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2025 wird, wenn man Ankündigungen großer Tech-Konzerne glauben darf, das Jahr der KI. Sie soll beispielsweise in Betriebssysteme integriert werden. Fürs Klima ist das eine schlechte Nachricht.

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Energie- und Ressourcenbedarf Was bringt der Hype um künstliche Intelligenz fürs Klima?

10. Januar 2025, 13:13 Uhr

2025 wird, wenn man Ankündigungen großer Tech-Konzerne glauben darf, das Jahr der künstlichen Intelligenz. KI soll beispielsweise in die Betriebssysteme von Windows oder die Google-Suche integriert werden. Fürs Klima ist das eine schlechte Nachricht, denn: Künstliche Intelligenz hat häufig einen hohen CO2-Impact. Aber kann sie vielleicht auch einen Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise leisten?

Junge Frau schaut frontal in die Kamera.
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Eine ChatGPT-Abfrage braucht nach Berechnungen von Goldman Sachs knapp zehn Mal so viel Strom wie eine Google-Suche. Paradox: Vor zwei Jahren hatten wir in unserem MDR Klima-Update noch darüber berichtet, wie klimaschädlich eine Google-Suche ist. Dass KI-Modelle so viel mehr Energie benötigen, liegt daran, dass sie grundlegend anders funktionieren als klassische Programmierung.

"Künstliche Intelligenz" gibt es schon länger. Das bedeutet, dass die entsprechenden Systeme quasi maschinell "lernen" können. Anders als beim herkömmlichen Programmieren gibt der Algorithmus nicht jeden Schritt zur Lösung einer Aufgabe vor, sondern das System "lernt" beinahe wie ein Mensch aus der Beobachtung. Es beobachtet allerdings nicht andere Menschen, sondern große Datenmengen. Dann muss die KI in vielen aufeinanderfolgenden Trainingsläufen mit den Daten üben. So kann sie Muster und Abweichungen in den Datensätzen erkennen und darauf aufbauend arbeiten. Das, was beim "KI-Hype" der vergangenen Jahre gemeint war, ist häufig eine bestimmte Unterart: die "generative KI". Sie geht noch einen Schritt weiter und erstellt selbst Inhalte, beispielsweise Texte, Musik, Bilder oder Videos. Das erfordert eine hohe Rechenleistung und damit auch viel Strom.

Im Jahr 2023 wurde knapp ein Drittel des Stroms (32,5 Prozent) in der EU mit fossilen Brennstoffen produziert. Microsoft kündigte im vergangenen Jahr an, einen Teil des nach einem Störfall stillgelegten Atomkraftwerks Three Mile Island wieder in Betrieb nehmen zu wollen – und zwar explizit, um den wachsenden Energiebedarf seiner KI-Produkte zu decken. Auch Google gab bereits bekannt, dass die eigenen Emissionen wegen KI-Programmen enorm gestiegen sind. Wie viel Strom braucht so eine KI also?

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"Die genauen Zahlen wissen wir leider gar nicht", sagt Friederike Hildebrandt. Sie ist Aktivistin und koordiniert das Netzwerk Bits & Bäume, das sich für eine klimafreundlichere und sozial-gerechte Digitalpolitik einsetzt. Konkrete Zahlen sind auch deshalb schwer zu kalkulieren, weil generative KI gleich zweimal Strom braucht: Während ihres "Trainings", also bevor sie überhaupt zum Einsatz kommt und dann während der Inferenz, als der Nutzung des Modells.

Training 💪

Das Training einer generativen KI dauert mehrere Wochen und umfasst in der Regel riesige Datenmengen. Eine Studie von 2022 schätzt, dass das Training von GPT-3, einem Sprachmodell vom selben Unternehmen wie ChatGPT, jedoch komplexer, mit 1287 MWh Stromverbrauch und 502 Tonnen CO2-Äquivalenten kalkuliert werden kann. Das entspricht ganz grob dem CO2-Ausstoß von 50 Deutschen im Jahr 2023.

Nutzung 👩‍💻 

Das Besondere an generativer KI wie ChatGPT ist, dass sie nicht etwa von einer Forscherin genutzt wird, um wissenschaftliche Daten auszuwerten – sie wird von ALLEN genutzt. Das potenziert den Energiebedarf. Der Tech-Journalist Chris Pointon rechnet 2023 mit einem Verbrauch von 77.160 kWh Stromverbrauch pro Tag durch ChatGPT – verbunden mit rund 24 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Tag. 

Stromverbrauch in den Rechenzentren mit und ohne KI
Stromverbrauch in den Rechenzentren mit und ohne KI Bildrechte: MDR/ Maik Schuntermann/ Goldman Sachs Research

Dabei muss man allerdings im Kopf behalten: Das sind lediglich Modellkalkulationen und auch lediglich für ein einziges Programm, teilweise gehen die Berechnungen weit auseinander. Wo sich der Energiebedarf der generativen KI möglicherweise ein wenig deutlicher abzeichnet, sind die entsprechenden Rechenzentren, in denen die Modelle "arbeiten". Bits & Bäume-Koordinatorin Hildebrandt erklärt, sie gehe davon aus, dass aktuell circa zehn bis 20 Prozent der globalen Rechenzentren-Kapazität alleine für KI genutzt werde und sich das bis 2030 mit den generativen KI-Modellen verdoppeln könnte. Studien kommen zu ähnlichen Resultaten. Damit einher geht auch ein hoher Hardware- und Wasserbedarf (zur Kühlung). 

"Das ist ein Problem", findet Friederike Hildebrandt. Sie argumentiert, es sei eine Frage der Verteilung. "Also wofür wollen wir die Energie, die wir jetzt schon grün produzieren, einsetzen?"

Klimafreundlich dank KI? 🍃

Aber kann es nicht auch sein, dass KI-Programme uns dabei helfen, klimafreundlicher zu werden? Dann würde es sich ja durchaus lohnen, jetzt Energie zu investieren, um innovative Lösungen zu entwickeln. Das deutsche Umweltministerium sieht hier eine große Chance und teilt auf Anfrage mit, man investiere bis 2025 insgesamt 150 Millionen Euro in KI-Maßnahmen für den Umwelt- und Klimaschutz. Zum Beispiel in Anwendungen für den natürlichen Klimaschutz, die Kreislaufwirtschaft oder die Wasserwirtschaft.

Auch Friederike Hildebrandt sagt: "Hier gibt es total viele Vorteile." Zum Beispiel, wenn es um die Auswertung von Klimadaten gehe. Hier nutze man in der Regel kleinere, spezifische KI-Modelle, die exakt für diese Zwecke trainiert werden. Zwischen großen Sprachmodellen wie ChatGPT und den Forschungs-Modellen, die uns im Kampf gegen den Klimawandel helfen können, bestehe ein großer Unterschied. "Es gibt bisher keine einzige Anwendung, wo diese großen, generativen KI-Modelle den Klimaschutz vorantreiben", betont sie. In der öffentlichen Wahrnehmung gerate das aber häufig durcheinander.

Müssen wir generative KI jetzt "boykottieren"?

Angesichts des Energie- und Ressourcenverbrauchs stellt sich womöglich die Frage, ob wir generative KI nun "boykottieren" sollten, quasi wie Palmöl oder bestimmte Nahrungsmittelkonzerne? Nein, denn: vermutlich werden wir diese Wahl gar nicht haben. Microsoft zum Beispiel plant, mit dem "Copilot" generative KI in seine Betriebssysteme zu integrieren. Damit würden die Betriebssysteme deutlich energieintensiver. Auch die bereits erwähnte Google-Suche soll durch einen KI-Assistenten ergänzt werden. Der einzelne Internetnutzer wird also nicht entscheiden, ob er nun KI nutzen will oder nicht. 

Wie viel CO2 das in den kommenden Jahren verursachen wird? Kann eigentlich gar niemand sagen. Denn Tech-Konzerne sind nicht dazu verpflichtet, konkrete Zahlen zu veröffentlichen. Hier liegt aus Sicht von Friederike Hildebrandt das Problem. "Wir beobachten in Europa und auch in Deutschland einen massiven Ausbau von Rechenzentren, aber wir können nicht konkret sagen, welche Anwendungen dort dann laufen. Das heißt, wir brauchen zuerst mehr Transparenz, um sinnvolle Gesetze machen zu können und die gibt es bisher nicht."

Das Energieeffizienzgesetz greift hier teilweise, aber angesichts des enormen Wachstums generativer KI liegt es nahe, dass sich die neue Bundesregierung nach der Wahl im Februar mit dem Thema auseinandersetzen muss.

Undifferenzierte KI-Wahrnehmung in der Öffentlichkeit

Friederike Hildebrandt sagt: "Ich habe das Gefühl, es lassen sich gerade sehr viele Politiker vom KI-Hype beeindrucken." Das sei aus ihrer Sicht bereits bei anderen Trends in der Digitalpolitik passiert, zum Beispiel bei Blockchain. "Es gab bis in die letzte Legislatur viel Förderung für Blockchain-Technologie und die entsprechenden Regierungsvorhaben, es hat sich davon allerdings nichts als bahnbrechend oder erfolgreich erwiesen. Blockchain-Technologie wird weiterhin vor allem für Kryptowährungen genutzt und es wurde Zeit, CO2 und Energie verschwendet." Darüber, wie Bitcoin-Mining die Energiewende aufhalten kann, haben wir hier berichtet. Digitalaktivistin Hildebrandt erklärt, sie und ihre Mitstreiter bei Bits & Bäume seien besorgt, dass das mit generativer KI erneut auf ähnliche Weise passieren könnte. 

Ein guter Schritt fürs Klima wäre also vielleicht schon, wenn wir beginnen, stärker zwischen diversen KI-Modellen zu unterscheiden. Nicht die "KI" per se ist ein böser Stromfresser, aber wir sollten auf dem Schirm haben, dass einige Modelle nur mit sehr energieintensiven Rechenprozessen funktionieren. 

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 10. Januar 2024 | 16:20 Uhr

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