, denn nun musste geprüft werden, wie all das auf nationaler Ebene umgesetzt werden sollte. Doch nach zwei Jahren wird deutlich, dass die Weltgemeinschaft hinterherhinkt.
Das gilt auch für Deutschland, das laut der Biologin und Geschäftsführerin des Leipziger Helmholtz Zentrums für Umweltforschung (UFZ) Katrin Böhning-Gaese international einer der wichtigesten Geber für Biodiversiätsprojekte ist und eigentlich eine Vorreiterrolle einnehmen sollte. "Schon fast beschämend ist, dass Deutschland seine nationale Strategie und den dazugehöringen Aktionsplan zum Schutz der Biodiversität noch nicht verabschiedet hat", so Böhning-Gaese.
Komplexes Vorhaben auf allen Ebenen
In einem Interview mit dem Deutschlandfunk äußerte Astrid Schomaker, Chefin der UN-Konvention zum Schutz der Biodiversität und eine der Vorsitzenden der Konferenz, dass erst 92 Staaten eine Zielsetzung und erst 29 dieser Staaten einen Aktionsplan formuliert und eingereicht haben (Stand 17.10.). Das sei dem sehr komplexen Vorhaben geschuldet. Viele Staaten hätten rückgemeldet, dass es extrem schwierig sei, die gesamte Regierung mit ins Boot zu holen, denn solch ein Aktionsplan erfordert nicht nur die Arbeit eines Umweltministeriums, sondern alle Bereiche müssten hier miteinbezogen werden.
So nachvollziehbar diese Begründung auch sein mag, um so frustrierender ist die Verzögerung, wenn man einen Blick auf den "Living Planet Report 2024" der Umweltstiftung WWF und der Zoologischen Gesellschaft London wirft. Darin heißt es, dass die insgesamt 35.000 untersuchten Wildtier-Populationen in den vergangenen 50 Jahren um durchschnittlich 73 Prozent geschrumpft sind. Und auch im globalen Zustandsbericht der "Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services" (IPBES) im Jahr 2019 sei laut Dr. Jens Jetzkowitz vom Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei ein besorgniserregendes Bild gezeichnet worden. "Von der eine Million als 'bedroht' klassifizierten Arten werden bis zu 500.000 als 'dead species walking' betrachtet, also als Arten, die wahrscheinlich innerhalb von Jahrzehnten aussterben werden", so Jetzkowitz. Will man dem entgegenwirken, ist der Schutz dieser Arten und der Ökosysteme, in denen sie vorkommen, um so bedeutender.
Von Leuchtturmzielen und Papiertigern
Daher steht unter anderem eines der Leuchtturmziele des Abkommens, das sogenannte 30x30 Ziel im Mittelpunkt der aktuellen COP16. Darin ist festgelegt, dass mindestens 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz gestellt werden sollen. Dieser Fokus ist laut Prof. Dr. Matthias Glaubrecht, Wissenschaftlicher Projektleiter des Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels, auch richtig, denn Haupttreiber der Biodiversitätsverluste auf globaler Ebene sei die sogenannte Landnutzung-Änderung, etwa durch Rodungen, Ausbau der Landbewirtschaftung, Infrastrukturprojekte, Zersiedlung und so weiter.
Glaubrecht mahnt allerdings auch ganz deutlich an, dass bisher weitgehend nur 'paper parks' bestünden. Das sind Land- und Seegebiete, die zwar auf dem Papier geschützt sind, in denen allerdings keine konkreten Maßnahmen umgesetzt werden. Außerdem seien die Schutzgebiete oft zu klein und zu verinselt. Laut Glaubrecht müssten diese erweitert und vernetzt – und vor allem sehr viel stärker von wirtschaftlicher Nutzung ausgenommen werden. "Wenn der Flächenschutz nicht ausgebaut und nicht effektiver gestaltet wird, ist das Montréal-Abkommen gescheitert und damit auch diese COP16, wenn sie – vor dem Hintergrund der bisher dürftigen Umsetzung der beschlossenen Ziele – dazu keine wirkungsvollen Maßnahmen implementiert. Alles andere ist Augenwischerei", sagt Glaubrecht.
Dr. Yves Zinngrebe vom UFZ merkt außerdem an, dass die Effektivität davon abhinge, inwieweit Schutzgebiete von verschiedenen Ressortpolitiken berücksichtigt und die Gefahren für Biodiversität reguliert werden würden. Er erklärt, dass die Finanzierung von Schutzgebieten sinnlos sei, wenn sie zum einen mit anderen Finanzierungsmechanismen konkurriere und wenn es zum anderen keine effizienten Strukturen für ihre Verteilung gäbe. "Wenn Landwirte zum Beispiel mehr Finanzierung für Intensivierung bekommen, wird die Förderung von nachhaltiger Nutzung in den Entscheidungen hinten runterfallen. Statt viel neues Geld auszugeben, erscheint eine verstärkte Arbeit an der Abschaffung schädlicher Anreize noch wichtiger", so Zinngrebe.
Vom Nischenthema zum Mainstream
Hier wird ein zentraler Punkt deutlich: Der Verlust der Biodiversität kann nur gebremst oder verhindert werden, wenn sich gesellschaftliche und kulturellen Verhältnisse ändern. Denn der Verlust der Arten ist menschgemacht. Unser Leben, unser Handeln, unsere Lebensweise führen dazu, dass die Natur immer weniger Raum hat. Längst geht es nicht mehr darum, dass einzelne Froscharten oder ein bestimmtes Insekt geschützt werden. Ganze Ökosysteme, Systeme, aus denen wir Menschen unsere Lebensgrundlage schöpfen, müssen geschützt werden. Dazu ist es laut Jens Jetzkowitz nötig, dass der Biodiversitätserhalt tatsächlich in den Mainstream alltäglicher gesellschaftlicher Entscheidungsprozesse gebracht wird. Hier müsse die COP16 Impulse für spezifischere Verpflichtungen setzen.
Doch was passiert, wenn derlei Vorhaben zwar angestrebt, aber dann doch nicht von den Vertragsstaaten eingehalten werden würden? Wer hält dabei wen in Verpflichtung? Und wie soll das Einhalten der Ziele eigentlich gemessen werden? Auch das ist ein wichtiger Themenkomplex, der auf der COP16 in den Fokus genommen werden soll: das Monitoring.
Im Kampf gegen den Biodiversitätsverlust stehen die 196 Staaten also noch immer ziemlich am Anfang. Der "Friedensvertrag" mit der Natur wird nur sehr langsam geschrieben. Angesichts der schnellvoranschreitenden Zeit und der Tatsache, dass 23 der 27 vereinbarten Ziele bereits in etwas mehr als fünf Jahren umgesetzt sein sollen, lohnt sich ein genauerer Blick auf die Ergebnisse der laufenden COP16.
Gute Nachrichten vom Planeten
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR Aktuell | 21. Oktober 2024 | 14:08 Uhr
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