Umfrage: Viele Jugendliche fürchten sich vor der Zukunft Die Angst vor der Klimakrise
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17. September 2021, 12:00 Uhr
Der Klimawandel ist eine globale Herausforderung für die Menschheit. Zunehmende Wetterextreme, drohende Kippelemente im Klimasystem und die Gefahr politischer Instabilität beeinflussen auch unsere Gefühle: Viele Jugendliche und junge Erwachsene haben Angst vor der Zukunft. Wie man lernen kann mit ihr umzugehen, beschäftigt die Psychologists for Future.
Zwei Drittel der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland fürchten sich wegen des Klimawandels vor der Zukunft. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Meinungsinstituts Kantar unter 1.000 jungen Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren. Die Umfrage liegt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) vor. Rund Dreiviertel der Befragten gaben laut RND an, unzufrieden mit den Maßnahmen der Regierungen zu sein und sogar noch mehr sagten, dass "die Menschheit daran gescheitert ist, auf den Planeten aufzupassen". Die Befragung war Teil einer internationalen Studie unter jungen Menschen, die in der Fachzeitschrift "The Lancet" publiziert wird. International sagen fast die Hälfte aller Befragten, dass die Gedanken an den Klimawandel ihren Alltag negativ beeinflussen würden. Die Mehrheit fühlt sich von den eigenen Regierungen enttäuscht oder sogar verraten.
Was sagt uns die Angst?
Angst, ihre Folgen aber auch ihre Behandlung fallen in die Bereiche der Psychologie und Psychotherapie. Um die Gefühle, die mit dem Klimawandel einhergehen können, zu erforschen und zu behandeln, haben sich Therapeuten und Wissenschaftlerinnen international zu den "Psychologists for Future" zusammengeschlossen. Katharina van Bronswijk aus Deutschland erklärt zum Phänomen der Klimaangst: "Gefühle sind Bedürfnisanzeiger. Sie sagen uns, was wir gerade brauchen oder was gerade schiefläuft und geben uns die Handlungsenergie, etwas zu tun, um dieses Bedürfnis zu erfüllen." Die Grundbotschaft der Angst sei eigentlich gut, weil sie zum Ausdruck bringe, dass die Lage sehr ernst sei und wir handeln müssten. Sie motiviert uns zum Eingreifen. Sie kann allerdings auch lähmend auf die Individuen wirken, wenn Lösungen oder Veränderungen unerreichbar scheinen.
Die Psychologists for Future warnen davor, die Klimaangst zu pathologisieren, also sie bloß zu einem individuellen Anpassungsproblem zu machen – nach dem Motto: Ihr müsst nur mit eurer Angst fertig werden, dann ist das Problem nur halb so wild. Die Klimakrise ist kein Problem, das einzelne Menschen mit ihren Gefühlen haben: "Dabei geht es eigentlich um eine globale Bedrohung, die nur gesellschaftlich-politisch überwindbar ist. Der Versuch der Pathologisierung kann auch als eine Strategie gesehen werden, gesellschaftliches Engagement für den Klimaschutz zu diffamieren und notwendige politische Entscheidungen zu verhindern", heißt es auf der Website der Psychologists for Future.
Warum tun wir dann nichts?
Neben lähmender Angst sei auch die komplette Abwesenheit von Gefühlen ein Problem, um die Klimakrise gesellschaftlich anzugehen: "Ein Großteil der Bevölkerung sagt auf einer rationalen Ebene: die Klimakrise ist ein großes Problem. Aber wenn man dann in Studien schaut, hat ein noch viel größerer Prozentsatz der Bevölkerung überhaupt keine Klimagefühle und da kommen dann psychische Abwehrmechanismen ins Spiel", erzählt die Psychologin Katharina van Bronswijk. Diese psychischen Abwehrmechanismen und die Gleichgültigkeit würden dazu führen, dass wir trotz besseren Wissens unser klimaschädliches Verhalten nicht ändern und uns auch nicht gegen die Folgen der Klimakrise engagieren würden.
Wie können wir mit der Angst umgehen?
Die Psychologists for Future haben Vorschläge entwickelt, wie Betroffene aber auch die Gesellschaft mit der Klimaangst umgehen können. Dabei betrachten sie das Problem auf mehreren Ebenen: Individuum, Gruppe und Politik. Ein erster wichtiger Schritt für Betroffene ist es, über ihre Gefühle zu sprechen: in der Familie, im Freundeskreis oder mit anderen Menschen, die ähnliche Gefühle haben: "Es gibt auch Klimagesprächskreise, die die Psychologists for Future anbieten, wo man explizit über die unangenehmen Gefühle sprechen kann", sagt van Bronswijk. Denn das Gespräch und auch die Verbundenheit mit Gleichgesinnten helfe die Angst zu mindern. Außerdem sei es wichtig, sich Phasen zu schaffen, in denen man bewusst die schlechten Nachrichten zum Thema ausblendet und gute Nachrichten sucht.
Daneben hilft es, sich mit anderen Menschen aktiv zu vernetzen und sich als Gruppe gegen die Klimakrise zu engagieren: "Insbesondere Menschen, die sich starke Sorgen machen, sich angesichts der Klimakrise hilf- und hoffnungslos fühlen, können durch ihr Engagement in der Gruppe die Erfahrung machen, dass diese Gefühle abnehmen und wieder ein Selbstwirksamkeitsgefühl entsteht." So ist beispielsweise Fridays For Future innerhalb kurzer Zeit zur größten Jugendbewegung Deutschlands geworden und hat die öffentliche Debatte stark beeinflusst.
Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene fordern die Psychologists eine schärfere Klimapolitik und mehr Beteiligungsmöglichkeiten im Lokalen und im Bund: Denn die Beteiligung bewirke eben, dass Betroffene das positive Gefühl der Selbstwirksamkeit erleben. Auch könne Partizipation zu einer Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts führen. Vorbilder dafür sind beispielsweise direktdemokratische Abstimmungen oder Bürgerräte, die es modellhaft auch in Frankreich oder Deutschland schon gegeben hat.
Die Psychologists for Future stellen auch klar: Die Angst vor den Folgen des Klimawandels ist gut begründet, denn die negativen Effekte sind in vielen Teilen der Welt bereits spürbar und werden mit jeder weiteren Erwärmung zunehmen.
QUELLEN:
Hickmann, C., Marks, E. (2021). Young People's Voices on Climate Anxiety, Government Betrayal and Moral Injury: A Global Phenomenon. The Lancet
Sansons, A. V., Van Hoorn, J. & Burke, S. E. L. (2019). Responding to the Impacts of the Climate Crisis on Children and Youth. Child Development Perspectives
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