Usutu-Virus Neues Amselsterben in Deutschland
Hauptinhalt
05. September 2024, 10:11 Uhr
Mediziner und Tierschützer sind besorgt: Derzeit kommt es zu einem massiven Vogelsterben in Deutschland. Betroffen sind Amseln. Hauptursache ist in offenbar das Usutu-Virus. Das kann auch auf Menschen übertragen werden. Alles, was Sie über das Virus wissen sollten.
In Deutschland sterben die Amseln. Das von Mücken übertragenen Usutu-Virus bringt sie um. "Derzeit treffen täglich Dutzende Päckchen mit verendeten Vögeln am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) ein", meldete das Institut Ende August (siehe Foto). Mehr als 200 Einsendungen gab es im laufenden Jahr allein am Nocht-Institut. Im gesamten Vorjahr waren es insgesamt 100. Vor allem Amseln, aber auch Drosseln und Falken sind dabei.
Auch der Naturschutzbund Nabu meldet einen Anstieg der Zahlen. So gab es über das Usutu-Portal des Nabu 2024 bereits über 10.802 Meldungen mit 5.800 toten und 2.600 krank gemeldeten Amseln und anderen Vögeln (Drosselartige, Meisen, Finken und Spatzen, Stand 02.09.24). Das sind laut dem Naturschutzbund doppelt so viele wie 2023.
Im Fokus steht 2024 besonders Niedersachsen, von dort stammen rund 40 Prozent der Meldungen. Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen sind laut Nabu im Vergleich deutlicher geringer betroffen. Die Fallzahlen sind etwa 5- bis 6-mal so hoch wie 2023. Aus Thüringen sind bisher für 2024 64 Fälle gemeldet (2023: 14), aus Sachsen 126 (2023: 23) und aus Sachsen-Anhalt 109 (2023: 17). Alles Verdachtsfälle, so der Nabu. Wie das Infektionsgeschehen sich entwickelt, können erst die Untersuchungen des Bernhard-Nocht-Instituts zeigen. Bisher ist dort bei 25 Prozent der untersuchten Tiere des Usutu-Virus nachgewiesen worden. Auch das Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt hat in diesem Jahr bereits in 13 Proben von Wildvögeln und Vögeln aus zoologischen Gärten in Sachsen-Anhalt Usutuviren nachgewiesen. "Dies zeigt die Präsenz des Virus in der Region", so das Landesamt auf Nachfrage von MDR WISSEN.
Zahlen könnten weiter steigen
Nabu-Vogelschutz-Referent Marco Sommerfeld geht allerdings davon aus, dass diese Zahlen erst der Anfang sind und sie weiter deutlich ansteigen werden. Die Entwicklung der letzten Wochen hat diesen Trend bereits bestätigt. Das Amselsterben könnte sich deshalb erneut verheerend auf den Vogelbestand auswirken. "2018 ist der Amselbestand beispielsweise in Hamburg um etwa 40 Prozent eingebrochen. Seitdem hat er sich noch nicht wieder erholt. Bei so einer häufigen Art ist das erschreckend." 2018 waren der Norden und Osten besonders stark betroffen. Amseln gehören zu den Vögeln, die es in Deutschland am meisten gibt. Sie werden bei den Vogelzählungen neben Meisen und Spatzen am häufigsten gesichtet.
Ausbreitung des Virus dokumentieren
Das Bernhard-Nocht-Institut (BNI) und der Nabu hoffen weiter auf die Hilfe durch die Bevölkerung und darauf, dass Menschen tote und kranke Tiere melden und einsenden. "Der Anstieg der USUV-positiven Fälle in diesem Jahr zeigt, wie wichtig es ist, die Ausbreitung des Virus zu beobachten, zu dokumentieren und wissenschaftlich auszuwerten", sagt BNI-Forscher Renke Lühken. "Dabei sind wir auf die Unterstützung durch die Bevölkerung angewiesen." Lühken forscht am BNI zur Verbreitung der sogenannten Arboviren und leitet eine eigene Forschungsgruppe. Als Arboviren werden Viren bezeichnet, die sich sowohl in Arthropoden wie Mücken oder Zecken als auch in Vertebraten (Vögeln, Säugetieren) vermehren.
Was Sie beim Helfen beachten sollten
Wohin sende ich die Tiere?
Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNI)
Bernhard-Nocht-Straße 74
20359 Hamburg
Oder
Friedrich-Loeffler-Institut
Dr. Ute Ziegler
Südufer 10
17493 Greifswald - Insel Riems
Was Sie laut Nabu beachten sollten:
- Obwohl nach aktuellem Wissenstand keine Infektionsgefahr von den Vögeln ausgeht, wird zum Hantieren mit toten Vögeln das Verwenden von Handschuhen oder einer umgestülpten Plastiktüte sowie eine anschließende Händereinigung empfohlen.
- Tote Vögel sollten direkt an das BNI in Hamburg geschickt werden.
- Sorgen Sie bitte für einen zügigen Versand und eine sichere Verpackung! Idealerweise sollten die Vögel mit einem Tiefkühlakku versehen, gut gepolstert und wasserdicht verpackt versendet werden. In den Sommermonaten ist eine Isolation mit Styropor sinnvoll.
- Es empfiehlt sich besonders vor Wochenenden die Einsendung mit dem BNI oder den Untersuchungsämtern vorab telefonisch abzustimmen.
- Ist ein sofortiger Versand nicht möglich, müssen die Vögel bis zum Versand gut verpackt tiefgefroren aufbewahrt werden.
- Einsender sollten auf der Verpackung den Schriftzug "Freigestellte veterinärmedizinische Probe" anbringen.
- Fügen Sie Ihrer Sendung genaue Informationen zum Absender sowie zu Fundort (mit PLZ) und Funddatum bei.
- Leider können keine Versand- und andere Unkosten erstattet werden. Wie zahlreiche Mitmenschen unterstützen Sie mit ihrer Zuarbeit jedoch die Erforschung des Usutu-Viren-Ausbruches tatkräftig!
- Die Untersuchung der eingesandten Vögel wird vom BNI kostenlos vorgenommen, und selbstverständlich erhält jeder Einsender vom BNI eine Rückmeldung über das Resultat der virologischen Untersuchung.
Usutu: Was ist das für ein Virus?
Das Usutu-Virus ist ein Flavivirus, gehört damit zur selben Gruppe wie Gelbfieber-, West-Nil- und die durch Zecken übertragenen FSME-Viren. Der Name "Flavivirus" leitet sich vom lateinischen Wort "flavus" ab, was gelb bedeutet. Es wird durch heimische Stechmücken übertragen. Infizierte Vögel, fast immer sind es Amseln, wirken krank und apathisch, bis sie nach einigen Tagen sterben. Erstmals hatte der Erreger in Deutschland 2011 ein Vogelsterben ausgelöst. Das tropische Virus tritt seit gut zehn Jahren in Europa auf und breitet sich dem Nabu zufolge immer weiter aus.
Angesichts der steigenden Zahlen hat die Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin e. V. (DGKL) wichtige Antworten auf die aktuellen Fragen zum Usutu-Virus zusammengestellt.
Kann das Usutu-Virus Menschen infizieren?
Ja, allerdings geschieht dies relativ selten und die Infektionen verlaufen häufig unbemerkt oder mit milden Symptomen. Das Virus wird hauptsächlich durch Culex-Stechmücken verbreitet, die auch Menschen stechen können (Culex pipiens, die Hausmücken, die auch bei uns überwintern). Symptome einer Infektion können Fieber, Kopfschmerzen und Hautausschläge sein, ähnlich denen einer Sommergrippe. In seltenen Fällen, besonders bei älteren oder immungeschwächten Personen, kann es zu ernsteren Krankheitsverläufen wie einer Gehirnentzündung kommen.
Kann es zu einer Usutu-Pandemie kommen?
Menschen sind keine natürlichen Wirte für das Usutu-Virus, und die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung ist gering. In Deutschland sind bisher keine klinischen USUV-Erkrankungen beim Menschen bekannt, auch nicht bei immunsupprimierten Patienten, schreibt das Friedrich-Loeffler-Institut. Neuere Studien wiesen das Virus allerdings bei gesunden Blutspendern in Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien nach.
Das bestätigt auch das Sozialministerium Sachsen gegenüber MDR WISSEN. Mit Stand vom 03.09.2024 wurden seit der 30. Meldewoche (22.7.-28.7.2024) 8 Fälle mit Usutu-Virus-Nachweis an die Landesuntersuchungsanstalt (LUA) Sachsen übermittelt, so das Ministerium. Die PCR-Nachweise, überwiegend aus Blutspenden, betrafen vier Männer und vier Frauen im Alter zwischen 30 und 68 Jahren, die keinerlei Symptomatik zeigten.
Sind Vögel, die ich zu Hause halte, gefährdet?
Möglicherweise, so die Labormediziner. Das Usutu-Virus hat erhebliche Auswirkungen auf die Vogelpopulationen in Deutschland.
Links/Studien
Usutu-Virus | Information des Friedrich-Loeffler-Instituts
Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin: Usutu-Virus (USUV) kann Menschen infizieren
Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin: FAQ zum Usutu-Virus
gp mit dpa
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 21. März 2024 | 12:30 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/e5526cff-a326-439f-8587-63c419a3f54c was not found on this server.