MDRfragt COP29: Mehrheit wünscht sich starkes Eintreten Deutschlands für Klimaziele
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16. November 2024, 03:00 Uhr
Die Ausgangslage für die Weltklimakonferenz ist denkbar schwierig: Gastgeber Aserbaidschan hängt vom Export fossiler Brennstoffe ab, mit Trump ist bald ein Klimawandelleugner Präsident eines der einflussreichsten Länder der Welt, geopolitische Krisen drängen das Thema in den Hintergrund und diverse Regierungschefs bleiben der Konferenz gleich ganz fern – so auch Bundeskanzler Scholz. Trotzdem wünschen sich die MDRfragt-Teilnehmer, dass die deutsche Delegation auf möglichst weitreichende Klimaschutzziele drängt.
Mehr als 22.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben sich an der Befragung anlässlich der UN-Klimakonferenz beteiligt. Und geht es nach den MDRfragt-Teilnehmern, sollte sich Deutschland allen Krisen zum Trotz dafür einsetzen, dass der weltweite Klimaschutz bei der UN-Konferenz in Baku deutlich gestärkt wird. Insgesamt sprechen sich 53 Prozent dafür aus. Gut jede und jeder Dritte, 38 Prozent, möchte eher, dass sich die deutsche Delegation zurückhält.
Einer derer, die sich für weitreichende Klimaziele ausspricht, ist zum Beispiel der 36-jährige Frank aus Dresden: "Ich weiß nicht, wie laut und deutlich die Appelle noch werden sollen. Deutschland sollte zumindest auf maximal mögliche Vereinbarungen dringen und nicht noch weiter ausbremsen, im Namen der heimischen Autoindustrie zum Beispiel." Und Cornelia, 55, aus Halle, ergänzt: "Endlich mit gutem Beispiel vorangehen... Als einer der reichen Staaten in der Welt sollte Deutschland weltweit auf möglichst weitreichende Klimaschutzziele drängen, die ärmeren Länder finanziell unterstützen und selbst strenge Maßnahmen im eigenen Land ergreifen, sodass die Welt sieht, dass Deutschland es ernst meint."
Wie viel kann Deutschland ausrichten?
Von anderen MDRfragt-Teilnehmern wird jedoch angezweifelt, dass das mit dem guten Beispiel funktioniert – etwa vom 21-jährigen Devin aus Erfurt: "An sich sollte Deutschland auf weitreichende Klimaschutzziele drängen. Das ist aber scheinheilig und macht Deutschland international unglaubwürdig und unsympathisch, wenn Deutschland selbst die internationalen Ziele nicht einhält." Und Jörg, 55, aus dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge fügt hinzu: "Was ist denn Deutschland in der Welt?! Es ist, wie wenn der Floh der Katze befehlen möchte, langsamer zu gehen..."
An sich sollte Deutschland auf weitreichende Klimaschutzziele drängen. Das ist aber scheinheilig und macht Deutschland international unglaubwürdig und unsympathisch, wenn Deutschland selbst die internationalen Ziele nicht einhält.
Wie von Cornelia aus Halle angesprochen, ist das Hauptthema auf der diesjährigen COP die Klimafinanzierung – also die Frage, inwiefern reichere Staaten Entwicklungs- und Schwellen-Länder bei Klimaschutz und -anpassung finanziell unterstützen. Darüber hinaus soll es aber auch um den Ersatz von Schäden gehen: Ärmere Staaten, die vom Klimawandel besonders betroffen sind, fordern von den Industrienationen, die für die Erderwärmung hauptverantwortlich sind, einen Ausgleich für erlittene Verluste. Die Mehrheit der MDRfragt-Teilnehmer, nämlich 57 Prozent, steht hinter dieser Forderung – rund jeder Dritte lehnt sie ab.
Die 32-jährige Paula aus Jena fasst es für sich kurz und knapp so zusammen: "Ja, natürlich. Wer viel Dreck macht, muss ihn auch wegräumen... Fertig." Und Marcel, 33, aus Erfurt ergänzt: "Ja, das Verursacherprinzip muss hier Anwendung finden. Wir wissen seit etwa 50 Jahren von den möglichen Folgen der fossilen Brennstoffnutzung und waren nicht bereit zu einer Änderung. Das muss nun mit viel Geld bezahlt werden."
Wir wissen seit etwa 50 Jahren von den möglichen Folgen der fossilen Brennstoffnutzung und waren nicht bereit zu einer Änderung. Das muss nun mit viel Geld bezahlt werden.
Andere Teilnehmer wie Jonas, 24, aus Görlitz sehen jedoch Einschränkungen. Bei der Frage, ob auch der Anteil, den ein Land historisch betrachtet zum Klimawandel beigetragen hat, berücksichtigt werden soll, ist für ihn Schluss: "Ich sehe das (...) eher nach aktuellem Ausstoß. Warum sollen wir für etwas bestraft werden, das während der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert passiert ist?" Und Andreas, 28, aus Zwickau lehnt solche finanziellen Hilfen generell ab: "Diese Zuschüsse gehen zu oft in Korruption oder dunkle Kanäle. Daher kann das keine Lösung sein."
Weniger Klimaschutz in Zeiten anderer Krisen
Dass sich die MDRfragt-Teilnehmer derzeit unterm Strich für weitreichende Klimaziele auf der COP29 in Aserbaidschan aussprechen, überrascht insofern, als gleichzeitig die Mehrheit der Meinung ist, Klimaschutz sollte während anderer Krisen – wie wir sie aktuell erleben – vorübergehend zurückgestellt werden. 52 Prozent haben so geantwortet, 45 Prozent sehen das zeitweise Zurückstellen als keine Option an.
Speziell mit Blick auf Deutschland sagt jede und jeder Zweite sogar, dass die Klimaschutzziele hierzulande zu weit gehen. Rund jeder Vierte sieht es komplett anders und findet, dass im Gegenteil noch mehr getan werden müsse.
Insbesondere die deutschen Pfade zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen – ein Ausstieg, der auch weltweit gefordert wird – lehnen die meisten ab.
Mehr Akzeptanz für globale Klimaziele
Wie gehen also der Wunsch nach weniger Klimaschutz (in Krisenzeiten und in Deutschland) einerseits und der Wunsch nach weitreichenden Klimazielen auf der COP andererseits zusammen? Eine Erklärung könnte sein, dass die Akzeptanz der Teilnehmer für Klimaschutzmaßnahmen zunimmt, sobald diese global gelten. 82 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben angegeben, dass das bei ihnen der Fall ist, nur 15 Prozent sehen diesen Effekt bei sich nicht.
Dazu passt ein Kommentar von Karl, 39, aus Dresden, der schreibt: "Deutschland sollte sich mehr für die Reichweite und Vereinheitlichung von Klimazielen einsetzen, anstatt die eigenen Ziele zu hoch zu stecken." Immer wieder war in den Kommentaren zu lesen, dass Deutschland in den Augen der Befragten alleine nichts ausrichten könne. Oft verbunden mit dem Wunsch, dass Deutschland sich auch nicht wirtschaftlich schwächen solle durch Alleingänge.
Deutschland sollte sich mehr für die Reichweite und Vereinheitlichung von Klimazielen einsetzen, anstatt die eigenen Ziele zu hoch zu stecken.
Die 25-jährige Alex aus Dresden fasst die Crux mit den Klimakonferenzen für sich entsprechend so zusammen: "Wenn alle mitreden dürfen, werden die Ziele vermutlich zu schwach und es dauert zu lange. Trotzdem sollte ein weltweiter Beschluss getroffen werden." Und dieser weltweite Beschluss dürfte in den Augen vieler MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer dann gerne auch ambitionierter ausfallen.
Über diese Befragung
Die Befragung vom 01. bis 08. November 2024 lief unter der Überschrift: "Kriege, Krisen, Kostensteigerung - ist da noch Platz für Klima?"
Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen.
Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ. Bei dieser Befragung haben sich 22.318 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen online mit ihrer Meinung eingebracht.
Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland.
MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests. Mehr zur Methodik von MDRfragt finden Sie am Ende des Artikels.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 14. November 2024 | 19:30 Uhr