Klimaökonomie und COP 29 Wer den Klimawandel ignoriert, wirtschaftet sich ins Abseits
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22. November 2024, 15:08 Uhr
Die Weltklimakonferenz COP 29 in Baku macht deutlich, warum wir den Klimawandel als eine wirtschaftliche Tatsache begreifen müssen. Die Verhandlungen sind zäh, aber: Dass die Weltwirtschaft in Richtung CO2-Neutralität geht, lässt sich nicht länger ignorieren.
Dass wir CO2 reduzieren müssen, ist längst eine globale, wirtschaftliche Realität. Und zwar ganz unabhängig davon, ob Sie nun die Natur lieben oder Ihren Porsche. Der Klimaökonom Moritz Schwarz findet, die Welt als Ganze sei mittlerweile auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität, da gebe es kein Ausweichen: "Wenn wir jetzt nicht Strategien entwickeln, wie wir als starker Wirtschaftsstandort dahin kommen, dann werden wir langfristig nicht viel gewinnen."
Auch wenn offenbar längst nicht alle Staats- und Regierungschefs diese Realität annehmen können, zeigt die Weltklimakonferenz COP 29, die seit zwei Wochen in Baku stattfindet, warum wir nicht um den Klimawandel "herumwirtschaften" können.
Der Weg zur Netto-Null ist steinig
Netto-Null, also eine ausgeglichene Bilanz, bei der der Anteil von CO2 in der Atmosphäre zumindest nicht weiter erhöht wird – dieses Ziel haben sich viele Staaten gesteckt. Und – wie eingangs betont – wir sind auf dem Weg dorthin. "Auf dem Weg sein ist das eine, das andere ist vielleicht die Richtung, also wie viele Umwege muss ich gehen", betont Edeltraud Günther. Die Wirtschaftswissenschaftlerin war als Expertin in Baku. Sie ist UN-Diplomatin und arbeitet an der Universität der Vereinten Nationen in Dresden, in Kooperation mit der Technischen Universität. Mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten scheinen sich durchaus einige Umwege anzudeuten. Auch die Stimmung auf der Weltklimakonferenz wurde durch die US-Wahl geprägt: "Was ich auf der Konferenz wahrgenommen habe, ist wie so eine Wolke, die über allem schwebt", erklärt Günther.
"Entwicklungsland" China?
Das verändert das globale Machtgefüge. "Ich habe das Gefühl, dass durch die US-Wahl auch so etwas wie ein Vakuum entstanden ist, wo dann andere Akteure wie zum Beispiel China durchaus auch sagen, jetzt gehen wir mal einen Schritt voran", sagt Edeltraud Günther. China und Indien gelten bei den Weltklimakonferenzen noch als "Entwicklungsländer" und sind damit in der gleichen Kategorie wie die ärmsten afrikanischen Länder.
Das liegt daran, dass die Einstufungen 1992 festgelegt wurden, als die UN-Klimarahmenkonvention unterzeichnet wurde. Mittlerweile hat sich die wirtschaftliche Lage der beiden Nationen deutlich verbessert. Die Forderungen, dass China sich auch als Geberland einbringt, werden dementsprechend lauter. Klimaökonomin Günther nimmt wahr, dass sich hier etwas verändert: "China sieht natürlich auch die Innovationen, gerade beim Thema E-Mobilität. Und China ist auch selbst stark vom Klimawandel betroffen. Und dieses Zusammenspiel zeigt sich dann auch, insofern würde ich sagen, es geht langsam voran."
Der Globale Süden
Eine der Hauptforderungen auf der COP: Die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder des Globalen Südens brauchen finanzielle Unterstützung. Wie stark sie ausfällt und welche Nationen wie viel geben, war Hauptgegenstand der Verhandlungen. "Da sehe ich unsere Aufgabe, weil unser Wohlstand ganz stark von den Menschen im Globalen Süden abhängt, egal in welcher Industrie: Wir haben keine wahren Preise, an ganz vielen Stellen. Wenn Sie sich etwa Ihre Textilien ansehen, was da an Wasserverbrauch mit verbunden ist, das zahlen wir hier nicht mit." Wir haben also jenseits von Menschlichkeit und Gerechtigkeit schlicht wirtschaftliche Gründe, diese Länder zu stabilisieren.
Deutschland und die EU
Deutschland hat sich bereits in Dubai für eine bessere Klimafinanzierung eingesetzt, auch in diesem Jahr nehme sie ein starkes Engagement wahr, sagt Edeltraud Günther. Dabei müsse man aber aufpassen, dass man selbst nicht ins Hintertreffen gerate, beispielsweise, wenn es um E-Mobilität geht. In Deutschland sei es teilweise so, dass die Politik langsamer als die Unternehmen sei.
Auf politischer Ebene gibt es verschiedene Maßnahmen, die die Wirtschaft auf einen klimafreundlichen Kurs bringen können. Unter anderem durch Verbote und Regulierungen. Wenn im Zusammenhang mit Klimapolitik Worte wie "Verbotspartei" fallen, muss man sagen: Verbote werden hier bislang ohnehin kaum eingesetzt. Zumindest stellt das eine aktuelle Politikmaßnahmen-Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung fest.
Verbote nur als Notlösung
Als Betriebswirtschaftlerin sei sie per se auch kein Fan von Verboten, sagt Edeltraud Günther: "Wenn, dann als Notlösung." Was sie sich stattdessen wünscht: mehr Anreize und mehr Vertrauen in marktwirtschaftliche Mechanismen. "Das ist ja das Tolle: Wir wissen schon, wie Unternehmen funktionieren und die sehen genau, wo Anreize gesetzt werden." Viele Lösungen für eine klimafreundlichere Wirtschaft gebe es außerdem schon, jetzt müsse man an die Umsetzung gehen.
Aus Günthers Perspektive bedeutet das auch, dass wir jetzt investieren sollten. "Was wir in der betriebswirtschaftlichen Forschung den Puffer nennen, den haben viele kleine, mittelständische Unternehmen nicht." Ein solcher Puffer kann Raum für Investitionen schaffen. "Obwohl ich aus Sicht der kommenden Generationen ganz klar für eine Schuldenbremse bin, bin ich überzeugt: In der jetzigen Situation müssen wir da einfach mal sagen, lasst uns Geld in die Hand nehmen und Kapazitäten aufbauen, damit wir dann Wert generieren." Sie nehme häufig wahr: In Unternehmen, denen es schlecht geht, wird nicht investiert: "Wir wissen aber aus der Forschung, dass das genau der richtige Weg wäre."
Was viele Unternehmen ihr zudem spiegeln, sei der Wunsch nach einem verlässlichen politischen Rahmen. Das bedeute, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen nicht von Legislaturperiode zu Legislaturperiode ändern, sagt Edeltraud Günther. Sie wünscht sich, dass es hier mehr parteiübergreifende Zusammenarbeit gibt.
Und jetzt?
Aktuell (Stand 22.11.) steht noch keine Abschlussvereinbarung der COP 29 in Baku fest. Anstelle einer festen Summe, mit der die Länder des Globalen Südens im Kampf gegen den Klimawandel rechnen können, steht aktuell noch ein "X" im Papier. Voraussichtlich gehen die Verhandlungen noch bis Sonntag weiter. Dass die Klimakonferenz ein großer Erfolg wird, zeichnet sich aber bis jetzt nicht ab.
An sich gehört dieses Hin- und Zurückverhandeln zum politischen Prozess. Edeltraud Günther sagt: "Das musste ich als Wissenschaftlerin ehrlich gesagt auch erst einmal lernen: Fakten und empirische Evidenz sind das eine – aber es heißt noch lange nicht, dass das dann umgesetzt wird."
Links/Studien
Die erwähnte Politikmaßnahmen-Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung war auch schon einmal Gegenstand unseres Klima-Updates. Sie können den Artikel hier nachlesen.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 22. November 2024 | 17:40 Uhr
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