Forschung an Perlhühnern Gegen Alphatiere hilft nur Demokratie
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25. November 2020, 20:00 Uhr
Wenn machthungrige Leittiere ein bisschen zu machthungrig werden, kippt die Gruppe das System und bestimmt selbst, wo's langgeht. Das haben Forschende bei Geierperlhühnern im Osten Afrikas beobachtet.
Es ist schon fast eine Binsenweisheit, zu behaupten, die Alphatiere eines Rudels würden nicht immer nach bestem Gewissen für ihre Mitindividuen handeln. Und ein Schelm, wer versichert, sie würden keinerlei Vorteile aus dem Machtanspruch ziehen. Dafür gibt es nicht nur im Tierreich ausreichend Beispiele. Doch die clevere Mutter Natur hat sich einen interessanten Mechanismus einfallen lassen, um eine gleichberechtigte Versorgung aller Gruppenmitglieder zu gewährleisten.
Kleines Gehirn, große Sozialstruktur
Anders gesagt: Bei Geierperlhühnern haben Egoistinnen und Egoisten keine Chance. Geierperlhühner, das ist wieder so eine Tierart, von der die meisten wahrscheinlich noch nie etwas gehört haben. Und sie sehen tatsächlich genau so aus, wie es der Name verspricht: ein Perlhuhn mit dem Kopf eines Geiers. Eigentlich würde man so ein Tier – die auffälligen Streifen am Hals tun ihr Übriges – eher in einem Fantasy-Comic als in freier Wildbahn zwischen Äthiopien und Tansania vermuten. Diese von der Schwanzfeder bis zum Unterhals schönen Tiere haben zwar nur ein kleines Gehirn, aber eine ausgeprägte Sozialstruktur, die auch Forschenden vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie und der Universität Konstanz aufgefallen ist.
So leben die Vögel in einer mehrschichtigen Gesellschaft und sind in sozialen Gruppen von 15 bis 60 Individuen anzutreffen. Dort gibt es auch dominante Alphatiere, so wie bei Wölfen oder Menschenaffen. Dass deren Macht eher Schein als Sein ist, haben Forschende bereits in den vergangen Jahren gezeigt: Die Gruppe ist durchaus berechtigt, den Finger oder die Feder zu heben, wenn es um eine Entscheidung geht, wohin die Reise einer Gruppe fortgesetzt wird. Nun könnte man meinen, dass Geierperlhühner andere Bedürfnisse als freidenkende Menschen haben und ihnen die Reisebewegung eigentlich egal ist – die Entscheidung eines einzelnen Machthabers (oder einer Machthaberin) also vollkommen okay sein dürfte. Warum wollen sie also mitbestimmen?
Diese Frage war bisher ungeklärt und die Forschenden aus Konstanz haben eine Antwort gefunden:
Geierperlhühner müssen als Gruppe zusammenarbeiten, da allein lebende Tiere durch ihr leuchtendes Gefieder leichte Ziele für Raubtiere wie Leoparden und Kampfadler sind.
Dieser Zusammenhalt wird durch ein Verhalten verstärkt, das man als eine Art systematische Revolte bezeichnen könnte. Nämlich dann, wenn das Alphatier einzelnen Gruppenmitgliedern den Zugang zu Nahrung verwehrt und sich die lieber selbst unter den Nagel bzw. die Kralle reißt. In so einem Fall lehnen sich die ausgeschlossenen gegen das Alphatier auf und drängen die Gruppe zum Weiterziehen. Das dominierende Individuum muss dann seinen Nahrungsschatz aufgeben und der Gruppe folgen.
Dieses Verhalten stellt das Überleben der Gruppe mit gleichberechtigtem Zugang zu Ressourcen sicher. Wenn nur das Leittier eine Entscheidungshoheit hätte, sähen die anderen Geierperlhühner ganz schön alt aus. Interessant auch, wie die Forschenden überhaupt die Sozialstruktur der Tiere durchdrungen haben. Dazu waren jahrelange Beobachtungen mit Video und GPS-Ortung notwendig. Anhand von Streitigkeiten zwischen den Individuen hat jedes einen Rang erhalten, nach einem Listensystem, wie man es vom Fußball kennt – also wer hat gegen wen gewonnen und verloren und wer hat dadurch welchen Rang.
Bei Pavianen wird mit Füßen abgestimmt
Wenn es um soziale Gerechtigkeit geht, nehmen Geierperlhühner Missstände also selbst in die Hand. Und nicht nur die: Auch Paviane haben Mitspracherecht, wohin die Reise einer Gruppe geht – so eine vorangegangene Studie des Forschungsteams. Auch Abstimmungen mit den Füßen wurden dort beobachtet. Das könnte für Menschen als Vorbild herhalten und wäre in so manchem Plenarsaal eine heitere Abwechslung.
Originalveröffentlichung
Danai Papageorgiou & Damien Farine "Leadership shifts to subordinates when access to resources is unequal", erschienen in "Science Advances" (DOI: 10.1126/sciadv.aba5881).
(flo)
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