Erneuerbare Energie Wenn sich Windräder den Wind klauen: So viel Einfluss hat der Wake-Effekt
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26. September 2024, 12:20 Uhr
In Deutschland gibt es immer mehr Windräder. Ein Drittel der inländischen Stromproduktion kam im ersten Halbjahr 2024 aus Windkraftanlagen. Tendenz steigend. Mit einem stärkeren Ausbau soll auch die Effizienz steigen, nur gibt es auch Effekte, die die Effizienz genau dadurch mindern, allen voran der sogenannte "Wake-Effekt" mit dem sich Windräder gegenseitig den Wind nehmen. Nur wie viel macht das aus?
Eigentlich ist es wenig überraschend, denn selbst Sportler nutzen ihn für sich: den Windschatten. Im Radsport etwa wird gerne abgewechselt, um nicht immer an vorderster Front gegen den Wind fahren zu müssen. Auch im Wintersport sind diese Wechsel gängige Praxis. Den Wind wegzunehmen ist aber nicht immer von Vorteil: Um etwa ein Segelboot in Gang zu halten, braucht es den Wind, genauso wie bei Windrädern. Was also passiert bei großen Windanlagen, wenn sie im Windschatten stehen?
Große Anlagen im Windschatten: Wie effizient sind sie noch?
Tatsächlich nehmen sich Windkraftanlagen gegenseitig den Wind aus den Rotoren. Das bestätigt Axel Kleidon vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena. Anders als aber ein Gebäude, hinter dem man ebenso Windschatten suchen kann und das einfach nur ein Hindernis in einer Strömung sei, würden die Windturbinen damit ihren Job machen. "Das entsteht halt, weil die Windturbinen aus einer Strömung Windenergie abzapfen. Mit anderen Worten, sie nehmen Energie raus und deswegen bewegt sich bei der hinteren Turbine der Wind mit einer geringeren Geschwindigkeit."
Wake oder Nachlauf bezeichnet dann den turbulenten und langsameren Windschweif hinter der Anlage. Wie sehr dieser abgeschwächt ist, hängt vom Abstand der Anlagen zueinander, der Windrichtung und -geschwindigkeit, aber auch der Umgebung ab. Laut Martin Dörenkämper vom Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme könnten bei bestimmten Windrichtungen und -geschwindigkeiten sowie dichten Abständen – dem Worst Case also – Verluste von bis zu 30 Prozent eintreten. Allerdings sei der Effekt schon seit vielen Jahren bekannt und würde "intensiv in den Flächenentwicklungsplänen berücksichtigt". Typisch seien entsprechend eher ein Verlust von zehn Prozent oder weniger des potenziellen Jahresenergieertrags. Eine Zahl, die auch Axel Kleidon nennt. Der Effekt würde, etwa durch entsprechende Abstandsregeln, bereits eingeplant. Das sei aber auch oft eine ökonomische Frage, denn das Ziel, den Wake-Effekt abzubauen, stehe anderen Kostenfaktoren gegenüber.
Je weiter die auseinander stehen, desto eher braucht man längere Kabel, um sich zu verbinden, und so weiter. Also es ist auch eine ökonomische Optimierung, auf die es hinausläuft.
Die gleichmäßige Meeresbrise: Warum bei Offshore größere Verluste da sind
Eine besondere Herausforderung sieht Axel Kleidon bei Offshore-Anlagen, also jenen auf dem Meer. Diese seien gerade oft erst im Aufbau, viele Windturbinen würden auf relativ wenig Raum geplant. Und das in einer Umgebung, in der laut Martin Dörenkämper die Verluste generell stärker ausgeprägt seien. "Über dem Meer führt die ebenere Oberfläche zu einer konstanteren Windgeschwindigkeitsverteilung mit der Höhe und damit einer beträchtlich weniger turbulenten Windressource als an Onshore-Standorten." Soll heißen: Die nahezu ungebremste Windkraft trifft auf die Rotorblätter, sorgt dort für mehr Strom, findet aber im Nachgang durch fehlende Umgebungsturbulenzen und eine entsprechende Durchmischung weniger schnell zu seiner alten Kraft zurück: Die Nachlauf-Effekte sind im Ergebnis langlebiger und über weitere Entfernungen noch spürbar.
Laut Axel Kleidon führt das möglicherweise auf zu einem juristischen Problem, denn je weiter die Strecken, desto eher können sich auch Windparks verschiedener Betreiber den Wind "abgraben". Umso wichtiger sei es, sich abzustimmen, gerade an Ländergrenzen wie etwa in der Nordsee zwischen Deutschland, Dänemark und den Niederlanden: "Der Schnipsel Nordsee, der von Deutschland verwaltet wird, ist relativ gering. Die Fläche von den Niederlanden und Dänemark sind wesentlich größer. Da wäre es sinnvoll, das zu koordinieren, statt irgendwie das auf nationaler Ebene zu fokussieren. Dass man sagt, wenn man eben 70 Gigawatt ausbauen will in der Nordsee, dass das eben nicht alles im deutschen Sektor stehen muss, sondern es kann auch in der ausschließlichen Wirtschaftszone von Dänemark oder der Niederlande stehen."
Es wäre vielleicht sinnvoller, wenn man die Windturbinen besser verteilt, nicht so dicht in einer relativ geringen Fläche bindet.
So könne man am Ende möglichst viel aus der Windenergie herausholen ohne zu viele Verluste einfahren zu müssen. Doch es gibt auch Möglichkeiten ohne zusätzliche Flächen erschließen zu müssen: Eine Dresdner Firma hat nun beispielsweise den Grundstein für das größte Windrad der Welt gelegt, inmitten von anderen Windrädern. Es soll am Ende die anderen Windräder überragen und so dafür sorgen, dass die Turbinen sich trotz der Nähe zueinander eben nicht gegenseitig den Wind aus den Rotorblättern nehmen.