Qualmender Schornstein
Qualmender Schornstein: Für den Handel mit Emissionen wurden in Glasgow einheitliche Regeln beschlossen. Bildrechte: imago images/Future Image

Glasgower Beschlüsse Klima-Forscher begrüßen verbindliche Regeln für Emissionshandel

15. November 2021, 16:16 Uhr

Deutsche Klima-Forscher haben die in Glasgow beschlossenen Regeln zum Emissionshandel begrüßt. Unter anderem dürfen Klimaschutzmaßnahmen wie Aufforstungen künftig nicht mehr doppelt gezählt werden. Damit die neuen Regeln nicht missbraucht werden können, werden für die Zukunft auch entsprechende Sanktionsmechanismen gefordert.

Die bei der Weltklimakonferenz COP26 im schottischen Glasgow gefassten Beschlüsse haben weltweit gemischte Reaktionen ausgelöst. Während das mit dem "Glasgow-Klimapakt" besiegelte 1,5-Grad-Ziel bei der Begrenzung der Erderwärmung im Wesentlichen begrüßt wird, sorgt die auf Bertreiben Chinas und Indiens abgeschwächte Formulierung zur Abkehr von der Kohle auch für einen Wermutstropfen. Dennoch herrscht unter deutschen Klima-Forschern sowie Klimaschutz-Aktivisten und Ökostrom-Vertretern auch eine gewisse Zufriedenheit mit den Ergebnissen der Weltklimakonferenz COP26.

Doppelzählung von Emissionsminderungen vermeiden

So sei es nach jahrelangen Verhandlungen in Glasgow endlich gelungen, unter anderem "Regeln für den internationalen Emissionshandel zwischen Staaten" zu verabschieden, lobt Dr. Lambert Schneider, Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik am Berliner Öko-Institut. Indem sich alle Länder ohne Ausnahmen verpflichtet haben, eine "Doppelzählung von Emissionsminderungen" zu vermeiden, sei ein sehr wichtiges Ziel erreicht worden, so Schneider: "Mit dem neuen Regelwerk müssen alle übertragenen Emissionszertifikate bilanziert werden, ähnlich wie bei einem Bankkonto." Allerdings sei der Kompromiss damit erkauft worden, dass Klimaschutzprojekte und Zertifikate aus dem Kyoto-Protokoll von 1997 in das Pariser Übereinkommen überführt werden sollen. Unter anderem nach Berechnungen des Berliner Öko-Instituts könnte das die Bemühungen zum Klimaschutz um mehrere Milliarden Tonnen CO2 untergraben.

Glasgower Beschlüsse "wichtiger Zwischenschritt"

Der Klimaökonom Prof. Dr. Reimund Schwarze vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ in Leipzig bewertet die Glasgower Beschlüsse dennoch als einen "wichtigen Zwischenschritt". Der Wissenschaftler sagte dem von der Düsseldorfer Naturstrom AG betriebenen Lobby-Portal "energiezukunft": "Das Regelwerk zum Pariser Klimaabkommen wurde endlich beschlossen – im Besonderen der Artikel 6 und dass es im Emissionshandel auf zwischenstaatlicher Ebene keine Doppelzählungen von Klimaschutzmaßnahmen geben darf." Konkret bedeutet Letzteres beispielsweise, dass etwa Emissionsgutschriften, die sich ein Land erwirbt, indem es in einem anderen Land Aufforstungsprogramme finanziert, nicht ein zweites Mal auch von dem Land gutgeschrieben werden können, in dem die Aufforstung stattfindet.

Alte Emissionszertifikate kein großen Problem

Schwarze, der sich bereits während des Glasgower Klimagipfels im MDR verhalten optimistisch geäußert hatte, sagte nun dem Portal "energiezukunft", er sei von COP26 sogar zum Teil positiv überrascht gewesen. Die Gefahr, dass die Wirksamkeit von Klimaschutzmaßnahmen dadurch geschmälert werden könnte, dass Emissionszertifikate des sogenannten Clean Development Mechanism (Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung) aus dem Kyoto-Protokoll übernommen werden, sieht der Leipziger Klimaökonom dabei weniger stark. Schließlich sei die Anerkennung alter Rechte jetzt auf die Periode zwischen 2013 und 2020 beschränkt worden. Ältere Emissionsgutschriften, die im Verdacht stünden nur "heiße Luft" produziert zu haben, würden damit entwertet. Und selbst die jüngeren Emissionsrechte dürften nach den neuen Beschlüssen nur einmal bei den Klimaplänen der Trägerländer verwendet werden, so Schwarze.

Noch zahlreiche Schlupflöcher

Auch Lambert Schneider vom Öko-Institut Berlin ist der Meinung, dass die neuen Regeln von Glasgow zum internationalen Emissionshandel "gute Grundlagen" schaffen würden, obwohl auch sie immer noch "zahlreiche Schlupflöcher" hätten. Es würde deshalb sehr darauf ankommen, ob und wie die Länder das Regelwerk künftig nutzen. Die Regeln könnten missbraucht und die Bemühungen zum Klimaschutz so untergraben werden. Andererseits würden die neuen Regeln einen Mindeststandard setzen, der verhindere, "dass sich jedes Land selbst nach seinen eigenen Regeln die Klimabilanz schönrechnet".

Erhebliche Mittel für UN

Um so etwas zu verhindern und die Regeln aus Artikel 6 des Pariser Klimavertrags, der die Kooperation zwischen Staaten bei der Übertragung von Emissionsminderungen ermöglicht, transparent zu machen, soll die UN nun mit erheblichen Mitteln ausgestattet werden. Nach Ansicht des Leipziger Klimaökonomen Schwarze reichen diese Maßnahmen allein allerdings nicht aus. Da den Staaten bislang keine Nachteile bei der Nichteinhaltung ihrer Klima-Zusagen drohen, müssten auf künftigen Klimakonferenzen entsprechende Sanktionsmechanismen beraten werden. Das könnten Handelssanktionen bei Nichteinhaltung, aber auch Begünstigungen bei der Einhaltung versprochener Maßnahmen und Ziele sein, so Schwarze.

(dn/smc)

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