Neue Studie zu Klimafolgen Millionen zusätzliche Hitzetote bis Ende des Jahrhunderts in Europa – aber Vorsicht!

29. Januar 2025, 07:52 Uhr

Vom Klimawandel profitiert niemand, das dürfte den meisten soweit klar sein. Der Mensch am allerwenigsten. Vor allem, weil die zunehmende Erderwärmung ernstzunehmende gesundheitliche Risiken mit sich bringt, auch im gemäßigten Mitteleuropa. Dabei gerät auch so manche Statistik durcheinander, zeigt eine neue Studie, die hunderte europäische Städte untersucht hat.

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Nüchterne Zahlen haben nur allzu oft etwas unangenehm, nun, Nüchternes an sich. Also, in Europa gilt bislang: Zehn Kältetote pro Hitzetod. Dass sich dieses Verhältnis schon bald in eine andere Richtung verrücken könnte, dazu gehört nicht viel Fantasie. Eine neue Studie im Fachblatt Nature Medicine untermauert jetzt diese Annahme und legt nahe: Wenn die Menschheit weiterhin ungebremst fossile Energieträger verfeuert und nicht zu einer Anpassung bereit ist – also weitermacht wie bisher –, könnten die temperaturbedingten Todeszahlen in europäischen Städten um die Hälfte zunehmen. Das sind bis zu 2,3 Millionen zusätzliche Todesfälle bis zum Ende des Jahrhunderts.

"Also man sieht, dass – in dem Sinn vielleicht auch nicht ganz überraschend – je nördlicher, desto wenig relevant ist der Klimawandel für die Sterblichkeit. Aber dass gerade in den südlichen Ländern wie Spanien und Italien natürlich grundsätzlich große Auswirkungen zu erwarten sind." Das sagt Martin Röösli, Umweltepidemiologe am Schweizer Institut für Tropen und öffentliche Gesundheitsfürsorge (Swiss TPH). Die neue Studie sei gut gemacht, sagt er, betont aber, dass es sich dabei um einen rein statistischen Blick handele. Zudem sind die jetzt vorliegenden Zahlen mit großen Unsicherheiten behaftet, wodurch sich erstmal nur ein grober Trend ablesen lässt.

Mal zur Einordnung: In den vergangenen Jahren gab es in Deutschland jährlich etwa fünf hitzebedingte Todesfälle pro 100.000 Menschen, im Jahrhundertsommer 2003 waren es fast zwölf. Das geht aus Zahlen des Deutschen Ärzteblatts hervor. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte die Zahl in Deutschlands Städten auf über sechzig Hitzetote pro 100.000 Menschen zunehmen, die Zahl der Kältetoten geht in der Zeit hingegen deutlich zurück. In Nordeuropa führt der Rückgang an Kältetoten unterm statistischen Strich sogar dazu, dass insgesamt weniger Menschen sterben. In Südeuropa hingegen steigt die Zahl an Hitzetoten hingegen massiv.

Hitzetote und Kältetote lassen sich nicht vergleichen

Und selbst im besten nachhaltigen Szenario mit bestmöglicher Klimaanpassung wird die Zahl der Hitzetoten die Zahl der Kältetoten in Europa übertreffen. Direkt vergleichen könne man das in der Praxis aber nicht, sagt Martin Röösli: "Und natürlich betrifft es beim Kältetod andere Krankheiten als beim Wärmetod; da spielen auch beim Kältetod, zum Beispiel auch die Ausbreitung von Infektionskrankheiten, eine Rolle."

Die zusätzlichen Toten, die durch extreme Hitze im Sommer entstehen, müssen vermieden werden.

Dr. Wolfgang Straff Umweltmediziner

Wolfgang Straff, Umweltmediziner beim Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau, weist darauf hin, dass es außerdem vollkommen unklar ist, wie sich die Todeszahlen durch Kälte künftig entwickeln: "Der Winter mag milder sein, aber dafür mag es ganz andere Infektionserkrankungen geben." Soll heißen: Bisher unbekannte Krankheiten wie einst Corona könnten zum Beispiel durch den Klimawandel begünstigt werden.

Menschen können sich an neue klimatische Bedingungen anpassen …

Generell hält es Wolfgang Straff für wenig zielführend, zusätzliche Hitzetote mit eingesparten Todesfällen durch Kälte gegenzurechnen. Auch aus ethischen Gründen: "Die zusätzlichen Toten, die durch extreme Hitze-Ereignisse im Sommer entstehen, die müssen, so gut es geht, einfach vermieden werden." Wolfgang Straff rät, so ein statistisches Modell, das weit in die Zukunft reicht, mit Vorsicht zu genießen. Auch, weil unklar ist, inwieweit sich Menschen an neue klimatische Bedingungen anpassen können.

Wie gut Menschen Hitze vertragen, hänge auch davon ab, wie gut sie lernen, sich der Hitze entsprechend zu verhalten. Und davon, ob der Sommer grad erst begonnen hat oder wir schon mittendrin sind, erklärt der Schweizer Umweltepidemiologe Martin Röösli. Eine Hitzewelle im späten Frühling könnte Menschen also heftiger treffen als die bereits dritte im Jahr. Außerdem weiß Röösli aus eigener Forschung: "Wir haben diesen Zusammenhang zwischen Temperatur und Hitze über die letzten vierzig Jahre angeschaut und haben gesehen: Die gleiche Temperatur erzeugt heutzutage weniger Hitzetote als vielleicht vor 20 oder 30 Jahren."

… aber es gibt eine natürliche Hitzeobergrenze

Röösli führt das auf eine bessere Anpassung zurück – wie etwa durch Klimaanlagen oder das Verhalten bei Hitzewellen. Allerdings gilt ein Naturgesetz, dass der Körper mit ansteigender Luftfeuchtigkeit irgendwann die Fähigkeit zum Kühlen verliert und es somit eine Hitzeobergrenze gibt. Luftfeuchtigkeit ist ein Faktor, der in der jetzt vorliegenden Studie erstmal außen vor bleibt – aber angesichts zunehmender Wetterextreme eben noch obendrauf kommt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 29. Januar 2025 | 00:00 Uhr

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