Ostern und Klima Eier und Fleisch: Flatulieren auch Hühner das Klima warm?
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29. März 2024, 16:14 Uhr
Nur ein Ei pro Woche pro Person – nach Jahren der Eier-Völlerei lautet so nun abermals die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, sozusagen ein Déjà-vu. Diesmal geht’s aber nicht um die rein menschliche Gesundheit, sondern um die des ganzen Planeten. Was unsere Gesundheit schließlich wieder zugute kommt. Da es zu Ostern gern mal ein Ei mehr sein darf, stellt sich die Frage: Wie schlimm ist es um die Klimawirkung der bunten Osterfreuden eigentlich wirklich bestellt?
- Hühner haben als Nutztiere eine durchaus gute Klimabilanz
- Bei Eiern entstehen Emissionen vor allem an einer Stelle
- Der CO2-Fußabdruck von Eiern lässt sich recht simpel reduzieren
Während Weihnachten ohne Galionsfigur aus dem Tierreich auskommt, sind es zu Ostern gleich zwei. Der Feldhase, ein bezauberndes Wesen, das nach aktuellem wissenschaftlichem Konsens aber nicht imstande ist, die fürs Fest notwendigen Eier zu legen. Und diesen feierlichen Aspekt eben auslagern muss, ans Huhn, Tier Nummer zwei. Hühner sind so halb die perfekten Ostertiere. Sie sind in der Lage, Objekte, die ihnen weggenommen und versteckt wurden, nach wie vor in ihrer Gegenwart zu wissen. Allerdings können sie nichts Süßes schmecken. Ihnen steht also womöglich der Sinn nach einer Ostereiersuche, aber kaum nach dem Verzehr von Schokoladenhohlkörpern.
Aber wussten Sie, dass Ostern für uns zwar bunt sein mag, für Hühner aber am buntesten? Die Vögel sehen mehr Farben als wir, sogar ultraviolett. Wie elegant sich ein ultraviolettes Ei doch im Nest machen würde. Hühner können träumen, bringen ihren Zöglingen noch im Ei die Hühnersprache bei und sind von ihren geistigen Veranlagungen mit Hunden und Katzen gleich auf. Vielleicht können Sie auch deshalb unter hunderten scheinbar gleichen Artgenossen ihre Freunde erkennen – versuchen Sie das gleichermaßen mal beim nächsten Polterabend. Nun ist unser Verhältnis zum Geflügel ja ein durchwachsenes. Oder sagen wir: Nicht immer eins auf Augenhöhe. Kein neues, aber ein beständiges Problem.
Findet auch Georg Zamecnik. Gleich vorab: Georg Zamecnik isst sehr gerne Eier. Und zwar nicht nur, weil gerade Ostern ist und sich das eben so gehört. Der Vegetarier und Ökologe aus Wien hat aber durchaus eine klare Haltung zum Konsum tierischer Produkte: "Wenn man da mit Tierwohl argumentiert: Also auf Eier sollte man grundsätzlich verzichten." Da reicht der Kanon der Missstände vom Kükentöten über die viel zitierten Haltungsbedingungen bis hin zum absurd kurzen Leben, das so einem Eier-Huhn zugestanden wird. Das könnte theoretisch ein Jahrzehnt alt werden – eine Zeit, in der es freilich nicht permanent Eier legt. Nach ein bis anderthalb Jahren ist Schluss für Legehennen, bei Masttieren sind es nur drei Monate.
Huhn: Tier oder Maschine?
Der Konsum von Eiern ist also streng genommen nicht vegetarisch, weil eine Schlachtung nach kurzer Zeit zur Eierwirtschaft dazugehört. Fleisch ist da ehrlicher und Verbrauchende wissen von vornherein, worauf sie sich einlassen. Kurz hinter Schweinefleisch ist Hühnerfleisch das beliebteste der Welt, der Konsum ist etwa doppelt so hoch wie bei Rindfleisch. Zum Glück – möchte man fast sagen: Während auf ein Kilogramm Rindfleisch mindestens 15 Kilo CO2-Äquivalente anfallen und es auch mal hundert sein können, sind es beim Huhn nur zwei bis fünf. Das Schwein liegt mit fünf bis zehn Kilo dazwischen. "Die Hühner sind Maschinen, könnte man sagen", meint Georg Zamecnik, der sich am österreichischen Standort des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) mit Nachhaltigkeitsanalysen beschäftigt. Maschinen, nicht nur, weil sie in Mast- und Legebetrieben prinzipiell diese Anmutung haben, sondern weil Hühner so effizient sind: Für zwei Kilo Futtermittel gibt’s ein Kilo Fleisch. Bei Schweinen lautet das Verhältnis vier zu eins und bei Rindern sogar nur zehn zu eins.
Fast 16 Milliarden Eier wurden 2022 allein in Deutschland produziert, inklusive Eier, die für die Brut vorgesehen sind – Tendenz steigend. Diese Zahl untermauert wohl endgültig, dass Hühner mehr Maschinen als Tiere sind. 230 Eier pro Kopf haben die Deutschen im selben Jahr vermampft.
Das bedeutet nicht, dass für die meisten Bundesbürgerinnen und -bürger offenbar einmal im Monat Ostern ist oder an zwei Dritteln der Tage ein Frühstücksei auf dem Tisch landet. Sondern zeigt, dass Eier insbesondere in der verarbeitenden Industrie einen hohen Stellenwert genießen, nur die Hälfte landet als Frischeier auf dem Tisch.
Auch wenn die im Supermarkt reichhaltig drapierten Bio-Eierpackungen darüber hinweg täuschen dürften: Auf Bio entfällt nur jedes siebte Ei, nicht ganz ein Viertel aus Freilandhaltung und zwei Drittel stammen aus Bodenhaltung und damit aus zweifelhaften Umständen. Sieht man ja auch nicht, auf der bunten Kekspackung.
Wie steht’s um die Klimabilanz von Eiern?
Die Klimabilanz pro Kilo Ei sieht etwas besser aus als die pro Kilo Hühnerfleisch. Zamecnik und Team gehen von zwei bis drei Kilo CO2-Äquivalente pro Kilo Eier aus. So und jetzt Taschenrechner raus: Bedenkt man ein Gewicht von sechzig Gramm der Gewichtsklasse M, bringen die 16 Milliarden Eier 880 Tausend Tonnen auf die Wage. Macht 2,2 Millionen Tonnen CO2. H🥚dewitzka!
Oder anders gesagt: Es wäre an sich eine gute Idee, da was einzusparen. Für ihre Ernährung benötigen Hühner etwa 15 Prozent proteinhaltige Nahrung. "Das wird in den meisten Fällen, weil es erfahrungsgemäß am besten funktioniert, mit Soja abgedeckt", erklärt Georg Zamecnik, "und da sind wir auch schon beim größten Hebel, der die Futtermittel betrifft." Die Produktion der Nahrungsmittel macht mit siebzig bis achtzig Prozent den größten Anteil in der Klimabilanz der Eier aus. Und hier ist wiederum das verfütterte Soja ausschlaggebend, das zum großen Teil aus Nord- und Südamerika, vor allem aus Brasilien stammt. Die geänderte Landnutzung – wie Regenwaldabholzung – durch den Sojaanbau und der Transport aus Übersee bescheren dem Ei eine Klimabilanz, die es so nicht haben müsste.
Eine Alternative ist der Bezug von Soja aus der Region, etwa aus Österreich oder Bayern und Baden-Württemberg. Georg Zamecnik und Team haben für einige landwirtschaftliche Betriebe ausgerechnet, wie sich das auf die Klimabilanz der Eier auswirken würde. Und siehe da: Teilweise ist der Ausstoß an Treibhausgasen um die Hälfte zurückgegangen. Alternativ ließen sich aber auch alternative Futtermittel wie Sonnenblumenschrot einsetzen.
Hühnerhaltung: Was ist mit Emissionen durch Verdauung? Und mit Bio?
Zurück zur eingangs gestellten Frage: Würde man sich bei der Rinderhaltung nur um die durch Futtermittel verursachten Emissionen kümmern, wäre das erst die halbe Wahrheit, der verdauungsbedingte Methan-Ausstoß ist eine relevante Treibhausgasemission. Aber wie steht’s denn da ums Huhn? Nun, zwar emittiert das gackernde Federvieh ausgerechnet Lachgas, die Menge ist jedoch kein Vergleich zum Methan-Problem in der Rinderzucht, räumt Georg Zamecnik ein.
Und eine ökologische Hühnerhaltung? Gar nicht mal so leicht zu beantworten, denn wenn Bio draufstehen soll, darf nicht Effizienz drinstecken. Effizienz spielt bei der Klimabilanzierung aber eine Rolle: Da Bio-Hühnern mehr landwirtschaftliche Fläche zugestanden wird, könnte man annehmen, dass das den verursachten Emissionen unterm Strich zuträglicher ist – ist in der Business-Class im Flugzeug schließlich auch nicht anders. Stand jetzt sei es Georg Zamecnik zufolge aber so, dass Übersee-Soja, das mit Landnutzungsänderungen in Zusammenhang steht, im Grunde kaum verfüttert werden könne, da Entwaldung vor allem im Zusammenhang mit gentechnisch verändertem Soja stehe und es dadurch indirekt ausgeschlossen werde. In Österreich ist Entwaldung bei Bio-Soja sogar grundsätzlich verboten. Das wertet die Klimabilanz der Öko-Eier erheblich auf. Georg Zamecnik betont zudem, die Vorteile ökologischer Landwirtschaft hinsichtlich Böden und Biodiversität zu sehen – Faktoren, die mit der Klimafrage Hand in Hand gehen.
Versteckte Eier in vielen Produkten
Der wichtigste Hebel für eine klimafreundlichere Geflügelhaltung ist, welch Wunder, den Konsum von Hühnerfleisch und Hühnereiern generell einzuschränken, so Zamecnik. Und hier müssen man eben ein bisschen genauer hinschauen. Nudeln, Mayo und Jaffa-Keks enthalten weitestgehend unsichtbare Eier, die in vielen Fällen eher den Herstellern einen ökonomischen Dienst erweisen, statt uns einen kulinarischen.
Ein Ei pro Woche soll es laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung jetzt also (wieder einmal) nur noch sein. Eben, weil die DGE der nachvollziehbaren Auffassung ist, dass man die Gesundheit des Planeten hinsichtlich der Gesundheit des Menschen nicht außer Acht lassen kann. Fairerweise ist zu sagen: Bei diesem einzelnen Ei ist das für den Kuchenteig noch nicht mit eingerechnet. Dennoch, wie steht's jetzt um die Proteine? Nun, auch wenn Eiweiß nun mal EI-weiß heißt, sind Eier gar nicht so reich an Eiweiß, wie sich vermuten ließe. Unter Berücksichtigung der Proteinqualität tut es in etwa die gleiche Menge an Hülsenfrüchten wie Linsen und Tofu. Statt Kuhmilch passt im Übrigen in gleicher Menge Sojamilch genauso gut für den Proteinhaushalt und wer statt Fleisch auf Seitan setzt, bekommt sogar noch eine kleine Menge Extraeiweiß oben drauf.
Was die Eier betrifft: Niemand verlangt ein Tofu-Ei am Ostersonntag. Wirklich nicht. Aber vielleicht ein kritischer Blick auf die Kekspackung. Und die Konzentration auf Orte, an die das Ei wirklich hingehört und in der vollendeten Schönheit seiner Form, angemalt oder auch nicht, zur Geltung gelangt: Im Osternest. Und sonntags unterm selbstgestrickten Eierwärmer.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 29. März 2024 | 19:55 Uhr
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