Biologie Neuer Job, langes Leben – bei Ameisen klappt's!
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19. August 2020, 20:00 Uhr
Ein Perspektivwechsel ist gut, ein Wechsel der sozialen Schicht besser: Das zeigen zumindest Ameisen aus Indien, die durch sozialen Aufstieg ihre Gesundheit verbessern können.
Vielleicht möchten Sie sich aus einer Laune heraus mal gern in den Sessel Ihrer Chefin oder Ihres Chefs setzen. Oder der Bürgermeisterin oder des Bürgermeisters. Vielleicht auch in den der Bundeskanzlerin? Sie hätten einen guten Grund: Zumindest bei Ameisen scheint dieser Perspektivwechsel gesundheitsfördernd zu sein.
Kann hüpfen und kann Königin
Genauer gesagt: Die Indische Sprungameise (Harpegnathos Saltator) macht das so. Diese Art ist unter den Ameisenarten ohnehin höchst auffällig. Erstmal: Sie kann hüpfen, ein paar Zentimeter weit, deswegen heißt sie auch so. Außerdem sind ihre Kolonien klein und die sozialen Unterschiede zwischen arbeitenden Tieren und Königinnen nicht so groß. Das führt zu einem weiteren bemerkenswerten Verhalten: Neue Kolonien werden durch Königinnen gegründet, aber wenn die altern, können einige Arbeiterinnen das Kolonieoberhaupt ersetzen. Denn auch die sozial untergeordneten Bewohnerinnen sind in der Lage, sich zu paaren und Eier zu legen. Biologen nennen sie Gamergates, mehrere von ihnen ersetzen bei Bedarf eine Königin.
Das ist in etwa so, als würden Sie und ihre besten Freunde im Rathaus Platz nehmen, weil die Bürgermeisterin schon etwas sehr lange im Dienst war. Für diese Aktion gibt es sogar noch Rückhalt in der Bevölkerung. Nicht nur bei einer etablierten Königin, sondern auch bei aktiven Gamergates sorgen andere Arbeiterinnen dafür, dass nicht einfach irgendwelche neuen Arbeiterinnen Eier legen und eliminieren die Eier, wenn es Nicht-Eier-Autorisierte trotzdem probieren.
Veränderungen in den Gehirnzellen beobachtet
Forschende der University of Pennsylvania in Philadelphia haben jetzt herausgefunden, was das Verhalten der Thronübernahme mit den begünstigten Arbeiterinnen macht. Kurz gesagt: Der soziale Aufstieg kann ihr Leben um das fünffache verlängern. Statt nur sieben Monate können die Gamergates bis zu drei Jahren leben. Es wurde bereits vermutet, dass dafür physische Veränderungen im Gehirn verantwortlich sind. Das Forschungsteam hat jetzt herausgefunden, dass vor allem eine Zusammensetzung der sogenannten Gliazellen maßgeblich dazu beiträgt. Glia ist griechisch und bedeutet Leim. Das trifft es ganz gut, denn anders als die Nervenzellen sorgen die Gliazellen im Gehirn für die notwendige Stabilität, die Isolation und schlicht den Schutz. Die Ameisen haben in ihrer sozialen Transformation mehr sogenannte umhüllende Glia erhalten, die für die Gesundheit des Gehirns förderlich ist.
Bei uns hat es anderer Gründe
Da sich hier nicht mal verallgemeinernde Aussagen für alle Ameisen dieser Welt treffen lassen, sondern das Verhalten sehr Art-spezifisch ist, wäre es ein recht abenteuerlicher Sprung, Rückschlüsse auf den Menschen zu ziehen. Aber: Ganz unabhängig davon ist längst bekannt, dass sich auch bei uns der soziale Status auf die Gesundheit auswirken kann. So hat das Robert Koch-Institut zwischen 2009 und 2010 Daten erhoben, aus denen klar hervorgeht, dass Menschen mit einem geringeren sozialen Status auch ihren gesundheitlichen Zustand schlechter einschätzen als privilegiertere Menschen. Sie seien zudem häufiger von chronischen Krankheiten aber auch Unfällen betroffen. Die Gründe dafür dürften aber selbstverständlich gesellschaftlicher und nicht biologischer Natur sein.
flo
Link zur Studie
Die Studie erschien am 19. August 2020 unter dem Titel Social reprogramming in ants induces longevity-associated glia remodeling im Fachjournal Science Advances.
DOI: 10.1126/sciadv.aba9869
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