Studie Feuerameisen – schlauer als gedacht?
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09. Oktober 2020, 16:48 Uhr
Ameisen, die Artgenossen aus Zuckerwasser-Teichen retten, nutzen Sand als Hilfmittel. Ist das vorausschauendes Handeln? Nutzen Ameisen bewusst Werkzeuge? Ein Görlitzer Forscher ist skeptisch.
Campingfans kennen das: Wenn es nach Regen aussieht, ziehen erfahrene Zelter einen kleinen Graben um das Zelt, um mögliche Regen-Bächlein um ihr Lager herumzuleiten. Für Menschen ein ganz normales Verhalten: Gefahr erkennen, eine Lösung suchen. Ameisen machen das auch, zeigt jetzt eine Forschungsarbeit der Universität Wuhan. Dazu wurden Feuerameisen der Art Solenopsis richteri in der Nähe ihres Nestes kleine Behälter mit Zuckerwasser hingestellt.
Die Ameisen konnten auf der Oberfläche schwimmen und dort Zuckerwasser fressen. Als die Forscher die Oberflächenspannung der Flüssigkeit reduzierten und die Ameisen zu ertrinken drohten, schleppten Artgenossinnen Sandkörner herbei und legten die Innsenseite des Behälters damit aus. So wurde das Wasser abgeleitet. Die Ameisen im Behälter ertranken nicht und das Zuckerwasser wurde nach draußen abgeleitet. Es verteilte sich auf eine breitere Fläche, wo mehr Ameisen leichten Zugang dazu hatten. Studienleiter Dr. Aiming Zhou von der Huazhong Agricultural University im chinesischen Wuhan beschreibt das Verhalten der Ameisen so:
Die Ameisen nutzen den Sand, um eine Struktur zu bauen, die effektiv Zuckerwasser aus dem Behälter herausziehen konnte, um es dann zu sammeln.
Sein US-Forschungskollege, Entomologe Dr. Jian Chen vom Agrikultur-Forschungsinstitut in Missisippi/USA, geht noch einen Schritt weiter. Er spricht von Werkzeugen, die die Ameisen nutzen:
Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Ameisen und andere soziale Insekten möglicherweise beachtlich hohe kognitive Fähigkeiten für einzigartige Futtersuchstrategien haben.
Kognitive Fähigkeiten, vorausschauendes Handeln, Strategien? Unterschätzen wir Ameisen am Ende völlig? Das glaubt Dr. Bernhard Seifert vom Senckenberginstitut in Görlitz nicht. Was Schwarmintelligenz angeht, sind uns Ameisen tatsächlich weit überlegen, sagt er. Aber was flexibles, vorausschauendes Handeln angeht, kommen Ameisen nicht ansatzweise an den Menschen heran.
Ameisen in Gefahr senden sogenannte Stridulationssignale aus, erklärt der Entomologe weiter. Viele Insekten haben ein Stridulationsorgan, mit dem sie bestimmte Laute erzeugen können. Dabei wird eine Art Dorn über ein Körpersegment gezogen, das eine rippenartige Strukur hat, wie wenn man einen Nagel über ein Waschbrett sieht.
Wer schon mal auf einer Wiese gezeltet hat, hat es bestimmt schon mal gehört. Wenn eine Ameise eingeklemmt unter dem Zeltboden festhängt, macht sie solche Laute, das ist ein ganz, ganz feines Zirpen.
Also liegt hier kein vorausschauendes Handeln vor, sagt Dr. Seifert, sondern ganz einfach ein Ergebnis der Philogenie, der stammesgeschichtlichen Entwicklung der Ameisen.
Wie Ameisen und Pflanzen zusammenarbeiten
Dafür kennt der Forscher viele Beispiele. Zum Beispiel das der Ameisen, die aus 50 Samen gezielt den Samen von Myrmekophyten, also Ameisenpflanzen, sammeln, sie auf einen Baum schleppen und exakt da in die Borke stecken, wo sich der Sämling entwickelt und zur Pflanze heranwächst: Die brauchen die Ameisen nämlich als Schutz und Nahrung. Oder das Beispiel der fleischfressenden Pflanzen, die symbiotisch mit einer Ameisenart zusammenwachsen: Die Ameisen schützen die Pflanzen vor Fressfeinden, managen dafür ihren Fangbehälter, holen sich also die Insektenleichen und sorgen dafür, dass es darin nicht zu voll wird.
Die Ameisen wissen genau, wo sie die Pflanze besiedeln können und können im Gegensatz zu anderen Insekten im spiegelglatten Schlund der Pflanze ein- und ausspazieren. Klassische Symbiose-Verhältnisse nach dem Motto "Ich geb Dir was, Du gibst mir was." "All das ist festes Instinktrepertoire", sagt Dr. Bernhard Seifert. Bezogen auf die Zuckerwasser-Behälter-Versuche der Forschungskollegen hat er weiterführende Fragen: Es wäre spannend zu untersuchen, welche Notsignale die Ameisen in Gefahr im Zuckerwasserbheälter gegeben haben. Denn Ameisen kommunizieren nicht nur mit Stridulationssignalen, sondern auch mit Klopfhinweisen oder Düften.
Die Studie wurde von der British Ecological Society veröffentlicht.
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