Energiewende Platz 2 – August: Haben Windkraftanlagen Einfluss auf Dürre und Wetter?
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27. Dezember 2022, 10:23 Uhr
Windkraftanlagen sind ein zentrales Element für die Energiewende, aber sie stehen auch immer wieder in der Kritik, Landschaften zu verschandeln, ineffektiv zu sein und unser Klima und das Wetter zu beeinflussen. Sie sollen sogar dafür sorgen, dass es in bestimmten Regionen nicht mehr regnet, weil die Wolken durch die Windräder davon abgehalten werden weiterzuziehen. Was ist da dran?
Dieser Artikel ist auf Platz 2 der im Jahr 2022 am häufigsten aufgerufenen Artikel (außer Corona).
Sommer, Sonne, Grillparty! Das schreit nach kühlen Getränken und hitzigen Diskussionen darüber, warum es eigentlich so warm ist und wo der Regen bleibt. Vor allem in Mitteldeutschland scheint der ziemlich hartnäckig auf sich warten zu lassen. Die Folge: Verdorrte Wiesen, traurige Bäume, niedrige Pegelstände an Flüssen und Seen. Und schuld allein sind ... die Windkraftanlagen. Was?!
Windkraftanlagen halten die Regenwolken fern
Immer wieder taucht das Argument auf, dass Windkraftanlagen daran Schuld seien, dass es bei uns so trocken ist. So auch auf der Familienfeier einer MDR WISSEN-Leserin. Hier wurde in den Raum gestellt, dass die Windräder die Regenwolken von Sachsen-Anhalt fernhalten würden. Aber ist das überhaupt möglich? Haben Windkraftanlagen Einfluss auf das Klima und unser Wetter?
Windräder und die globale Erwärmung
Im Hinblick auf den menschgemachten Klimawandel ist das Umschwenken von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energien unumgänglich. Der Wind liefert einen Teil dieser Energie. In Deutschland stehen derzeit rund 30.000 Windkraftanlagen, in Sachsen-Anhalt sind es 2.842. Und ja, diese Anlagen sind nicht ohne Einfluss auf die Umgebung. Sie verändern die Landschaft und haben zum Teil Auswirkungen auf die unmittelbaren Ökosysteme.
Im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen werden aber bei der Energiegewinnung aus Wind keine zusätzlichen Treibhausgase in die Atmosphäre gepustet, die zur globalen Erwärmung beitragen. Und obwohl es, so viel sei schon einmal vorweg genommen, in der Umgebung von Windkraftanlagen zu einer minimalen Erhöhung der Bodentemperatur kommen kann, ist das keine Ursache für die globale Erwärmung, auch wenn es hin und wieder gern als Argument gegen Windkraftanlagen ins Feld geführt wird.
Durch Windkraftanlagen wird keine zusätzliche Wärme in die Atmosphäre gebracht, sondern Luftschichten mit verschiedenen Temperaturen werden lediglich durchmischt. Vorhandenes wird also umsortiert. Effekte auf das globale Klima lassen sich durch Windkraftanlagen nicht nachweisen.
Veränderungen im Mikroklima sind möglich
"Im unmittelbaren Umfeld der Anlage dagegen wird das Windfeld natürlich sehr wohl beeinflusst", sagt Prof. Johannes Quaas vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig. Auf das Mikroklima im Bereich von bis zu wenigen Kilometern können die Windräder also Auswirkungen haben. Der Grund dafür ist recht simpel. Die Aufgabe einer solchen Anlage ist es, der atmosphärischen Strömung Energie zu entziehen und in elektrische Energie umzuwandeln. Dadurch haben die Anlagen natürlich auch in Wechselwirkung mit der Atmosphäre.
In der sogenannte Nachlaufzone der Windenergieanlage, also dem Einflussbereich hinter dem Windrad, sind verringerte mittlere Windgeschwindigkeiten und verstärkte Turbulenzen, also Luftverwirbelungen, messbar. Dieser Bereich hat etwa eine Länge von zwei bis vier Rotordurchmessern. "Bei einer modernen Anlage mit 200 Metern Rotordurchmesser ist ein Bereich bis maximal einem Kilometer betroffen", erklärt Dr. Astrid Ziemann vom Institut für Hydrologie und Meteorologie an der TU Dresden. Sie fügt hinzu, dass dieser Einflussbereich auch abhängig von den Standortbedingungen ist, also ob die Windräder auf See, im Flachland oder dem Gebirge stehen.
Vor der Küste sind die Auswirkungen größer
In Offshore-Windparks, also vor der Küste, sind die Auswirkungen größer. Hier gibt es den inzwischen vielfach gemessenen und mit analytischen Modellen oder Computermodellen simulierten Effekt von Wirbelschleppen im Lee der Windparks. Das heißt es kommt zu einer Abschwächung der Windgeschwindigkeiten auf der windabgewandten Seite des Windparks, die bis zu 70 Kilometer weit reichen kann. Nachgewiesen wurde das zum Beispiel für Windparks in der Nordsee.
Der Effekt hält vor der Küste so lange an, weil die Wasseroberfläche in der Regel sehr glatt ist und der Wind sich dort kaum brechen kann, erklärt Dr. Stefan Emeis vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). An Land sieht das ganz anders aus. Wenn die Luft über eine raue, unebene Oberfläche strömt, also über Wälder, Häuser, Hecken oder Berge, dann wird sie durchmischt. Die Durchmischung der Windkraftanlage macht dann gar nicht mehr so viel aus und der Effekt klingt nach relativ kurzer Distanz wieder ab.
Einfluss auf Wärme und Verdunstung
Wie groß die lokalen Auswirkungen von Windkraftanlagen auf die Lufttemperatur und den Austausch von Wärme und Feuchte sind, wird aktuell in der Fachwelt diskutiert. "Die Auswirkungen auf die Lufttemperatur und Luftfeuchte erscheinen insgesamt gering zu sein", sagt Astrid Ziemann.
Feststellbar sind sie aber. "Es gibt eine Reihe Studien von großen Windparks in Texas. Man hat hier Satellitenaufnahmen des Gebiets vor der Errichtung der Windparks und nach dem Bau genommen und daraus die Bodentemperatur abgeleitet. Dort hat man gesehen, dass es hinter den Windparks vor allem nachts am Boden wärmer wurde", erklärt Stefan Emeis.
Das lässt sich folgendermaßen erklären:
"Nachts ist bei kleineren Windgeschwindigkeiten die Atmosphäre üblicherweise etwas wärmer und der Boden kühlt durch Wärmeabstrahlung schneller aus, da keine Sonneneinstrahlung wirkt. Durch Verwirbelung der Luft im Nachlauf der Windenergieanlagen können durch die Vermischung der Luftschichten höhere Temperaturen in Bodennähe erhalten bleiben. Da sprechen wir aber von 0,3 bis 0,7 Grad Celsius bei wirklich riesengroßen Windparks", erklärt Dr. Bodo Wichura vom Deutschen Wetterdienst (DWD). Diese Größenordnungen wie sie in West-Zentral Texas vorkommen, gibt es in Deutschland aber nicht.
Wichtig ist, dass man versteht, dass es hinter den Windkraftanlagen nicht insgesamt wärmer wird. Kältere Luft vom Boden wird nach oben transportiert, es kommt also dort zu einer Abkühlung. "Betrachtet über die ganze Atmosphäre sehen sie gar keine Temperaturveränderung, sie sehen nur eine andere Verteilung der Wärme. Also unten wärmer, oben kühler – am Ende gleicht es sich wieder aus", fügt Stefan Emeis hinzu.
Kein nachweisbarer Effekt aufs Wetter
Obwohl sehr große Windparks einen kleinen Einfluss auf die Umgebungstemperatur in der Nähe der Anlagen haben, können Sie unser Wetter nicht beeinflussen. Der Effekt ist einfach zu gering. Astrid Ziemann von der TU Dresden erklärt, dass unser Wetter meistens durch großräumige und langfristige Prozesse gesteuert wird. Es wird wie überall auf der Welt von Tiefdruck- und Hochdruckgebieten beeinflusst.
"Ein Tiefdruckgebiet in unseren Breiten hat zum Beispiel einen typischen Durchmesser bis zu 2.000 Kilometern und eine Lebensdauer von bis zu einer Woche. Die damit verbundenen Niederschlagsprozesse laufen ebenso auf größeren Skalen ab. Die Auswirkungen von Windparks auf große Strukturen in der Atmosphäre ist zumindest fraglich", erläutert Ziemann. Trotzdem gibt es Untersuchungen mit Computer-Wettermodellen dazu, etwa in den USA. Die bisherigen Daten sind aber noch zu gering für übertragbare, valide Ergebnisse.
Ursache und Wirkung wurde vertauscht
Bodo Wichura vom DWD stimmt dem zu und muss sogar ein bisschen lachen. "Da wird das Pferd von hinten aufgezäumt und Ursache und Wirkung vertauscht. Die Windkraftanlage ist diejenige, die reagiert und nicht diejenige die agiert. Die wird nicht angeschmissen und quirlt alles durch. Die dreht sich nur, wenn es Wind gibt. Wir haben bei uns üblicherweise Wind, wenn wir Tiefdruckgebiete haben", sagt Wichura. Und diese Tiefdruckgebiete bringen üblicherweise auch Wolken mit sich.
"Wenn überhaupt, dann würden Windkraftanlagen zu einer zuätzlichen Wolkenbildung führen", sagt Prof. Dr. Stefan Emeis vom KIT. Durch die Windräder kann es nämlich zu mehr Feuchtigkeit in der Luft kommen. Zumindest in Modellen für Offshore-Windparks in der Nordsee konnte das sichtbar gemacht werden. Denn von der Wasseroberfläche steigt feuchte Luft auf und wird durch die Windkraftanlage nach oben transportiert. "Wir haben uns diese Verdunstungsströme angeschaut und angenommen, dass es ja eigentlich nun zu zusätzlicher Wolkenbildung kommen müsste", sagt Emeis. Doch Fehlanzeige. Auf über 40 Forschungsflügen, die die Forschenden über dem Windpark durchführten, konnten nur zwei oder drei Bilder zeigen, dass es ansatzweise zu zusätzlicher Wolkenbildung kam. Wenig aussagekräftig also.
Andere Ursachen für die Trockenheit
Windkraftanlagen bilden also keine Wolken und sie halten sie schon gar nicht fern. Die Trockenheit in Sachsen-Anhalt hat also definitiv andere Ursachen.
"Übrigens, in Sachsen und Thüringen ist die Trockenheit ebenfalls ein großes Problem, trotz der sehr viel geringeren Anzahl und installierten Leistungen der Windenergieanlagen", fügt Astrid Ziemann von der TU Dresden hinzu.
Die Ursache für die Trockenheit liegt in den großräumigen und sich ändernden Wetterlagen. Die zunehmende Erwärmung der Arktis, ein daraus folgender geringerer Temperaturunterschied in den Tropen, die damit verbundene Verringerung der Windgeschwindigkeitswerte sowie die Lage und Gestalt des Jetstreams wirken sich auf die Häufigkeit und Dauer von Großwetterlagen in unseren Breiten aus. Der Klimawandel scheint also eher der Übeltäter sein.